Zölle von 100 Prozent auf Elektrofahrzeuge aus China und eine ganze Reihe weiterer massiver Zuschläge auf chinesische Produkte: Das hat die US-Regierung unter Joseph Biden am Mittwoch angekündigt. Auch wenn der US-Präsident und sein Stab betonen, dass die Massnahme nichts mit dem Wahlkampf zu tun habe, ist genau das der Fall. Wie der Schweizer Ökonom David Dorn in einem Interview mit der «Handelszeitung» und in einer Studie mit anderen gezeigt hat, sind die Zölle bei der US-Wählerschaft beliebt, selbst bei jenen, denen der Handelskrieg schadet. Die Studie zeigt das am Beispiel von Trumps Handelskrieg. 

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Dass die Zölle den US-Konsumentinnen und -Konsumenten schaden, ist schon gemäss ökonomischer Standardtheorie zu erwarten. Denn letztlich schränken höhere Zölle die Auswahl an Produkten in den USA ein und führen dort zu höheren Preisen. Und selbst die Arbeitnehmenden leiden, weil die Chinesen ihrerseits Zölle und andere protektionistische Massnahmen gegen Produkte aus den USA einführen. Das haben sie bisher getan, und sie werden es wieder tun.

Frühere Studien von David Dorn und seinen Kollegen zum sogenannten China-Schock haben gezeigt, wie sehr Teile der US-Industrie durch massive Importüberschüsse aus China gelitten haben – wirtschaftlich wie auch sozial – und wie beides zu Trumps Wahlsieg im Herbst 2016 beigetragen hat. Seither sehen grosse Teile der US-Bevölkerung China sowohl als politischen als auch als wirtschaftlichen Feind. Um China in Schranken zu halten, nehmen die Leute Opfer in Kauf. 

Am Ende dürfte das dem Original nützen – und damit Trump

So ist es nicht verwunderlich, dass Biden die von Trump eingeführten Zölle gegenüber China beibehalten hat – wie auch jene gegenüber den europäischen Ländern. Und Biden ist in Sachen Protektionismus noch weiter gegangen: Seine Regierung hat milliardenschwere Subventionsprogramme für US-Unternehmen eingeführt, die den bereits klammen Staatshaushalt weiter belasten. 

Und dennoch bleibt in erster Linie Donald Trump der Mann der Zölle. Bereits hat dieser für den Fall seiner Rückkehr ins Weisse Haus massive neue Zollerhöhungen für alle Importe und besonders für jene aus China angekündigt. Ob Bidens aktuelle Verschärfung des Handelskriegs ihm im Wahlkampf wirklich hilft, darf deshalb bezweifelt werden. Die US-Amerikanerinnen und -Amerikaner dürften sich fragen, weshalb sie nicht gleich das Original dieser Politik wählen sollen – und das ist Trump. 

Dieser Wettkampf um immer höhere Zölle und immer höhere Subventionen ist für die Welt insgesamt höchst beunruhigend und für die Schweiz als kleine und besonders stark vom freien Welthandel abhängiges Land in erhöhtem Mass. Denn all die anderen grossen Blöcke ziehen mit den USA mit: mit eigenen Zollaufschlägen und mit eigenen Subventionen. 

Schlecht ist das aber nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung überall, sondern auch für die geostrategische Lage. Immer schärfere Handelskonflikte hatten im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs einen wesentlichen Anteil an der Verschlechterung der wirtschaftlichen Bedingungen und den Spannungen, die schliesslich zur Katastrophe geführt haben.

Markus Diem Meier
Markus Diem Meierist Chefredaktor der Handelszeitung.Mehr erfahren