Das ältere Ehepaar stand mir auf den Füssen. Ich bat sie, Abstand zu halten. Er nuschelte durch seine Maske, sie seien geimpft. Ich sagte, ich sei es nicht. Daraufhin die Gattin: «Ach, sie hat Angst.» Er professoral: Er würde sich auskennen, sie seien nicht mehr Überträger.

Ich reagierte trocken: Das Einzige, was ich bei ihm auf der Stirn geschrieben erkennen würde, sei das Wort «Arroganz». Dann hatte ich endlich Abstand. Eine hässliche Szene, aber Alltag in der Schweiz. Wir öffnen – und die Geimpften sehen sich als die Privilegierten.

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Es ist mehrheitlich die Rentnergeneration, die geimpft ist. Und das darf man doch ausspielen. Oder? Mir geistert das Wort Generationenvertrag durch den Kopf. Es ist ein fiktiver Vertrag, nirgends niedergeschrieben, aber als gesellschaftliche Grundlage bei uns verankert: Die Jungen sorgen für die Alten. 

«Den Alten gehört die Zukunft», titelte vor kurzem die NZZ. Und in meinem Kopf drehte sich das Wort «Generationenvertrag» zu «Generationenkonflikt». Es ist eine Tatsache, dass die junge Generation – insbesondere die Schulkinder – in der Pandemie einen sehr hohen Preis zahlen muss für die Rücksichtnahme auf den älteren Bevölkerungsteil, der bei uns zahlenmässig der grösste ist. 

Was erbt die Jugend?

Die Mehrheit bestimmt. Auch das ist ein tief verankertes Gerechtigkeitsprinzip. Stimmt dieses Prinzip immer noch, wenn Kindern und Jugendlichen der Start in die Zukunft verbaut wird? Wenn sie kaum Präsenzunterricht haben und ihre Ausbildungen stocken? Ist es fair, wenn die junge Generation den Müll und die Schuldenlast der vorherigen Generation übernehmen muss?

Hinterlässt ein Verwandter einem Schulden, kann man das Erbe ausschlagen. Aber was machen die Jugendlichen mit dem Erbe, das wir ihnen hinterlassen? Ausschlagen geht nicht. Wir regen uns auf, wenn Jugendliche im pubertären Überschwang Littering betreiben, sind aber eigentlich kein bisschen besser. Wir kaschieren es nur eleganter.

Niemand sieht bei Abstimmungen, wie man abgestimmt hat, wenn es wieder um AHV-Revisionen geht. Schützt man sein eigenes Interesse und Wohlergehen – oder denkt man solidarisch an die nachfolgenden Generationen?

Unser Blick, unsere Verantwortung muss dringend auf die junge Generation fokussieren. Die mangelnde Nachhaltigkeit und Weitsicht unserer vergangenen Entscheidungen trägt keine goldenen Früchte.

Riccarda Mecklenburg ist Präsidentin vom Verband Frauenunternehmen und Founder von Crowdconsul.ch.

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