Der Benzinpreis beschäftigt derzeit viele Schweizerinnen und Schweizer. Vor allem wer täglich mit dem Auto unterwegs ist, spürt die Mehrkosten an der Tanksäule. Verglichen mit dem Vorjahr kostete Benzin im April rund einen Viertel mehr – oder im Schnitt mehr als 2 Franken, so letzte Zahlen des Bundesamts für Statistik. Seither dürften die Preise noch weiter zugelegt haben.

Auch andere Energiepreise sind angestiegen: Erdgas, Erdöl und Strom werden zu rekordhohen Preisen gehandelt. Das ist nicht erst seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs so, sondern hat sich bereits vor einem Jahr als Folge der Rückkehr aus dem Corona-Stillstand und noch immer stockender Lieferketten abgezeichnet.

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Und so soll nun eine bundesrätliche Arbeitsgruppe herausfinden, ob und wie die Konsumentinnen und Konsumenten von den hohen Energiepreisen entlastet werden sollen. Beispiele aus dem Ausland gibt es bereits. So haben Italien und Deutschland Steuersenkungen beschlossen. Einer Umfrage des «Tages-Anzeigers» zufolge unterstützt eine Mehrheit der Schweizer solche Massnahmen. Doch das wäre falsch.

Natürlich gibt es Schweizerinnen und Schweizer, die die hohen Benzinpreise spüren und in Einzelfällen vielleicht in wirtschaftliche Nöte kommen. Deswegen kurzfristig an so etwas Grundsätzlichem wie den Benzinsteuern – oder den auf Benzin erhobenen Mehrwertsteuern – zu schrauben, macht aber keinen Sinn. Vor allem wäre es beispiellos.

Denn wenn Autopendler entlastet werden, müssten konsequenterweise auch Mieterinnen und Mieter entlastet werden, die in einem Haus mit Öl- oder Gasheizung wohnen und auf die Wahl des Heizstoffs keinen direkten Einfluss haben. Der Vergleich zeigt, dass Heizöl und Gas noch viel stärker aufgeschlagen haben als Benzin. Und während zumindest ein Teil der Pendler auf den Zug umsteigen könnte (was sie nicht tun werden, da das Auto noch immer billiger ist als ein ÖV-Ticket), existiert diese Option beim Heizen – zumindest kurzfristig – nicht.

Wer nur auf den aktuellen Benzinpreis schielt, vergisst zudem, dass es auch Zeiten gab, in denen Autofahrerinnen und Autofahrer billig tanken konnten – und dabei verglichen mit anderen Verkehrsmitteln Geld sparten. Im Sommer 2008 war Benzin bereits einmal so teuer wie heute. Danach fiel der Preis jedoch wieder bis weit unter 1.50 pro Liter Bleifrei 95. Auch zwischen 2015 und 2020 wurde Benzin immer wieder für weniger als 1.50 verkauft. Zudem verbrauchen heutige Autos weniger Benzin als solche von vor zwanzig Jahren. Zumindest wenn man zwischenzeitlich nicht auf ein SUV gewechselt hat.

Dass Benzin heute mehr kostet als im alten Jahrtausend, ist zudem politisch gewollt. Immer wieder wurden Steuererhöhungen beschlossen – sei es, um Infrastruktur zu finanzieren, sei es, um eine Lenkungswirkung weg von CO2-intensiven Nutzungen zu erreichen.

Es macht keinen Sinn, in guten Zeiten über Lenkungsabgaben zu debattieren, nur um dann die Steuern zu senken, wenn der Markt von sich aus höhere Preise generiert. Damit würde man der Umwelt einen Bärendienst erweisen. Gerade Bürgerliche, die immer das Hohelied der Marktpreise singen, sollten auch zu dieser Marktorientierung stehen, wenn sie selbst betroffen sind.

Wer wirklich etwas tun will für jene, die wegen der hohen Energiepreise in Existenznöte kommen, sollte sich für gezielte Hilfe starkmachen und nicht für Preissenkungen auf breiter Flur. Für Entlastungen all jener, die mit wenig Einkommen den Alltag meistern müssen. Gegen Sozialhilfekürzungen zu stimmen ist – je nach Parteibuch – vielleicht weniger populär als ein Benzinpreis-Rabatt für alle. Aber es würde jenen, die wegen der Spritpreise wirklich in Existenznöte kommen, sicher besser helfen.

Michael Heim Handelszeitung
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