Die meisten Eingriffe in die Bürgerrechte müssten Anfang März enden. Mit einer guten Impfstrategie hätten sich die zwei Hauptziele dahinter dann erübrigt – nämlich die Risikogruppen vor Infektion und das Gesundheitswesen vor Überlastung zu schützen. Nun will der Bundesrat die Normalisierung lange aufschieben. Doch seine Strategie erscheint inkonsistent.

Reiner Eichenberger ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Instituts Crema.

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Die neuesten Eingriffe begründete die Landesregierung am 13. Januar mit der Angst vor Verhältnissen wie in Irland – also mit einer beispiellosen Infektionswelle durch die britische Mutation. Tatsächlich sprangen auf der Grünen Insel die täglichen Fälle (7-Tage Mittelwert) in einem Monat von rund 280 auf einen Höchststand von 6532 Fällen am 10. Januar, mit 45 Prozent Anteil der britischen Mutation.

Aber: Schon bei Verkündung der Schweizer Massnahmen am 13. Januar waren die irischen Fälle bereits wieder auf 5'427 gesunken, bei Inkrafttreten am 18. Januar auf 3'186, und heute liegen sie unter 1000. Und auf dem Höhepunkt waren ja 55 Prozent mit der «alten» Variante begründet. Also explodierte diese von unter 280 auf rund 3800. Die irische Welle hat folglich – genau wie der Anstieg der Fallzahlen in Portugal und England – viel mit anderem als einer Mutation zu tun.

Und neu waren solche Wellen auch nicht. In der Schweiz explodierten die täglichen Fälle im letzten Herbst in einem Monat von rund 500 auf knapp 9000 Fälle – ganz ohne Mutationen.

«Resultat: Ein Lockdown von vier Wochen ist immer besser als ein Lockdown von acht oder zehn Wochen.»

Ähnlich fragwürdig sind die Interpretationen wichtiger Studien. Die natürliche Immunität – die wichtigste Ressource im Kampf gegen Corona – wird immer noch heruntergeredet. So betrage die «Durchseuchung» gemäss einer neuen Antikörperstudie in Genf «nur» 22 Prozent.

Aber: Aufgrund des Erhebungszeitraums spiegeln die Daten den Antikörperstand von Anfang Dezember. Antikörper werden zudem erst rund zwei Wochen nach Infektion ausgebildet und bei etwa einem Drittel der Infizierten sind keine Antikörper messbar. Sie sind «nur» dank zellulärer Abwehr immun. Somit misst die Antikörperstudie zwei Drittel der Durchseuchung zum Zeitpunkt Mitte November. Seither ist die Durchseuchung gemessen an den offiziellen Fallzahlen um weitere vier Zehntel gewachsen.

Welche Verschwendung!

Somit deutet die Studie darauf hin, dass bis heute rund 46 Prozent der Genfer infiziert wurden und damit schon so gut wie geimpft sind. Sie alle gleich nochmals zu impfen, ist mehr als eine Verschwendung knapper Impfdosen.

Bleibt noch die Kosten-Nutzen-Studie zum Lockdown der Taskforce-Ökonomen. Angeblich stützt sie das Vorgehen des Bundesrates. Immerhin geht die Studie endlich in die richtige Richtung. Sie stellt die Nutzen des Lockdowns in Form gewonnener Lebensjahre seinen Kosten gegenüber – für Lockdowns von vier, sechs, acht und zehn Wochen unter verschiedenen Annahmen zu Wert und Zahl der verlorenen Lebensjahre und Wirtschaftsschäden.

Entgegen der gängigen Interpretation findet die Untersuchung, dass – trotz sehr hohen Annahmen zum Lebenszeitverlust – ein Lockdown von vier Wochen immer besser ist als ein Lockdown von acht oder zehn Wochen. Und fast immer besser als einer von sechs Wochen.

Wahrscheinlich wäre sogar ein kürzerer Lockdown noch besser, aber dazu schweigt die Taskforce.