Viele sehen das Rahmenabkommen und die Personenfreizügigkeit als angemessene Zutrittspreise in den EU-Binnenmarkt, denn die reiche kleine Schweiz profitiere mehr vom Freihandel mit der grossen EU als umgekehrt. Ähnlich wurde schon bei den Kohäsionszahlungen an Osteuropa argumentiert: Der Binnenmarkt nütze uns mehr als den armen Osteuropäern.

Beides ist falsch. Rahmenabkommen und Personenfreizügigkeit schaden der Schweiz. Sie stellen tatsächlich Zahlungen dar, aber keinesfalls angemessene.

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Freihandel mit reichen Ländern bringt immer mehr als Freihandel mit armen Ländern. Deshalb profitiert die EU mehr vom Freihandel mit der Schweiz als von jenem mit ähnlich grossen ärmeren Ländern – sprich vom Freihandel mit den meisten ihrer eigenen Mitglieder.

Der Autor

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg sowie Mitgründer und Forschungsdirektor des Center for Research in Economics, Management and the Arts CREMA. Spezialisiert ist er auf die ökonomische Analyse des politischen Prozesses und politischer Institutionen. 

Hingegen nützen grosse Handelspartner tatsächlich mehr als kleine. Aber das heisst keineswegs, dass die EU uns mehr nützt, als wir der EU nützen. Wir profitieren nur pro Einwohner gerechnet mehr. Weil aber die EU viel mehr Einwohner hat, profitiert sie insgesamt gleich viel wie die Schweiz.

Weshalb aber zahlt die Schweiz trotzdem einen Preis für den Zugang zum Binnenmarkt, während die Ostländer dafür bezahlt werden?

Knallharte Interessenpolitik

Da spielt der gleiche Mechanismus, der auch die Preisinsel Schweiz verursacht: Die Schweizer sind sehr reich. Deshalb haben sie eine hohe Kaufkraft. Die Produzenten aller Güter und Dienstleistungen versuchen diese Kaufkraft abzuschöpfen – auch die EU als «Freihandelsproduzent». Deshalb sind in der Schweiz nicht nur viele Markenartikel überteuert, sondern auch der EU-Freihandel.

Zudem geht es um knallharte Interessenpolitik. In den Ostländern profitiert die Bevölkerung enorm vom EU-Binnenmarkt. Aber für viele osteuropäische Produzenten ist die Westkonkurrenz ein Ärger. Deshalb sind sie gegen den Freihandel – ähnlich wie unsere Bauern. Damit die Ostregierungen dem protektionistischen Druck nicht nachgeben, organisierte die EU Kohäsionszahlungen an sie. Das gibt den Ostregierungen Anreize, das zu bieten, was für ihre Völker und ganz Europa gut ist: Freihandel.

Nicht schimpfen, sondern lernen

Darüber sollten wir nicht schimpfen, sondern daraus lernen. Denn mit den EU-Verantwortlichen ist es wie mit den Ostregierungen: Natürlich wollen sie, dass wir den einseitigen Rahmenvertrag unterschreiben und ihre Bürger frei in die Schweiz wandern lassen. Aber noch lieber hätten sie – Geld.

Entsprechend sollte die Schweiz der EU den Preis für den freien Zugang zum Binnenmarkt nicht mit dem Rahmenvertrag und der Personenfreizügigkeit bezahlen, sondern mit Geld. Das wäre für beide Seiten viel besser.

Die grosse Kunst aber ist, Geldzahlungen moralisch so gefällig zu verpacken, dass niemand bestechlich wirkt. Wie das geht, kann man aus den Kohäsionsmilliarden lernen.