Zwei Milliarden Franken lassen sich die SBB 116 neue Doppelstockzüge für den Raum Zürich und die Westschweiz kosten. Es ist der teuerste Auftrag, den das Bahnunternehmen je vergeben hat. Ein Streitfall wird das Geschäft jedoch aus einem anderen Grund: Den Zuschlag erhielt nicht etwa der Schweizer Zugbauer Stadler Rail, sondern das deutsche Unternehmen Siemens.

Nicht nur Stadler-Patron Peter Spuhler (66) lupfte es nach dem SBB-Entscheid den Hut – auch in der Politik schlägt er Wellen. Gleich mehrere Parlamentarier gehen mit den SBB hart ins Gericht – und fordern eine genaue Prüfung des Geschäfts. Die grosse Frage: Schert man sich in Bern bei Beschaffungsprojekten zu wenig um die Swissness?

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Bundesrat soll sich rechtfertigen

«Wie dumm muss man sein, um ein Schweizer Vorzeige-Unternehmen wie Stadler wegen minimaler Preisdifferenz nicht zu beauftragen?», fragte etwa Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister (63, ZG) auf dem Kurznachrichtendienst X. Nach dem «Schüttel-Dosto» sei es bereits der zweite Fehlentscheid der SBB zulasten der Steuerzahlenden.

Pfister ist mit seiner Kritik nicht allein: SVP-Nationalrat Thomas Burgherr (63, AG) lancierte zur Siemens-Vergabe direkt einen Vorstoss. Er will vom Bundesrat wissen, ob bei der Ausschreibung die Interessen und die Arbeitsplatzsituation der Schweizer Industrie berücksichtigt worden sind.

Dabei will Burgherr nicht etwa einfach Parteikollege und Stadler-Verwaltungsratspräsident Spuhler dienen: Er sorge sich grundsätzlich um den Werkplatz Schweiz.

SBB-Geschäft soll im Parlament untersucht werden

GLP-Nationalrat Matthias Jauslin (63, AG) will derweil die Stadler-Absage in der nationalrätlichen Geschäftsprüfungskommission unter die Lupe nehmen. «Ich will den SBB nicht unterstellen, dass sie sich nicht an das Beschaffungsgesetz gehalten hat», schreibt Jauslin auf X. Er frage sich jedoch, ob die SBB den vollen Spielraum ausgenützt hätten.

Anders als bei Jauslin ist dies für Pia Stebler (64) keine Frage, sondern ein Fakt. Die Politik- und Managementberaterin ist Direktorin von Fair Play Public, einer Interessenorganisation der Schweizer Wirtschaft für öffentliches Beschaffungswesen. «Die Schweiz weigert sich weiterhin, ihren rechtlichen Spielraum auszunützen», sagt sie.

 

Aus Steblers Sicht sei es trotz internationalem Abkommen problemlos möglich, Ausschreibungen so zu verfassen, dass geeignete Schweizer Unternehmen den Zuschlag erhielten. «Und Stadler Rail ist sicher ein geeignetes Unternehmen», so Ökonomin Stebler.

Bund wehrt sich gegen Kaufkraft-Einbezug

Die Diskussionen darum, bei Beschaffungen sozusagen Heimatschutz zu betreiben, hallen schon länger durch das Bundeshaus. Als 2019 das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen revidiert wurde, nahm das Parlament neben stärkeren Nachhaltigkeitskriterien etwa auch die Möglichkeit ins Gesetz, das Preisniveau in den verschiedenen Ländern einzuberechnen.

Besonders die SVP wollte das Preisniveau eigentlich gar als zwingendes Kriterium verankern. Gegenwehr erhielt sie von ihrem eigenen Bundesrat: Ein Einbezug der Kaufkraft verstosse gegen das Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen der Welthandelsorganisation (WTO), mahnte der damalige Finanzminister Ueli Maurer (74).

Auch aus dem Departement von SVP-Verkehrsminister Albert Rösti (58) tönt es heute ähnlich: Der Bundesrat setze sich allgemein dafür ein, dass bei Beschaffungen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten und faire Wettbewerbsbedingungen gewahrt bleiben, teilt sein Departement auf Blick-Anfrage mit. «Eine generelle Bevorzugung von Schweizer Anbietern ist im geltenden Beschaffungsrecht – insbesondere aufgrund internationaler Verpflichtungen – nicht vorgesehen.» Auch Rösti könne dementsprechend keinerlei Einfluss nehmen.

«Geld sollte in der Schweiz bleiben»

Für Stebler sind die Voten aus der Landesregierung nicht nachvollziehbar. Es gehe ihr dabei nicht um Heimatschutz um jeden Preis. «Wenn fähige Hersteller vorhanden sind, sollte das Geld aber in der Schweiz bleiben», sagt sie.

Ihr Verband stört sich schon seit längerem, dass der Bund bei seinen Ausschreibungen besonders das Preisniveau-Kriterium nicht beachtet. Stebler ist sich sicher: «Hätten die SBB die unterschiedlichen Preisniveaus in der Schweiz und in Deutschland berücksichtigt, wäre der Auftrag mit grosser Wahrscheinlichkeit an Stadler gegangen.» Fair Play Public will nun in den kommenden Tagen die nationalen Parlamentarierinnen und Parlamentarier anschreiben. «Die eidgenössischen Räte sollen den Bund punkto Anwendung des Preisniveau-Kriteriums in die Mangel nehmen», sagt Stebler.

Dieser Artikel ist zuerst mit dem Titel «Wie dumm muss man sein?» auf Blick erschienen.