Trumps Zollpolitik erschreckt. Was bedeutet sie für die Beziehung zwischen der Schweiz und der EU? Erstens belegt sie leider nicht die Stärke, sondern die Schwäche der EU. Zweitens ist sie nicht nur ein Produkt Trumps, sondern viel allgemeiner der Grösse der USA. Regierungen grosser Einheiten verfallen oft Kontrollillusionen und Machbarkeitsglaube. Das gilt für Einzelpersonen und Bürokratengruppen. Sie meinen, mit ihrer Politik die Welt verändern zu können und dazu berufen zu sein. Manche wollen ihr Land wieder gross machen, andere möchten mit hoch subventioniertem Flatterstrom die Energieversorgung volkswirtschaftlich günstig und sicher machen.

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Zugleich befeuert die Landesgrösse die Staatsverschuldung. In kleinen politischen Einheiten lohnt sich Schuldenwirtschaft nicht. Deren Bewohner können der zukünftigen Schuldenlast – höhere Steuern und tiefere Staatsleistungen – gut entfliehen, indem sie in Nachbareinheiten ausweichen. Sie bleiben nur, wenn die Schuldenlast durch tiefere Wohnkosten und Landpreise kompensiert wird. Als Folge kapitalisieren Staatsschulden in den Bodenpreisen, belasten also die heutigen Bodenbesitzer, die deshalb gegen die Verschuldung ankämpfen. Mit steigender Landesgrösse wird es für die Bürger immer schwieriger, der Schuldenlast auszuweichen. So belasten Schulden die zukünftigen Generationen, was sie für heute lebende Politiker attraktiv macht. Entsprechend sind grosse und geschlossene Gesellschaften systematisch höher verschuldet als kleinere. Zugleich bringt die Zentralisierung der Verschuldungskompetenz – wie zurzeit in der EU – höhere Schulden. Längerfristig verursachen die Schulden dann schwere Probleme, welche die machbarkeitsgläubigen Regierungen zu verrückten Interventionen verleiten.

Drittens darf die Schweiz die Probleme der grossen USA und der EU nicht ignorieren. Denn sie sind ansteckend. Der sehr hohe Schweizer Handelsbilanzüberschuss mit den USA und der Welt insgesamt hat zwei Ursachen:

  • Zum einen kompensiert der Wechselkurs die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz nicht so umfassend, wie es ein freier Devisenmarkt sollte. Sprich: Der Frankenkurs ist nicht zu hoch, sondern zu tief. Ursächlich dafür sind die Politik der Nationalbank, die eine marktgerechte Aufwertung des Frankens verhindert, sowie vielerlei Massnahmen von Produzenten und Importeuren zur Marktabschottung und Abschöpfung der hohen Schweizer Kaufkraft. Das Resultat ist die Hochpreisinsel Schweiz. Ein aktuelles Beispiel ist der Kampf gegen den Einkaufstourismus zur «Rettung des Schweizer Detailhandels», der genauso absurd wie die Trump’sche Importbekämpfung zur Reindustrialisierung ist.
  • Zum anderen bläht die grosse Zuwanderung infolge Personenfreizügigkeit die Branchen auf, die den grossen Aussenhandelsüberschuss verursachen. So leiden die Bürger doppelt: Das Bevölkerungswachstum bringt hohe Füllungskosten und verstärkt den US-Zollhammer.

Der Gastautor

Reiner Eichenberger ist Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg.

Was also tun? Wer zwischen zwei netten, aber zuweilen gewalttätigen Partnern wählen kann, sollte sich am besten an keinen fest binden. Doch er sollte zu beiden möglichst gute Beziehungen pflegen und ihre Probleme ernst nehmen. Im Fall USA heisst das: Wir sollten unseren Markt nicht nur für EU-Güter voll öffnen, sondern auch für US-Güter. Wir sollten den Import von nach US-Norm produzierten Gütern einseitig frei zulassen – mit klarer Deklarationspflicht. Zweitens sollten wir die Landwirtschaftsmärkte öffnen, aber die Bauern für ihre – noch genauer zu messenden – Leistungen für die Allgemeinheit grosszügig entschädigen. Drittens sollten wir Trumps Ruf nach tieferen Medikamentenpreisen zu unserem eigenen machen. Auch die Schweiz hat überhöhte Medikamentenpreise. Diese müssen runter – für Medikamente aus Schweizer und US-Produktion.