Seine letzte Steuererklärung unterschrieb Adolf Hitler 1935. Fortan verzichtete das zuständige Finanzamt München darauf, den «Führer und Reichskanzler» steuerlich zu veranlagen. Ein Sondergesetz machte es möglich. Jetzt glauben britische Historiker und Medien belegen zu können, dass Hitler zusätzlich hohe Summen, mindestens dreistellige Millionenbeträge, ins Ausland transferiert hat.

Der britische Sender Channel 5 strahlt am Freitagabend (Wiederholung am Samstag) die Dokumentation «The Hunt for Hitler's Millions» aus. Ihr zufolge soll es Belege geben, dass der Diktator Werte von damals rund 1,1 Milliarden Reichsmark verschoben hat.

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Für Hitler galt brutto gleich netto

Nach der Rechnung von Channel 5 soll das heute etwa 3,6 Milliarden britischen Pfund, also 4,5 Milliarden Euro entsprechen. Doch dürfte dieser Faktor von eins zu vier deutlich zu niedrig angesetzt sein. Betrachtet man nämlich Einkommen und Kaufkraft, so erscheint eine Umrechnung von eins zu zehn realistischer.

Hitler bekam als Reichskanzler ein Gehalt von 29'200 Reichsmark im Jahr, die er – jedenfalls im Prinzip – hätte versteuern müssen. Weil er aber ab 1935 nichts mehr ans Finanzamt abführte und Beiträge zu den Sozialversicherungen nicht leisten musste, galt für ihn: brutto gleich netto. Zum Vergleich: Die Bundeskanzlerin bekommt heute etwa 290'000 Euro Brutto-Jahresgehalt, die selbstverständlich versteuert werden.

Übrigens genehmigte sich Hitler nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg Anfang August 1934 dessen Gehalt als Zuschlag gleich auch noch – und ebenfalls steuerfrei. Ehrensache, dass eine ausstehende Steuerschuld von 405.494 Reichsmark stillschweigend gestrichen wurde – nach heutigem Wert immerhin auch mindestens vier Millionen Euro.

Wenn denn die Recherchen der britischen Forscher zutreffend sind, dürften für Hitler insgesamt Werte von umgerechnet rund zehn Milliarden Euro bei verschiedenen Schweizer Banken angelegt worden sein. Wie stichhaltig diese These ist, lässt sich allerdings ohne vollständigen Einblick in die entsprechenden Akten und Bankunterlagen nicht sagen.

Drei grosse Geldquellen

In jedem Fall machte das offizielle Gehalt nur einen winzigen Teil von Hitlers Gesamteinkommen aus. Im Wesentlichen hatte er im Laufe der Zeit drei grosse Geldquellen, die immer reichlicher sprudelten.

In den 20er-Jahren – die NSDAP stand Jahr für Jahr vor der Zahlungsunfähigkeit – waren es Zuwendungen von Unterstützern. Vor allem Helene Bechstein, Ehefrau des renommierten Berliner Klavierfabrikanten, sowie das Münchner Verlegerehepaar Hugo und Elsa Bruckmann finanzierten den Bohemian. Bis 1929 lebte Hitler zwar zur Untermiete, leistete sich andererseits aber bereits einen Privatsekretär, einen Chauffeur und grosse Mercedes-Limousinen.

Erst ab 1930 trugen die Tantiemen zu seinem Buch «Mein Kampf» nennenswert zu seinem Lebensunterhalt bei. Denn die verkaufte Gesamtauflage stieg erst 1931 über 20'000 Exemplare, nahm dann aber rasant zu: auf 287'000 Ende Januar 1933, auf 1,18 Millionen Stück Ende 1933 und schliesslich 1944 auf insgesamt 12,45 Millionen Exemplare allein auf Deutsch. Von jedem dieser Exemplare bekam Hitler Tantiemen, sogar ungewöhnlich hohe von bis zu 20 Prozent des Verkaufspreises.

Dennoch reichten auch diese Einnahmen nicht aus, ein drei- oder sogar vierstelliges Millionenvermögen anzuhäufen. Es entstand durch weitere Spenden, vor allem aber durch einen hahnebüchenen Trick: Ab 1933 kassierte er für die Verwendung seines Konterfeis auf Briefmarken wegen seines «Rechts am eigenen Bild» Zahlungen der Reichspost. Wer Postkarten oder Briefe in Deutschland verschickte, zahlte so für Hitler, denn sehr viele Briefmarken trugen sein Gesicht. Diese Regelung werde Hitler «viel Geld» einbringen, notierte Propagandaminister Joseph Goebbels, selbst ein ausgesprochen aufwendig lebender Funktionär, in seinem Tagebuch.

«Adolf-Hitler-Spende»

An die Stelle der privaten Zuwendungen war ab 1933 die «Adolf-Hitler-Spende der deutschen Industrie» getreten, eine jährliche Abgabe grosser Unternehmen, die ebenfalls in die Millionen ging. Die genauen Summen, die in der NSDAP-Parteikanzlei und später von Martin Bormann verwaltet wurden, lassen sich nicht beziffern.

Zumal es auch keinerlei Kontrolle über die Vermischung von staatlichen und privaten Geldern gab. Wie die meisten hohen NS-Funktionäre bediente sich Hitler völlig skrupellos aus der Steuerkasse, um seine Bauprojekte zu finanzieren. Allein die im Akkord errichtete Neue Reichskanzlei und ihre sündhaft teure Innenausstattung verschlangen mehr als 100 Millionen Reichsmark – rund eine Milliarde Euro nach heutigem Wert.

Noch viel teurer war der gewaltige Ausbau der Alpenresidenz Berghof, zu der unter anderem eine Kasernenanlage, Versorgungsbauten und ein Ausweichsitz für seinen Stab, bekannt als «Reichskanzlei Dienststelle Berchtesgaden», zählten. Das Gebäude selbst, einst ein recht bescheidendes Ferienhaus, wurde zum Palast ausgebaut. Prunkstück war ein gewaltiges Wohnzimmer mit versenkbarem Panoramafenster.

Zusammen mit dem «Kehlsteinhaus», einem mit eigener Strasse, Tunnel und einem 124 Meter hohen Aufzug erschlossenen Teehaus auf dem Gipfel des Kehlsteins, das Hitler nur wenige Male aufsuchte, und den Bunkeranlagen im Obersalzberg, betrug die verbaute Gesamtsumme rund eine Milliarde Reichsmark. Das meiste davon wurde aus dem Staatshaushalt bezahlt.

Warum Hitler Geld ins Ausland verschob, wenn er es denn tat, ist unklar. Spätestens ab Mitte der 30er-Jahre war klar, dass er als Diktator sterben würde, aber niemals ein Leben im Exil würde antreten können. Noch sind viele Fragen offen zum Vermögen des braunen Machthabers – nicht zuletzt, was seit 1945 aus den enormen Summen geworden ist.

Dieser Artikel ist zuerst in unserer Schwester-Publikation «Die Welt» erschienen.