Nachhaltigkeit bei Gebäuden und Gebäudetechnik beschränkt sich nicht nur auf die Heizungsanlagen und die Isolationen. Hinzu kommen laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) auch die Baumaterialien sowie die ganze Gebäudetechnik. Wird dies in die Kalkulationen eingeschlossen – inklusive Herstellung, Transport und Entsorgung –, ist gemäss einer Überschlagsrechnung des Bafu der Input an grauer Energie höher als das, was für Heizung und Warmwasser verbraucht wird. «Mit einer sorgfältigen Abstimmung zwischen den verschiedenen Planern für Heizung, Lüftung, Kühlung und Storensteuerung könnte man viel Energie sparen», sagt Andreas Witzig, Leiter des Institute of Computational Physics an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).

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Heizung nur bei Nutzung

Idealerweise geschieht das bereits in der Planungsphase eines Bauprojektes, aber die Optimierung kann auch in den späteren Phasen (Installation, Inbetriebnahme und Betrieb) umgesetzt werden. In der Folge würden sich sowohl Bau- als auch Betriebskosten reduzieren. «Technologisch gesehen sind Gebäudesimulation und Monitoring wichtige Werkzeuge», sagt Witzig weiter. «Die Simulation unterstützt die Planer, und im fertig gebauten Gebäude kann mit den entsprechenden Sensoren für Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftqualität und die Helligkeit das Funktionieren der Anlage überprüft werden.» Laut Pietro Gagliardi, Gründer der Berner Firma Cleveron, gibt es zwei Möglichkeiten, den Energieverbrauch von Nichtwohngebäuden zu reduzieren: Einerseits durch die Optimierung des Energieverbrauchs durch (Plug-and-Play-)Steuerungs- und Regelsysteme. «Mit dieser Methode kann der Energieverbrauch nach Bedarf reguliert werden», sagt Gagliardi. Vorbild sind die Bewegungsmelder für die Beleuchtung. «Für die Heizung gibts zwar einige Lösungen auf dem Markt für Nichtwohngebäude, aber der Ansatz war bis vor Kurzem bei den Immobilienbesitzerinnen und -besitzern noch nicht exponentiell gefragt.» Im privaten Bereich hat sich dieser Ansatz in den letzten Jahren durchgesetzt (Stichwort «Smart Home»). «In Nichtwohngebäuden hätte dieser Ansatz jedoch eine viel grössere Wirkung», sagt Gagliardi, «denn diese sind viel grösser, sie sind im Durchschnitt älter – und es gibt viele zeitweise ungenutzte Räume –, zudem werden sie nur zu 40 Prozent der Zeit genutzt.»

Das Einsparpotenzial beträgt bei bestehenden Gebäuden rund 30 bis 35 Prozent.

Und andererseits gibt es die Sensibilisierung der Gebäudenutzer für die Auswirkungen falschen Verhaltens. «Dies ist wichtig, denn wenn Nutzerinnen und Nutzer nicht Teil der Lösung sind, wird es fast unmöglich, die gewünschten Ergebnisse zu erzielen», sagt Gagliardi. «Selbst in sanierten Gebäuden ist der Verbrauch oft höher als erwartet, gerade weil Nutzerinnen und Nutzer sich nicht korrekt verhalten.» Hier setzt die Lösung des Berner Unternehmens an. Sie verwandelt ein bestehendes Gebäude in wenigen Tagen in ein intelligentes Gebäude, um die Temperatur vorausschauend zu regeln und nur die Räume zu beheizen, die benötigt werden. «Wenn wir an die Nutzung von Räumen in grossen Nichtwohngebäuden denken, ist das Potenzial leicht zu erkennen, wenn ein System von selbst versteht, wann es welche Räume heizen muss und wann nicht», sagt Gagliardi. «Wir ersetzen alle Thermostate durch unsere intelligenten Thermostate und Sensoren. Sie erkennen, ob ein Raum genutzt wird oder nicht.» Es gibt dann eine prädiktive Regelung, basierend auf Präsenz, Gebäude, Wetter und Millionen Daten pro Jahr pro Gebäude, und innerhalb  von einem bis zwei Tagen ist das System in Betrieb. Im Hintergrund arbeitet auch hier die künstliche Intelligenz. Sie erfasst die Faktoren Menschen, Gebäudeeigenschaften und das Wetter. Die Algorithmen berechnen auf der Grundlage dieser Faktoren jederzeit die Temperatur- und Anwesenheitsprofile der einzelnen Räume und teilen dies den Geräten mit.

«Diese raumbezogene, prädiktive Temperaturregelung hat ein Einsparpotenzial von 30 bis 35 Prozent bei bestehenden Gebäuden und etwa 10 bis 20 Prozent in neuen Gebäuden», sagt Gagliardi. «Man kann das Einsparpotenzial auf einfache Weise sehr grob berechnen, indem man annimmt, wie viel ein Raum genutzt wird und wie lange er leer steht, und den Durchschnitt errechnet, wenn er ständig mit 22 Grad oder nur bei Bedarf beheizt würde.»

Gagliardi rät den Kunden, bei Neubauten Sensoren zu installieren, um Tausende interessanter Daten zu sammeln und auszuwerten. «Nur dann können rechtzeitig Massnahmen zur Senkung des Verbrauchs ergriffen werden.»