Manchmal klingt Paul Manafort schon wie sein neuer Chef Donald Trump. Als dessen Konkurrent Ted Cruz den Milliardär bei der Auswahl von Parteitagsdelegierten mal wieder ausgetrickst hatte, polterte Manafort sofort von «Gestapo-Methoden». Es muss ihn aber auch wirklich gewurmt haben. Schliesslich ist er doch der Taktiker, der alle schwarzen Künste des Wahlkampfes beherrscht. Und da ist es schlicht eine Frage der Ehre, sich nicht übertölpeln zu lassen. Wer das missachtet, ist die Inkarnation des Bösen. Willkommen in der Welt von Paul Manafort, einem der gewieftesten politischen Strippenzieher der vergangenen Jahrzehnte. Er ist eine der mächtigsten Figuren in Trumps Wahlkampfteam – und sicher die düsterste.

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Trump hat immer geprahlt, ein Aussenseiter zu sein und nicht abhängig von Lobbyeinflüssen. Doch mit Manafort hat er Ende März den Washington-Insider und zynischen Lobbyisten schlechthin engagiert. Er soll Trumps chaotische Wahlkampftruppe neu aufstellen und effizienter machen. «Die Struktur musste konventioneller werden. Das ist es, was wir in die Kampagne eingebracht haben», sagte Manafort auf Fox News. Seine Verpflichtung nannte das Online-Magazin «Slate» gar «einen Coup». Schliesslich sei Manafort «einer der wichtigsten Polit-Profis der vergangenen 40 Jahre – und einer der effektivsten».

Manafort machte Diktatoren hoffähig

Er ist aber auch einer der skrupellosesten. Manafort hat die schlimmsten Diktatoren der Dritten Welt in Washington hoffähig gemacht, war in mehrere Skandale verwickelt und half als Wahlkampfberater von Viktor Janukowitsch, die Ukraine in Moskaus Einflussbereich zurückzuholen. Geschäft ist Geschäft. Zum Teufel mit Amerikas nationalen Interessen. Ausgerechnet dieser Mann verkauft jetzt den Slogan «Making America great again».

Kaum jemand ist so lange dabei wie der 67-jährige Manafort, auf dessen maskenhaftem Gesicht zuweilen noch etwas ziemlich Jungenhaftes aufblitzt. Bekannt wurde er beim Nominierungsparteitag der Republikaner 1976, als er half, dem damaligen US-Präsidenten Gerald Ford gegen Konkurrent Ronald Reagan die Kandidatur zu sichern. Als Reagan vier Jahre später doch noch nominiert worden war, war der Mann aus Connecticut längst auf die Gewinnerseite gewechselt und organisierte die Südstaatenkampagne des späteren Wahlsiegers.

«Graf von Monte Christo»

Der Erfolg brachte ihm eine wichtige Rolle in dem Team ein, das Reagans Amtsantritt organisierte. Als das erledigt war, schuldeten etliche neue Regierungsmitglieder Manafort einen Gefallen. Und das ist in Washington viel Geld wert. Nach Reagans Amtsantritt gründete Manafort mit dem Enfant terrible Roger Stone und zwei anderen die Beratungsfirma Black, Manafort, Stone & Kelly, die zweifelhafte Berühmtheit erlangen sollte. Sie prägte einen neuen Lobbyismus: Ein Zweig der Firma organisierte Wahlkampagnen, der andere bearbeitete die selbst gemachten Wahlsieger im Dienste zahlender Kunden.

Manafort überliess dem extrovertierten Stone die Aussendarstellung und nahm sich lieber ein Beispiel an seinem distinguierten Mentor James Baker III. Wie der spätere Aussenminister agierte Manafort am liebsten geräuschlos im Hintergrund. «Wir nannten Manafort bewundernd den Grafen von Monte Christo, wegen der Stimmung, die er um sich verbreitete», erzählte der frühere republikanische Wahlkampfmanager Scott Reed dem Online-Magazin «Politico».

«Schmierigste Lobbyfirma des Landes»

Bis Ende der 80er-Jahre hatten sich Manafort, Black und Stone ein Monopol auf wichtige republikanische Kampagnen erarbeitet. 1988 managten sie gleichzeitig die Wahlkampagnen von gleich drei Republikanern, die um die Nominierung als Präsidentschaftskandidaten kämpften – George Bush, Bob Dole und Jack Kemp. Ein Kongressmitarbeiter witzelte damals: «Warum halten wir eigentlich noch Vorwahlen ab für die Nominierung? Warum lassen wir die Kandidaten nicht einfach rübergehen zu Black, Manafort und Stone, um die Sache auszudiskutieren?»

