Die Weiterbildungslandschaft der Schweiz blüht: Die Spanne reicht von «Klassikern» wie den betriebswirtschaftlichen Kursen über den CAS für Frauen in Tech-Führungspositionen bis hin zu Angeboten für künstliche Intelligenz für (eilige) Managerinnen und Manager sowie für den Wiederaufbau der Ukraine. Nicht alles, was neu aufgelegt wird, überlebt.

 

Den Marktbedürfnissen angepasst

Auch bei der Weiterbildung spielt der Markt. Weltweit geht es bei diesem hoch fragmentierten Markt laut Schätzungen von Morgan Stanley um 6 Billionen Dollar. Schätzungen für die Schweiz reichen bis knapp 6 Milliarden Franken. Seit 2017, als das Bundesgesetz über die Weiterbildung in Kraft getreten ist, gibt es einen Wettbewerb unter den Anbietern. Die öffentlichen Anbieter wurden entsprechend verpflichtet, ihre Angebote kostendeckend anzubieten.

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«Aus meiner Sicht sollte man deshalb überall eine Kommerzialisierung sehen», sagt Stefan Wolter, Professor und Leiter der Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Universität Bern, «da Weiterbildung an den Fachhochschulen und den Universitäten zu Vollkostenpreisen auf dem Markt angeboten werden muss, das heisst, der Gesetzgeber verbietet ausdrücklich eine Quersubventionierung von Weiterbildungsangeboten durch die staatlichen Mittel, die exklusiv in die Grundbildung zu fliessen haben.» Universitäten und Fachhochschulen – ob staatlich oder privat – müssten sich auf einem privaten Weiterbildungsmarkt mit ihren Angeboten behaupten, so Wolter.

Profitieren sollten davon eigentlich die Nachfragenden, weil die Hochschulen gezwungen werden, ein Angebot zu machen, das den Bedürfnissen der Nachfrage entspricht, sagt Wolter. «Wenn sie keine Kundschaft generieren, dann stirbt das Angebot von allein, was garantiert, dass nicht etwa mit Staatsmitteln unnötige Angebote künstlich am Leben gehalten werden.» Die Halbwertszeit einiger rasch aufgebauter Kurse sei vielleicht auf den ersten Blick ein negativer Punkt, «aber halt ein Ergebnis des sich an die Bedürfnisse des Marktes Anpassenmüssens», so Wolter. «Vor zwanzig Jahren hätte kein CAS in Cyber-Security am Markt Bestand gehabt – heute schon, aber morgen ist es vielleicht schon ein CAS in KI.» Es gebe kein Ziel, den Fremdfinanzierungsanteil anzuheben, weil alle Weiterbildungsangebote zu 100 Prozent über den Markt finanziert werden müssten.

 

Ausprobieren, was ankommt

«Es stellt sich die Frage, was ‹Kommerzialisierung› heisst», sagt auch Erik Nagel, Leiter des Institut für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) an der Hochschule Luzern (HSLU). «In einem ersten Verständnis kann es um die Ausbreitung des Marktes in gesellschaftliche Bereiche gehen, in denen vorher kein ‹Markt› war. Insgesamt ist für die nächsten Jahre aufgrund der Bedeutung des lebenslangen Lernens mit einer starken Dynamik im Weiterbildungsmarkt zu rechnen, aber auch damit, dass nicht nur nationale, sondern auch zunehmend internationale und insbesondere plattformgestützte Anbieter auf den offenen Schweizer Markt drängen.» Erste Anzeichen dafür seien erkennbar, wobei bisher vor allem Anbieter von behördlich angeordneten Weiterbildungen bedrängt würden, da hier offene Submissionsverfahren stattfinden.

«Wenn es um die Logik des Marktes geht, ist jedoch noch auf eine andere Perspektive zu verweisen», so Nagel weiter. «Angebote können nur dann im Markt bestehen, wenn sie qualitativ hochwertig sind.» Das heisst, die Teilnehmenden müssten für sich selbst zwei Dinge feststellen: erstens, dass sie persönlich einen Zuwachs an Wissen und Handlungsfähigkeiten erfahren, und zweitens, dass das Angebot einen Kompetenzbereich abdeckt, der beruflich gefordert ist. «Das hat zur Folge, dass die Angebote den sich ändernden Bedürfnissen und Anforderungen der privatwirtschaftlichen, öffentlichen und Non-Profit-Organisation entsprechen müssen», sagt Nagel. «Wenn sie das nicht tun, werden sie vom Markt verschwinden. Das heisst, wenn Angebote ‹exotisch› im Sinne von nicht passend und fremdartig sind, finden sie auch keine Teilnehmenden und verschwinden wieder.» Wenn diese aber «exotisch» im Sinne von ausgefallen, ungewöhnlich und vielleicht auch innovativ seien, könnten sie sehr wohl einen neuen oder entstehenden Bedarf treffen.

