Über zwei Steuervorlagen wird die Bevölkerung in den nächsten zwölf Monaten vermutlich abstimmen: Im September wird entschieden, ob Wohneigentümer den Eigenmietwert nicht mehr versteuern müssen. Und im nächsten Jahr wird die Bevölkerung über einen Systemwechsel bei der Ehepaarbesteuerung abstimmen, sofern das Referendum der Mitte gegen die Einführung einer Individualbesteuerung zustande kommt.

Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

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Beide Vorlagen haben drei Gemeinsamkeiten. Erstens schaffen sie mehr Ungleichbehandlungen, als sie beseitigen. Sowohl beim Eigenmietwert als auch bei der Ehepaarbesteuerung liessen sich die bestehenden Probleme einfach und ohne Systemwechsel beseitigen – was viele Kantone denn auch tun. So kann beispielsweise die Besteuerung des Eigenmietwerts für Personen im Pensionsalter mit wenig Bareinkommen begrenzt werden. Zweitens zwingen beide Vorlagen die Kantone, ihre Steuergesetze anzupassen. Das wird in allen Kantonen zu steuerpolitischen Auseinandersetzungen und zu Steuerausfällen führen. Und drittens werden beide Vorlagen zur Folge haben, dass die Mehrwertsteuer noch stärker erhöht werden muss, als dies ohnehin der Fall ist.

«Die Reform des Eigenmitwerts entlastet die heutigen Eigentümer, belastet werden Mieter und künftige Eigentümer.»

Mehr Ungleichheit: Die Abschaffung des Eigenmietwerts entlastet schuldenfreie Besitzer von selbst genutztem Wohneigentum. Mieter profitieren von der Reform nicht. Sie können die Mieten nicht vom steuerbaren Einkommen abziehen. Negativ betroffen sind künftig auch Neuerwerber von Wohneigentum. Sie werden ihre Schuldzinsen nur noch sehr begrenzt vom Einkommen abziehen können. Das wird zu einem sozialpolitischen Problem werden, sobald die Zinsen wieder steigen. Die Reform entlastet somit die heutigen Eigentümer, belastet werden Mieter und künftige Eigentümer.

Auch die Individualbesteuerung schafft mehr Ungerechtigkeiten, als sie beseitigt. Insbesondere werden traditionell lebende Ehepaare erheblich höhere Steuern bezahlen müssen, während Ehepaare mit zwei hohen Löhnen deutlich entlastet werden. Der Steuerrechner des «Tages-Anzeigers» ermöglicht Vergleiche, und die sind krass: Eine Familie mit zwei Kindern und einem Haushaltseinkommen von 180’000 Franken bezahlt nur noch Bundessteuern in Höhe von rund 1350 Franken, wenn das Einkommen je hälftig von den Partnern erarbeitet wird. Den sechsmal höheren Betrag oder rund 8500 Franken Bundessteuern muss die Familie bezahlen, wenn das Einkommen nur von einem der Partner stammt. Gewinner der Reform sind aber vor allem Ehepaare mit Einkommen von über 400’000 Franken. Sie sparen Tausende von Franken allein bei der direkten Bundessteuer. Diese Ungleichbehandlungen werden sich noch verschärfen, weil die Kantone gezwungen werden, den Systemwechsel ebenfalls zu vollziehen.

«Die Einführung der Individualbesteuerung kostet rund 600 Millionen Franken.»

Höhere Mehrwertsteuer: Beide Vorlagen stammen aus einer Zeit, in welcher der Bund genug Geld für unnötige und teure Reformen hatte. Die Abschaffung des Eigenmietwerts kostet den Bund rund 400 Millionen Franken, die Einführung der Individualbesteuerung rund 600 Millionen. Auch ohne diese kostspieligen Reformen fehlen dem Bund in den nächsten Jahren rund 3 bis 4 Milliarden Franken. Deshalb will der Bundesrat mit einem Entlastungspaket 2,5 bis 3 Milliarden Franken einsparen.

Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass diese Einnahmeausfälle eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Folge haben werden. Diese soll gemäss dem Vorschlag des Bundesrats bereits um 0,7 Prozentpunkte erhöht werden, um die 13. AHV-Rente zu finanzieren. Werden die zwei Steuervorlagen von der Bevölkerung angenommen, ist mittelfristig mit 0,3 zusätzlichen Prozentpunkten zu rechnen. Damit wird die Umverteilung sichtbar: Die gesamte Bevölkerung finanziert Steuererleichterungen für Eigenheimbesitzer und für Ehepaare mit sehr hohen Einkommen.