Der Fall einer Erbschaft hat Paris wie Bern skandalisiert. Er ist ganz frisch und zeigt: Frankreich hat einen hungrigen Fiskus. Ein in der Schweiz lebender Franzose verstarb und hinterliess zwei in Lyon lebenden Cousins 125’000 Euro. Genf besteuerte den Nachlass zu 55 Prozent nach Schweizer Recht. Frankreich verlangte weitere 60 Prozent nach französischem Recht. Zusammen betrug die Besteuerung 115 Prozent des Nachlasses. Die Cousins mussten also die geerbten 125’000 Euro dem Fiskus gleich abliefern und darüber hinaus 18’000 Euro Steuern aus der eigenen Tasche zahlen.

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Emmanuel Macrons zweitägiger Staatsbesuch in der Schweiz

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron besucht zusammen mit seiner Frau Brigitte Macron am Mittwoch für zwei Tage die Schweiz. Das Programm beginnt mit einer Militärparade um 14 Uhr in Bern. Der Gesamtbundesrat wird ihm die Ehre erweisen. Danach folgen politische Gespräche zu wichtigen Themen, etwa zur Rolle der Europäischen Union und dazu, wie stark die Schweiz sich integrieren sollte und könnte. Die genaue Themenagenda ist geheim.

Am Donnerstag hält Marcon in Lausanne an der Uni eine Rede und besucht später in Genf den physikalischen Teilchenbeschleuniger des Cern (Conseil Européan pour la Recherche Nucléaire), der halb auf französischem Boden liegt. 

Die «Handelszeitung» beleuchtet die wichtigsten fünf Themen, die in Bern zur Sprache kommen dürften:

«Das ist ein schockierender Zustand, denn er widerspricht dem Grundsatz der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit», sagte der Genfer Nationalrat (Mitte) und Anwalt Vincent Maire im September im Nationalrat. Der Grund: Es fehlt ein Abkommen für Erbschaftssachen, das eine Doppelbesteuerung verhindert. Ein solches Abkommen der Schweiz existiert nur mit acht Ländern, darunter mit Deutschland. Es verhindert, dass Erbinnen und Erben zweifach zur Kasse gebeten werden. 

Bis 2011 gab es auch mit Frankreich ein Abkommen. Doch der linke Ex-Präsident François Hollande kündigte es im Zuge der Jagd nach Steuerhinterziehern auf. Jetzt müsse ein neues verhandelt werden, verlangte Maire im September im Parlament. Immerhin leben 204’000 Schweizer Staatsangehörige und damit künftig potenziell Betroffene in Frankreich.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter soll in Paris verhandeln

Maire lancierte daraufhin einen parlamentarischen Vorstoss. Dieser wurde im Nationalrat mit nur einer Gegenstimme angenommen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter erhielt den Auftrag, mit Frankreich zu verhandeln. Auch französische Abgeordnete seien schockiert gewesen, sagt Maire. Sie hätten Macron dazu aufgefordert, ein neues Abkommen mit der Schweiz auszuhandeln.

Doch diese Aufforderung half nichts. Als Keller-Sutter vor zwei Wochen beim französischen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire vorsprach, winkte dieser ab. Er habe sich über die Möglichkeit, ein neues Abkommen auszuhandeln, nur «zurückhaltend geäussert», heisst es beim Bund. Le Maire habe aber zugesagt, «für besondere Situationen der Doppelbesteuerung eine Lösung von Fall zu Fall zu finden». Offenbar gibt es Spielraum im Gesetz. Und Paris wolle die Gesamtbelastung auf 70 Prozent einer Erbschaft senken. Bloss 70 Prozent des Nachlasses, wie tröstlich.

Geerbtes Ferienhaus kostet 40 Prozent des Hauswerts an Erbschaftsteuern

Im Parlament gab sich Keller-Sutter nicht sonderlich betrübt. Das Parlament habe es selber verbockt, als es 2015 ein neues Abkommen mit Frankreich ablehnte. Nicht überraschend also, wenn Fälle wie der oben geschilderte der Cousins auftauchen. Auch direkte Nachkommen bezahlen einen Haufen Steuern. Ein geerbtes Ferienhaus für Südfrankreich etwa wird in Paris mit happigen 40 Prozent besteuert.