Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf will das Bankkundengeheimnis im Innern abschaffen. Das ist keine Behauptung, sondern Fakt, belegt durch publik gewordene (aber noch gescheiterte) Anträge im Bundesrat. Um ihr Nein zur «Volksinitiative zum Schutz der Privatsphäre» und damit des Bankkundengeheimnisses für Schweizer zu begründen, greift sie auf ein Argument zurück, das Behörden Tür und Tor öffnet und ihr jede Macht gibt.

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Sie schreibt: «Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre gehören Informationen über die finanziellen Verhältnisse nicht zu den Daten, die für die Identität eines Menschen derart wichtig sind, dass sie dessen Persönlichkeit im engeren Sinne betreffen würden.»

Alles geschützt, nur Finanzdaten nicht

Höchst erstaunlich, der Satz – doch dem Buchstaben nach hat sie sogar recht. Das Datenschutzgesetz (DSG) listet in Artikel 3 zwar eine Vielzahl von Personendaten auf, die «besonders schützenswert» sind: Angaben über politische, sexuelle, religiöse oder weltanschauliche Neigungen, über gewerkschaftliche Aktivitäten, über Gesundheit und strafrechtliche Verfolgungen oder gar über die Abhängigkeiten von der Sozialhilfe. Die Finanzdaten hingegen fehlen im langen Katalog, der vom Europarat vorformuliert wurde.

Sowohl Ständerat wie Nationalrat haben zwischen 1988 und 1992 bei den Beratungen des DSG kein einziges Wörtchen über diese Kategorisierung verloren. Sie gingen von der Annahme aus, dass die persönlichen Finanzinformationen durch das Bankengesetz genügend geschützt seien.

Schwerer Grundlagenirrtum

Ein schwer erklärbarer Grundlagenirrtum und ein fataler Widerspruch wars jedoch bereits zu jener Zeit. Denn wer die Finanzdaten besitzt, der hält den Schlüssel in der Hand, der ihm Zugang gewährt zu Identitäten und Persönlichkeiten. Ihm erschliessen sich nicht nur geschäftliche Beziehungen, sondern auch höchst private: Beiträge an politische Parteien, NGO und Verbände, Kirchensteuern, Spenden an Sekten, kostenpflichtige Sexualkontakte, Konsumvorlieben, Zuwendungen an Gewerkschaften, Anwaltskosten, Überweisungen des Sozialamts, Arztrechnungen oder innerfamiliäre Transaktionen.

Durch das offene Finanzfenster werden just die gesetzlich «besonders schützenswerten Daten» sichtbar. Darum durchforsten Polizei, internationale Nachrichtendienste und andere Auskundschafter mit Eifer die Finanzströme der Observierten.

Der Schweizer Datenschutz, der die Diskretion der finanziellen Verhältnisse nicht garantiert, ist eine Fehlkonstruktion. Aber eine gewollte, wie sich bei weiterer Lektüre der bundesrätlichen Nein-Botschaft zur Initiative zeigt. Denn die Landesregierung wehrt sich explizit gegen die Forderung der Initianten, nachträglich der «finanziellen Privatsphäre» den gleich hohen Schutzstandard zu gewähren. Grund der Weigerung der Mehrheit des Bundesrats: «Besonders schützenswerte Daten» dürfen nur unter strengen Bedingungen (etwa mit dem Einverständnis der Betroffenen) ins Ausland geliefert werden. «Was den grenzüberschreitenden Datenverkehr», also den automatischen Informationsaustausch, erschweren oder gar verhindern würde.

Der schwache Schutz der Finanzdaten ist somit das politisch gewünschte Einfallstor nicht nur ins Portemonnaie, sondern ins Innerste der Menschen. Bald auch in der Schweiz.