In Deutschland fanden die Spitzen von Grünen und FDP in Sondierungstreffen erste Gemeinsamkeiten als Juniorpartner in einer Regierungskoalition und vereinbarten vertiefende Gespräche miteinander und den möglichen weiteren Koalitionspartnern.

Die Parteien, die bei Schlüsselthemen wie Klima und Finanzen teilweise gegensätzliche Positionen vertreten, berichteten von «guten Gesprächen» und wollen in grösserer Runde weiter miteinander sondieren. Die FDP plant auch ein Treffen mit der Union am Samstag, während die Grünen dies derzeit angesichts der unklaren Lage bei den Christdemokraten nicht vorhaben.

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Die SPD mit Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz ist nach dem knappen Wahlsieg über Armin Laschets Union am Sonntag in der Pole-Position für die Regierungsbildung. Alle Parteien versicherten, dass sie langwierige Verhandlungen wie 2017 unbedingt vermeiden wollen. Damals brauchte Noch-Kanzlerin Angela Merkel fast ein halbes Jahr um eine Regierung aufzustellen.

Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, sowie FDP-Chef Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing veröffentlichten am Dienstagabend alle das gleiche Foto auf Instagram und deuteten an, ein erfolgreiches Treffen gehabt zu haben. «Auf der Suche nach einer neuen Regierung loten wir Gemeinsamkeiten und Brücken über Trennendes aus», heißt es im gleichlautenden Begleittext zu den Fotos. «Und finden sogar welche», heißt es weiter. «Spannende Zeiten.» Das Bild sorgte im Netz für viel Aufmerksamkeit – inklusive vieler Verfremdungen und Bearbeitungen.

Werden die beiden Parteien nun also bald zu Partnern? Nach den ersten Vorgesprächen mit der FDP zur Regierungsbildung für Deutschland zeigen sich führende Grünen-Politiker zuversichtlich, Differenzen zwischen beiden Seiten überbrücken zu können. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sieht auch eine deutlich andere Vertrauensbasis als vor vier Jahren, als ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP an den Liberalen scheiterte. 

SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, dessen Partei am Sonntag mit 25,7 Prozent die meisten Stimmen bekam, will mit Grünen und FDP eine sogenannte Ampel-Koalition schmieden. Unionskanzlerkandidat und CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder hatten FDP und Grüne zu Gesprächen über die Bildung einer Jamaika-Koalition eingeladen. Die CDU/CSU war auf den Tiefpunkt von 24,1 Prozent gestürzt. Die Grünen kamen als drittstärkste Kraft auf 14,8 Prozent. Dahinter lag die FDP mit 11,5 Prozent.

«Verstanden, wie wir ticken»

Göring-Eckardt lobte das persönliche Verhältnis zwischen Grünen und FDP. «Vor vier Jahren, als die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, hatten wir mit der FDP nicht gerade ein Vertrauensverhältnis. Das hat sich seither aber geändert - weil beide Seiten es wollten», sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Abgeordnete hätten miteinander geredet, es habe gemeinsame Gesetzentwürfe gegeben, man habe persönliche Vertrauensverhältnisse aufgebaut. «Auch Christian Lindner und ich als Fraktionsvorsitzende und haben so nach und nach verstanden, wie wir ticken», sagte Göring-Eckardt. Sie gehört dem zehnköpfigen Team für die anstehenden Gespräche mit den anderen Parteien an.

Auch Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer schlug versöhnliche Töne in Richtung FDP an. In der «Welt» verwies der Verkehrsexperte darauf, dass auch die FDP mehr Klimaschutz im Verkehr wolle. «Wenn uns jemand sinnvollere Massnahmen als unsere vorschlägt, sind die Grünen die letzten, die sich verweigern», sagte Krischer. Die Grünen sprächen auch nicht bewusst nicht von Aus für Verbrenner-Autos, sondern davon, dass ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden sollen. «Wir können gerne bei den Symbolbegriffen abrüsten», sagte Krischer.

«Man muss sich nicht lieben»

Der frühere Grünen-Fraktionschef und Bundesumweltminister Jürgen Trittin ging ebenfalls auf die Liberalen zu. «Die FDP hat dazugelernt», sagte Trittin den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft. «Zum zweiten glaube ich, dass die FDP tatsächlich den Schritt in die Regierung machen möchte. Insofern sprechen wir auf einer anderen Grundlage miteinander», sagte Trittin. «Die FDP will keinen Stillstand der Gesellschaft mehr. Sie lehnt auch die Methode der Politik ab, sich erst dann zu bewegen, wenn nichts Anderes mehr geht», hob Trittin hervor.

Die ehemalige Grünen-Chefin Claudia Roth sagte in der ARD-Sendung «Maischberger»: «Man muss sich nicht lieben, aber man muss respektvoll miteinander umgehen.» Ähnlich äusserte sich FDP-Bundesvorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Es gehe darum, Vertrauen aufzubauen.

Die Grüne Jugend warnt allerdings vor zu viel Vertrauen in den Markt. «Hinter dem frischen Image der FDP steckt aber leider bisher nur die alte Leier der wundersamen Kräfte des Marktes», sagte der Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz, der Deutschen Presse-Agentur. «Die Klimakrise den Profitlogiken und Wachstumszwängen zu überlassen, die uns in diese Krise erst geführt haben, ist keine Option», betonte Kurz.

Zügige Gespräche

Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke lehnte eine Präferenz für ein Ampel- oder Jamaika-Bündnis ab. «Die beiden Optionen sind weiter gleichrangig», sagte Fricke der «Passauer Neuen Presse». Es sei es «fair und vernünftig», dass die beiden kleineren, potenziellen Koalitionspartner sich besprechen, ehe sie mit den bisher Regierenden in Gespräche eintreten. Mit Blick auf die künftige Regierung warnte Fricke davor, dass «beim Schuldenmachen leicht ein Gewöhnungseffekt entsteht». In der Corona-Krise sei Ausgabendisziplin schwieriger geworden. «Die Haushälterfrage für die Zukunft wird lauten: Auf was kann ich, auf was sollte ich und auf was muss ich verzichten», sagte Fricke.

Der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans sprach sich für zügige Gespräche mit Grünen und FDP aus. «Wir als SPD wollen nichts überstürzen, aber auch nicht unnötig Zeit verlieren», sagte Walter-Borjans der «Augsburger Allgemeinen». «Dass sich die potenziellen Partner untereinander austauschen wollen, ist zu respektieren», fügte er hinzu. Klar sei dabei aber, dass der Auftrag zur Regierungsbildung bei der SPD liege.

tim/Bloomberg/sda