Die Immobilienwirtschaft befindet sich an einem Wendepunkt. Tiefe Zinsen und eine hohe Nachfrage liessen Immobilienwerte jahrelang steigen. Digitale Lösungen und Innovation waren dabei zweitrangig. Das ändert sich nun mit den anstehenden Regulierungen im Kampf gegen den Klimawandel. Plötzlich sehen sich Immobilieninvestoren und Bestandshalterinnen dem Druck ausgesetzt, ihre Liegenschaften für eine klimaneutrale Zukunft auf- oder umzurüsten. Daten bilden dabei die Grundlage für eine erfolgreiche Transformation des heutigen Gebäudeparks und digitale Plattformen wandeln sich vom ehemaligen «nice to have» zum zentralen Wettbewerbsfaktor. Die Krux an der Sache ist die für die Immobilienbranche typische Fragmentierung von Rollen und Aufgaben. So wird das Management von Immobilien über den ganzen Lebenszyklus von einer grossen Anzahl Akteuren beeinflusst. Die dabei entstehenden Daten werden in unterschiedlichsten Applikationen mit zahlreichen Schnittstellen gepflegt. Plattformorientierte Geschäftsmodelle haben das Potenzial, diese vielen Schnittstellen miteinander zu verknüpfen und den immensen Aufwand für das Datenmanagement zu reduzieren.

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Der Autor

Fabio Staub, Data & Analytics Consultant, Pom+Consulting, Zürich.

Noch herrscht Wildwuchs

Kein Wunder erfreuen sich digitale Plattformen und Ökosysteme in den letzten Jahren auch der Immobilienwirtschaft steigender Beliebtheit. Dabei unterscheiden sich die vorhandenen Lösungen in ihren Konfigurationen, wie eine kürzlich veröffentlichte Marktanalyse von Swisscom und Pom+Consulting, einem auf Immobilien spezialisierten Beratungsunternehmen, zeigt. In der Studie wurden 24 verschiedene Plattform- und Ökosystemlösungen entlang des Immobilienlebenszyklus untersucht. Dafür wurde eine Taxonomie aus der Perspektive von Geschäftsmodellen entwickelt. Die spezifischen Dimensionen, Merkmale, Muster und Design-Entscheidungen wurden in den vier Kategorien Wertversprechen, Zielkunden, Ertragsmechanik und Wertschöpfungskette ausgewertet.

Dabei zeigt sich eine Vielfalt, die typisch ist für die Frühphase von neuen Entwicklungen. Es gibt einen Wildwuchs an Definitionen, Produkten und Services. Und doch lassen sich Muster erkennen: Vorreiter innerhalb der Branche ist die Immobilienvermarktung, deren Portale bereits fortgeschritten sind. Im Property- und Facility-Management, in der übergeordneten Raumplanung und im Nutzer- und Mietersegment ist zudem sehr viel Bewegung zu erkennen. Dabei buhlen im letzten Bereich auch Banken und Versicherungen um die Gunst der Kunden. Dagegen hinkt der Planungs- und Baubereich hinterher: Hier haben sich erst wenige digitale Plattformen etabliert.

Datenstandards für Zusammenarbeit

Die Entwicklung und die Vermarktung plattformorientierter Geschäftsmodelle setzen das reibungslose Zusammenspiel einer Vielzahl beteiligter Partner voraus. Ein exzellentes Partnermanagement sei insbesondere bei Softwarepartnern, Komplementäranbietern und Datenlieferanten eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg einer Plattform respektive eines Ökosystems, zeigt die Studie. Besonders spannend zu beobachten seien hierbei die Entwicklungspfade, sagt Lukas Bigler, Head of Sales and Services bei Swisscom: «Traditionelle Anbieter beginnen typischerweise mit dem Aufbau einer Plattform für Datenaustausch und fokussieren sich auf eine effiziente und digitale Gestaltung der internen Prozesse. In einem nächsten Schritt wird der Kernnutzen für die Kundinnen und Kunden geschärft und Konkurrenz in Form von neuen Partnern auf der eigenen Plattform akzeptiert.» Auch die Rollen der Orchestratoren verändere sich mit der Zeit,  so Bigler weiter. «Zu Beginn steht meist vorwiegend das eigene Leistungsangebot im Zentrum. Aufgrund der Integration von neuen Partnern wird der eigene Anteil am Produkt- und Serviceangebot laufend reduziert, wobei der Aufgabenfokus dann stärker auf der Koordination der komplementären Anbieter liegt.» Dabei wird die Integration von Komplementärangeboten erschwert durch Datensilos. Eine übergreifende Kollaboration erfordert eine durchgängige Datenlogik und einen nahtlosen Austausch zwischen unterschiedlichen Systemen. Einheitliche Datenstandards können den Koordinationsaufwand für die beteiligten Partnerorganisationen erheblich reduzieren.