Blackrock ist bekannt für seine Analysekapazitäten und das elektronische Risk-Management-System Aladdin. Was sagen die Systeme über die Szenarien, wie es weitergeht?
Mirjam Staub-Bisang: Niemand kann sagen, wann die Krise ausgestanden ist. Wir sehen, dass die schlechten Daten bisher noch viele Anleger kalt lassen. Wir gehen davon aus, dass es viele negative Überraschungen geben wird, wie beispielsweise tiefere Unternehmensgewinne. Viele Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle überdenken und sie an die strukturellen Auswirkungen der Co- rona-Krise auf Konsum- und Unterneh- mensverhalten anpassen.

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Welche Entwicklung hat man denn an den ETF-Märkten während der vergangenen Wochen gesehen?
Ed Gordon: Kritiker hatten bisher gelegentlich angezweifelt, wie sich ETF in Stresssituationen an den Märkten verhalten. Wir können feststellen, dass der Test sehr gut bestanden wurde. Investoren haben ihre ETF teilweise verkauft, um ihre Liquidität zu managen. Am Beispiel der Bond-ETF gelang dies auch, obwohl der darunterliegende Markt teilweise sehr schwierig gewesen war. Die Volumen erreichten das Fünf- bis Sechsfache des normalen Handelsvolumens.

Welche Rolle haben die ETF jetzt bei den grossen Marktverwerfungen gespielt?
Gordon: Wir stellen ein zunehmendes Vertrauen in die ETF fest. Sie werden inzwischen teilweise von institutionellen Anlegern als taktische Instrumente genutzt, mit denen sie kurzfristig reagieren und ihre Risiken handhaben. In der jetzigen Krise konnten diese Investoren jeweils sehr rasch ihre Liquiditätsbedürfnisse be- friedigen.

Im Bond-Markt sind die ETF liquider als die Basiswerte.
Gordon
: Wir sahen teilweise Anzeichen von Marktstress. Aber die Liquidität der Sekundärmärkte ist in der Vergangenheit deutlich gestiegen. Das gilt auch für die Bond-Märkte. Und selbst wenn die einzelnen Obligationen, die hinter einem ETF stehen, pro Tag lediglich zwei-, drei- mal gehandelt werden, blieben die Sekundärmärkte, an denen die ETF gehandelt werden, immer liquide.

Sind solche turbulenten Zeiten auch gute Zeiten für Blackrock?
Gordon
: Erträge erzielen wir in erster Linie aus den Gebühren auf das verwaltete Vermögen. Weil die Vermögen teilweise geschrumpft sind, verringern sich auch diese Erträge. Dem gegenüber steht das Technologiegeschäft, bei dem wir steigende Umsätze verzeichnen. Diese Einnahmen sind zudem vom Auf und Ab an den Börsen unabhängig. Kunden, die unser Aladdin-System nutzen, setzen dieses unterschiedlich ein. Es gibt Kun- den, die ihr ganzes Assetmanagement damit steuern. Andere überwachen da- mit ihre Kunden-Portfolios, und dann zeigt das System an, ob Handlungsbedarf besteht.

Die Expertin

Name: Mirjam Staub-Bisang

Funktion: Länderchefin Schweiz Blackrock und Senior Advisor Sustainable Investing, Zürich

Geboren: 31. August 1969

Wohnort: Küsnacht ZH

Familie: verheiratet, drei Kinder

Ausbildung: RA Dr. iur., MBA

Mirjam Staub-Bisang
Quelle: ZVG
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Finanzprodukte 2020

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Wie wurde das Thema nachhaltige ETF während der jüngsten Turbulenzen von Investoren gehandhabt?
Staub-Bisang
: Die nachhaltigen ETF entwickelten sich sehr positiv. Seit Jahresanfang hatten wir bei iShares weltweit Zuflüsse von knapp 14 Milliarden Dollar. Insgesamt sind dort jetzt 32 Milliarden Dollar angelegt. In der Krise kam das «S», also die sozialen Aspekte von ESG-Investments, stärker zum Tragen. Firmen, die sich gut um ihre Mitarbeitenden kümmern, ihre Lieferketten im Griff haben, werden besser durch die Krise kommen. In der Krise kommen alle unter Druck – reicht das dann noch für das Überleben der nachhaltig arbeitenden Firmen?
Staub-Bisang: Natürlich kann beispielsweise einem Retailer das Geld ausgehen, wenn Läden geschlossen bleiben und Kunden nichts mehr kaufen. Es stellt sich die Frage, welche Funktionen der Staat übernehmen kann oder ob Mitarbeitende ent- lassen werden müssen.

Warum sollten Pensionskassen überhaupt ETF kaufen?
Staub-Bisang
: Damit können sie Nischenstrategien abdecken. Natürlich können grosse institutionelle Anleger auch direkt investieren. Aber die jüngste Krise hat ihnen gezeigt, dass sich Bond-ETF relativ einfach verkaufen lassen, wenn sie sich einmal kurzfristig Liquidität beschaffen müssen.

Wie sieht es mit den steuerlichen Aspekten von ETF gegenüber Fonds aus?
Staub-Bisang
: Die Stempelsteuer auf ETF macht sie für einige Anleger weniger interessant als Indexfonds. Berücksichtigt man die Gesamtkosten sowie Handelbarkeit und Spreads, relativiert sich der Kostenaspekt. Zudem sind ETF nicht unbedingt zum Verkauf von Assets gezwungen, wenn die Märkte unter Druck kommen. Sie haben weitere Möglichkeiten wie beispielsweise die Übertragung von Baskets von Obligationen. Fonds hingegen müssen immer liquide sein und in jedem Marktumfeld verkaufen.

Was haben Pensionskassen konkret davon, wenn sie mit Blackrock zusammenarbeiten?
Staub-Bisang
: Pensionskassengelder werden treuhänderisch, ausschliesslich im Interesse der Versicherten verwaltet. Wir unterstützen sie bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Anlagestrategien über sämtliche Anlageklassen und -stile hinweg immer mit Blick auf das Gesamtportfolio. Im Gegensatz zu Banken halten wir keine Investments auf dem eigenen Buch und haben demzufolge auch keine Interessenkonflikte.

Wie haben denn die Pensionskassen in der jüngsten Krise reagiert?
Staub-Bisang
: Pensionskassen verhalten sich in volatilen Märkten in der Regel disziplinierter als Privatinvestoren. Ihre Anlageverantwortlichen lassen sich nicht so rasch aus der Ruhe bringen. Damit sind sie sehr gut gefahren. Das konnten wir übrigens auch schon in der letzten Krise beobachten.

Der Marktkenner

Name: Ed Gordon

Funktion: Leiter iShares und Wealth, Blackrock, Zürich

Geboren: 19. August 1974

Wohnort: Zürich

Familie: verheiratet, zwei Kinder Ausbildung: lic. oec. HSG und
CFA Charterholder

Ed Gordon
Quelle: ZVG