 

Teil der Personalentwicklung

«Ich finde es allerdings begrüssenswert, wenn Institutionen (wie Hochschulen) innovativ sind und – natürlich mit der gebotenen Seriosität – neue Angebote ausprobieren; das hat zur Folge, dass auch mal etwas nicht funktioniert», sagt Nagel. Nicht passende, nicht marktgängige Angebote werden laut Nagel nicht gewählt und auch wieder vom Markt genommen.

«Solche Angebote machen mir keine Sorgen», sagt Nagel. Auch würden Weiterbildungen, in denen die Teilnehmenden zu wenig lernten, nicht am Markt bestehen, denn das würde sich herumsprechen und dazu führen, dass diese Angebote nicht mehr marktfähig sind. Die Hochschulen trügen zur «Personalentwicklung» und zur Qualifizierung von Fach- und Führungskräften bei, sie brächten über die Weiterbildung neues Wissen, innovative Verfahren in Unternehmen, Verwaltung und in Non-Profits und befähigten Fach- und Führungskräfte, neue oder andere Perspektiven einzunehmen, fasst Nagel zusammen. «Wieso wird eigentlich dieses Argument so wenig ins Feld geführt? Denn damit machen sich die Hochschulen für Gesellschaft und Wirtschaft nützlich, damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung von Organisationen, Regionen und der Schweiz als Ganzes.»

Grundlagen für die Entscheidung

Abklärung  Für die Wahl des einzelnen Studiengangs sind laut Erik Nagel, Leiter des Instituts für Betriebs- und Regionalökonomie (IBR) an der Hochschule Luzern (HSLU), zwei Dinge sehr wichtig: Erstens, sich darüber im Klaren zu sein oder zu werden, welche Kompetenzentwicklung man sucht, und sich zweitens eine gute Übersicht zu passenden Angeboten zu verschaffen. «An diesem Klärungsprozess führt kein Weg vorbei», sagt Nagel.

Ehrlichkeit  «Eine qualitativ gute Anbieterin ist bereit zu einem Gespräch, in dem den Interessierten nicht einfach etwas verkauft wird, sondern in dem versucht wird, zu ermitteln, welche Kompetenzentwicklung passend wäre, ob der Zeitpunkt der richtige ist und ob das eigene Angebot der Hochschule dazu passt – oder ob vielleicht ein 
anderes Angebot passender wäre.»

Auskünfte von ­Dritten einholen

Zweck  Ob und wie man sich für ein Weiterbildungsangebot entscheidet, hängt laut Stefan Wolter, Professor und Leiter der Forschungsstelle für Bildungsökonomie an der Universität Bern, davon ab, ob es um den Erhalt der Arbeitsmarktfähigkeit im angestammten Beruf geht oder darum, sich Wissen anzueignen, um im Beruf aufzusteigen. Oder um das Erwerben neuer Kompetenzen, um das Berufsfeld wechseln zu können.

Referenzen  «Kosten spielen immer eine Rolle, aber es ist für Nachfragende nicht immer einfach, den Nutzen pro Franken vor dem Kursbesuch beurteilen zu können.» Das Risiko minimieren können laut Stefan Wolter Auskünfte von Personen, welche die Ausbildung schon gemacht haben, die Dozentenliste, teils sogar Akkreditierungen und generell das Renommee der anbietenden Institution.

Inhalte der Weiterbildung

Startups I  Im Bereich Weiterbildung sind in den letzten Jahren einige Firmen entstanden, die inzwischen auch an die Börse gegangen sind. Erwähnenswert ist Coursera, der bekannteste Online-Anbieter. Laut den Analysten und Analystinnen von Morgan Stanley gilt diese Firma mit den rund 125 Millionen Lernenden und rund 300 angeschlossenen Universitäten, Hochschulen und Unternehmen als Massstab für viele weitere kleinere Anbieter.

Startups II  Udemy gilt mit rund 60 Millionen Lernenden als kleinerer Konkurrent. Hier stehen Kurse mit praktischen, berufsnahen Inhalten im Vordergrund. Pearson ist ein spezialisierter Wissenschafts- und Weiterbildungslehrmittelverlag. Ein neues Kerngeschäft der Firma, die sich in einer Umbauphase befindet, ist vor allem, das Talentinvestment für Firmenkunden zu stärken.

Technologien der Weiterbildung

Content  Der beste Weiterbildungs-Content nützt wenig, wenn die ergänzende Technologie fehlt. Die Firma Instructure beispielsweise hat sich auf Cloud-basierte Lern- und Weiterbildungssysteme weltweit spezialisiert. Bei Chegg begleitet man Studierende auf ihrem Weg; hier setzt man stark auf die Erstellung von Content durch künstliche Intelligenz und dabei insbesondere auf Large-Language-Modelle, wie sie auch Chat GPT zugrunde liegen.

Weiterentwickeln Das Unternehmen Docebo hat sich auf Themen rund um das lebenslange Lernen spezialisiert und dafür eine Online-Plattform entwickelt, mit der Firmen auch ihre Mitarbeitenden weiterentwickeln können. Prosus wiederum ist ein breit aufgestelltes Internetunternehmen, das weltweit 4 Milliarden Dollar in Edtech-Startups investiert hat.