Jetzt haben wir die Neun-Millionen-Schweiz, und die Zuwanderung steigt weiter an. Das bringt schwere Probleme durch Verknappung, Verteuerung und Überlastung von Land, Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitsleistungen, Umweltgütern und Selbstversorgungszielen – und befeuert auch den Fachkräftemangel. Doch viele für das Malaise Verantwortliche behaupten weiterhin, die Personenfreizügigkeit sei problem- und alternativlos, mache die Schweiz innovativ, und diese könne auch zehn Millionen beherbergen. Sie irren.

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Erstens verwechseln sie Personenfreizügigkeit und Offenheit. Natürlich sollten Arbeitswillige ohne unsinnige bürokratische Hürden zuwandern können. Aber das heisst nicht, dass Zuwandern gratis und unlimitiert sein soll. Die Innovativen könnten auch in die Schweiz kommen, ohne dass jährlich 80’000 Menschen netto zuwandern. Das illustriert eine neue Studie von Avenir Suisse. Sie will mit Statistiken und historischen Beispielen aufzeigen, wie wichtig Zuwanderer und Zuwanderinnen für die Innovation in der Schweiz waren und sind. Erfrischend: Die beste Evidenz stammt aus der Zeit vor der Personenfreizügigkeit. Ja, die Schweiz war schon früher und bei sehr viel geringerer Zuwanderung innovativ. Die Gründe dafür waren Freiheit, hohe Lebensqualität, wenig Bürokratie, flexible Arbeits- und Immobilienmärkte sowie Offenheit für Innovative. Das alles wird nun durch die Personenfreizügigkeit und die vielen Staatseingriffe zur Bewältigung ihrer negativen Auswirkungen gefährdet.

Der Gastautor

Reiner Eichenberger ist Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg.

Zweitens sind nicht zehn Millionen das Problem, sondern das schnelle Bevölkerungswachstum. Dieses beträgt wegen der Personenfreizügigkeit rund 1 Prozent. Deshalb werden wir schon bald nicht einfach eine Zehn-Millionen-Schweiz haben, sondern eine Zehn-Millionen-Schweiz mit einer jährlichen Nettozuwanderung von dann wohl 100’000 Personen. Die so immer weiter anwachsenden Probleme drohen die Schweiz gerade auch für innovative, leistungsfähige und gut verdienende Zuwandererinnen und Zuwanderer unattraktiv zu machen.  

Aufnahmekapazität und Raum sind höchst wertvolle, begrenzte Ressourcen. Indem wir sie für Gratiszuwanderung verschleudern, schaden wir uns selbst und erschweren es zukünftigen Generationen, innovative und leistungsfähige Menschen anzuziehen. Deshalb müssen wir jetzt die Zuwanderung klug lenken. Dafür brauchen wir nicht Kontingente oder einmalige Eintrittspreise. Viel besser ist eine Aufenthaltsabgabe für Neuzuwandererinnen und Neuzuwanderer nach dem Modell einer Kurtaxe von zum Beispiel jährlich 5000 Franken während fünf Jahren. Damit würde die Zuwanderung gesenkt und fruchtbar gelenkt und auch für die Inländer und Inländerinnen wieder vorteilhaft.

Reiner Eichenberger ist regelmässig Kolumnist der «Handelszeitung». Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.