Wir haben unseren Wirtschaftsausblick als «wachsende makroökonomische Misere» für Zentralbanken betitelt, weil diese die Geldpolitik in einer Zeit galoppierender Inflation bei gleichzeitig abflachendem oder sogar negativem Wirtschaftswachstum handhaben müssen. Diese makroökonomischen Schocks könnten unserer Auffassung nach zu Rezessionen in grossen Industriemärkten führen.

In den USA hatte es den Anschein, dass sich die Inflation verfestigt hätte. Tatsächlich veranlassten Aufwärtsüberraschungen bei der Inflation die US-Notenbank, ihren Leitzins Anfang November zum vierten Mal um 75 Basispunkte (BPS) anzuheben. Doch nur eine Woche nach dieser Anhebung fielen die Inflationsdaten des Verbraucherpreisindex (VPI) für Oktober schwächer aus, als viele Beobachter erwartet hatten.

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Wir würden davor warnen, anzunehmen, dass der Höhepunkt der US-Inflation bereits erreicht ist (da wir vermuten, dass sich einige der Kategorien, die im Oktober besonders schwach waren, in den kommenden Monaten vorübergehend wieder beschleunigen werden). Allerdings waren die VPI-Daten vom Oktober ein willkommenes Zeichen dafür, dass die bisherigen Massnahmen der Zentralbank beginnen, die Wirtschaft abzukühlen.

Die Inflation wird über dem Ziel der Fed liegen

Die Fed dürfte ihr Tempo der Leitzinserhöhungen zwar verlangsamen, bevor sie Anfang 2023 eine Pause einlegt und die Auswirkungen ihrer Straffungskampagne bewertet. Ferner wird sich die Inflation 2023 wahrscheinlich abschwächen. Dennoch glauben wir, dass uns die Inflation allgemein hartnäckig begleiten und über dem Ziel der Fed liegen wird, wenn auch nur moderat.

Ausserdem ist ein schwächerer VPI nicht überall positiv für die US-Wirtschaftsaussichten. Tatsächlich dürfte eine überraschend schwache Inflation auf zurückhaltendere Konsumausgaben und einen erhöhten Margendruck im Unternehmenssektor zurückzuführen sein. Die Einzelhandelsmargen haben sich in den letzten Quartalen insgesamt überraschend gut gehalten. Wir sehen diese Margen jedoch durch einen erwarteten Rückgang des realen Konsums gefährdet.

Steigende Arbeitslosigkeit in den USA

Eine Rezession und steigende Arbeitslosigkeit in grossen Industrieländern erscheint uns eher wahrscheinlich als nicht, insbesondere in Europa und Grossbritannien, wo der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Energieversorgungskrise dazu geführt haben, dass Verbraucher und Unternehmen unter erhöhten Gaspreisen leiden. Dies wird das verfügbare Einkommen einschränken, die Herstellung mancher Produkte in Europa unwirtschaftlich machen und allgemein die Kosten in den Lieferketten erhöhen.

In den Vereinigten Staaten werden diese globalen Handelsstörungen trotz der relativen Energieunabhängigkeit durch die Ölschiefer-Revolution dennoch stagflationäre Auswirkungen auf die Region haben. Darüber hinaus haben die USA mit der schnellsten Verschärfung der finanziellen Bedingungen zu kämpfen, die wir seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 gesehen haben, was zusätzlichen Druck auf die Wirtschaft der Vereinigten Staaten ausübt.

Letztlich wirkt sich dies stärker auf die Unternehmensgewinne aus, was wiederum die Investitionen einschränken wird. Der Wohnungsbau in den Vereinigten Staaten ist ein Schlüsselsektor, der zinsempfindlich ist, und hier zeichnet sich bereits ein Rückgang der realen Wirtschaftstätigkeit und des Wohnungsbaus ab. Dies wird sich wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2023 in einer steigenden Arbeitslosigkeit niederschlagen.

Starke Bilanzen von Privaten und Unternehmen mindern die Rezession

Dennoch gibt es immer noch Gründe zu der Annahme, dass diese Rezession relativ flach verlaufen könnte – unter anderem auch wegen der vergleichsweise starken Bilanzen sowohl der privaten Haushalte als auch der Unternehmen in den USA. Die Rezession könnte jedoch länger anhalten, weil die antizyklischen politischen Massnahmen ausbleiben werden, mit der normalerweise auf eine starke Wachstumsschwäche reagiert wird (das heisst die Senkung der Zinsen durch die Zentralbank auf null oder sinnvolle fiskalische Anreize). Selbst wenn die USA diese Rezession überwunden haben, rechnen wir dort mit einer Phase unterdurchschnittlichen und schleppenden Wachstums.

Längerfristig werden die Folgen einer Senkung der Inflation jedoch letztlich positiv sein, da sie es der US-Wirtschaft (und anderen Volkswirtschaften) ermöglichen wird, sich auf angebotsseitige Investitions- und Innovationsbereiche zu konzentrieren. Dies könnte beispielsweise zu einem besseren Übergang zu «grünen» und längerfristig widerstandsfähigeren Lieferketten sowie hoffentlich zu einem höheren Produktivitätswachstum führen.

Tiffany Wilding ist North American Economist bei Pimco