Damals betrieben sie schon einen weiteren lukrativen Zweig – die Diktatorenwaschanlage. Sie hätten die meisten verfügbaren Autokraten zu ihren Kunden gemacht, prahlte Stone unlängst. Es war jedoch Manafort, der sich innerhalb der Agentur um die ausländischen Klienten kümmerte. Die Satirezeitschrift «Spy» kürte das Unternehmen 1992 zur «schmierigsten Lobbyfirma» des Landes.

«All seine Aktivitäten sind sehr weit auf der schwarzen Seite»

Manaforts «gut bezahlte Raketenwerfer» stünden «an der Spitze der organisierten Apologetik. Nenne einen korrupten Despoten, und sie führen ein Kundenkonto auf seinen Namen: Ferdinand Marcos, 900.000 Dollar pro Jahr; der nun gestürzte somalische Diktator, 450.000 Dollar; das ins Drogengeschäft verwickelte Regime auf den Bahamas, 800.000 Dollar.» Auch die Diktatoren der Dominikanischen Republik, Nigerias, Kenias, Äquatorialguineas und des Kongo gehörten zu Manaforts Klienten. Die herrschsüchtigen Kunden wurden an Fernsehshows vermittelt, erhielten Zugang zu Kongressabgeordneten und oft Hilfszahlungen der US-Regierung.

Besonders bizarr war Manaforts Engagement im Bürgerkrieg in Angola. 1985 schloss er im Dschungel einen Beratervertrag mit Unita-Führer Jonas Savimbi, der gegen die marxistische Regierung kämpfte. Dafür wurde der in China ausgebildete Maoist zum Freiheitskämpfer stilisiert, Besuche bei konservativen Denkfabriken in Washington inbegriffen. Der US-Kongress billigte Hunderte Millionen an verdeckter Finanzhilfe. Manche Experten glauben, dass Manaforts Firma den Krieg in Angola bewusst um zwei Jahre in die Länge zog, indem sie sofort neue Waffenlieferungen organisierte, sobald Friedensverhandlungen in greifbare Nähe kamen. «Viele Lobby-Firmen lehnen die Art von Kunden ab, mit denen Manafort sich eingelassen hat», sagt Lobby-Experte James Thurber von der American University in Washington. «Aus moralischer Sicht agiert Manafort nicht mal mehr in einer Grauzone. All seine Aktivitäten sind sehr weit auf der schwarzen Seite.»

Schmutzkampagne gegen Ureinwohner

Es ist kein Zufall, dass Trump Manafort engagierte. Schliesslich war er selbst einst Kunde seiner Lobby-Firma. Damals, Anfang der 90er-Jahre, nutzten immer mehr Indianerstämme die Sonderrechte ihrer Reservate zum Aufbau von Glücksspielstätten und schmälerten so Trumps Gewinne aus dem Spielhallen-Geschäft. Stone und Trump gründeten eine Briefkastenfirma, die Amerikas Ureinwohner in einer Schmutzkampagne als Kriminelle hinstellte. Als die Sache aufflog, bekamen beide eine Strafe von 250.000 Dollar aufgebrummt.

Auch Manafort war immer wieder in Skandale verwickelt. Etwa als Berater des französischen Präsidentschaftskandidaten Édouard Balladur, der seinen US-Berater jedoch verheimlichen wollte – und ihn deshalb lieber von einem libanesischen Waffenhändler bezahlen liess, der damals fette Provisionen an einem französisch-pakistanischen U-Boot-Deal verdiente.

Comeback für Janukowitsch inszeniert

Ab 2008 wurde es plötzlich ruhig um Manafort. Er verlegte seine Aktivitäten ins Ausland. Der ukrainische Ex-Präsident Viktor Janukowitsch erschien vielen schon als hoffnungsloser Fall. Ein Mann mit krimineller Vergangenheit, sowjetisches Auftreten, ungeschickt als Redner. Selbst die Unterstützung aus Russland half nicht. Seine Niederlage gegen den prowestlichen Viktor Juschtschenko bei der Wahl 2004 versuchte er mit Fälschungen zu vertuschen, löste damit die sogenannte Orangene Revolution aus und musste abtreten. Aber Manafort organisierte ein unerwartetes Comeback für Janukowitsch.

Der Donezker Oligarch Rinat Achmetow, ein Verbündeter Janukowitschs, traf Manafort 2005 in Monaco und gab ihm einen Beratervertrag. Der Amerikaner bekam Beraterverträge bei Achmetows Holding SCM. Sein erster grosser Erfolg war die Wahlkampagne der Partei der Regionen 2006. Manafort feilte am Image von Janukowitsch. Er verjüngte den Altkader optisch, liess ihm die Haare schneiden, brachte ihm bei, seinem Publikum von der Bühne zuzuwinken. Janukowitschs Parteitage wurden zu Shows mit Luftballons, Konfetti und Lichteffekten. «Manafort gelang es sehr gut, die amerikanischen Methoden mit ukrainischen Besonderheiten zu verbinden», sagt der Kiewer Politikwissenschaftler Wladimir Fesenko.

Luxus-Hochhaus mit putinnahem Geld geplant

Der Mann aus Washington wirkte immer sehr gelassen. Andrej Jermolajew, ein ukrainischer Politologe, der Manafort damals alle zwei bis drei Monate begegnete, beschreibt ihn als Arbeitsbesessenen. Manchmal trafen sie sich am frühen Morgen auf einen Kaffee, manchmal um 23.00 Uhr abends, um über ukrainische Politik zu sprechen. «Trotz seiner Berühmtheit konnte er immer sehr gut zuhören», erinnert sich Jermolajew. «Im Unterschied zu anderen Beratern ging es ihm nicht nur um das Äussere, um die Werbung. Er half, die politische Strategie zu entwerfen.» Bis zu den Maidan-Protesten 2014 habe Manafort für Janukowitsch gearbeitet. Auch mit anderen berüchtigten Oligarchen machte Manafort Geschäfte.

Mit dem Geld des putinnahen Erdgas-Tycoons Dmitro Firtasch plante Manafort 2008 ein Luxus-Hochhaus in Manhattan, was allerdings scheiterte. Die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko klagte später in New York gegen Firtasch. Der Fonds, den Firtasch mithilfe von Manafort eröffnet hatte, diene der Geldwäsche, so Timoschenko. Die Klage wurde mangels Beweisen abgelehnt. Für den putintreuen russischen Metallmagnaten Oleg Deripaska organisierte Manafort Treffen mit dem Republikaner John McCain. Der Oligarch investierte 2007 in einen 200-Millionen-Dollar-Fonds auf den Kaimaninseln, den Manafort mit seinen Partnern aufgesetzt hatte. Als Deripaska sein Geld zurückforderte, brach die Partnerschaft auseinander. Der Milliardär ging vor Gericht und warf den Ex-Partnern vor, rund 19 Millionen Dollar unterschlagen zu haben.

«Es wird Trump schaden»

Nun ist Manafort also zurück im US-Geschäft. Gerüchte, er wolle den Kandidaten Trump zu gemässigterem Auftreten bewegen, dementierte der Milliardär. «Ich weiss, dass er sehr glücklich ist», sagte Trump dem Sender Fox. «Gestern in Pennsylvania war das Stadion voll.» In seiner Rede hatte Trump unter anderem die Essgewohnheiten seines Konkurrenten John Kasich thematisiert. Doch Manaforts anrüchige Vergangenheit zieht immer mehr Kritik auf sich. Trump gilt ohnehin schon lange als Bewunderer von Russlands Autokrat Wladimir Putin.

Manaforts Beziehungen zu putinhörigen Oligarchen lassen ihn wie einen Einflussagenten Moskaus erscheinen, obwohl er sagt, derzeit für niemand anderen als Trump zu arbeiten. Aber man kann sich vorstellen, wie man im Lager von Hillary Clinton schon Munition gegen Manafort sammelt. «Wenn er eine Schlüsselfigur von Trumps Kampagne bleibt, dann wird das auch weiter eine grosse Geschichte sein, und es wird Trump schaden», sagt Lobby-Experte Thurber. Manafort wird sich davon nicht beirren lassen, schliesslich hat er ein grosses Ziel vor Augen. «Er will noch einmal ein Heimspiel», sagte ein Freund gegenüber «Slate». «Er will einen letzten Schuss, um den grossen Preis zu erringen.»

Dieser Artikel erschien zunächst in der «Welt» unter dem Titel «Der düstere Spin Doctor hinter Donald Trump».