Anflug vom See her, Flug über die Vorstadt, dann direkt über die Innenstadt – lediglich eine Handvoll Gebäude erscheint im besten Christo-Look farbig und verhüllt. Hier war indes nicht der Verhüllungskünstler, sondern ein Computer am Werk. Das schweizerische Startup Nomoko hat in den vergangenen Jahren einige urbane Gebiete der Schweiz digital erfasst und damit «digitale Zwillinge» dieser Städte und ihrer Gebäude erstellt. Im Bereich Augmented Reality / Virtual Reality dienen digitale Zwillinge als Grundlage für immersive Erlebnisse. Durch die Überlagerung der realen Welt mit virtuellen Objekten können User mit diesen Objekten interagieren und so ihre Umgebung in erweiterte oder virtuelle Realitäten verwandeln. «Die Technologie von Nomoko ermöglicht die Erfassung grosser Gebiete, um ausschliesslich aus Drohnenbildern digitale 3D-Zwillinge der realen Welt zu erstellen. 3D-Daten sind für Sonderanfertigungen wie auch aus einem Katalog verfügbar», sagt Nilson Kufus, CEO der Firma. «Wir haben derzeit digitale Zwillinge der acht grössten Schweizer Städte.» Die Auflösung beträgt 1,5 Zentimeter GSD (Pixelgrösse im Modell), für manche Projekte ist die Auflösung sogar noch besser. Man kann damit auch die Beschriftungen an Gebäuden oder Menütafeln von Restaurants lesen.

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Simulationstools helfen,Zeit und Geld bei derObjekt-Planung zu sparen.

Konkrete Fragen vorher definieren

Diese Lösungen werden unterschiedlich genutzt, sagt Kufus: Die Immobilienbranche nutzt digitale 3D-Zwillinge, um Immobilien in ihrer realen Umgebung zu visualisieren und zu erkunden. «Diese digitalen Nachbildungen bieten ein immersives Erlebnis, welches es einer potenziellen Kundschaft ermöglicht, die Immobilie virtuell zu besichtigen und die Frage zu beurteilen, wie das neue Projekt in die Umgebung passt», so Kufus. Stadtplanende können die 3D-Nachbildungen nutzen, um die Auswirkungen neuer Konstruktionen oder Infrastrukturprojekte zu bewerten und ein umfassendes Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich ihre Pläne in der physischen Umgebung einfügen werden, was zu einer effizienteren und nachhaltigeren Stadtentwicklung führt. Auch die Bevölkerung könne besser in Entscheidungen einbezogen werden, wenn ein Projekt in einem immersiven 3D-Modell betrachtet werden kann. Die Immobilienbranche spart laut Kufus durch Simulationen messbar Zeit und Geld bei der Planung und dem Verkauf ihrer Objekte.

«Der Einsatz von Simulationstools ist immer dann gut, wenn es um Entscheidungen geht: Bei der Planung von Energiesparmassnahmen kann man im Voraus abschätzen, wie viel das bringt», sagt Andreas Witzig, Leiter des Institute of Computational Physics an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). Bei jeder Gebäudesimulation müsse man wissen, welche Frage sie beantworten soll. «Man kann beliebige Details mit einer Simulation abbilden und viele schöne Bilder produzieren, aber ohne konkrete Fragestellung ergibt sich daraus dann manchmal kein Mehrwert», so Witzig weiter.

Wärmeverluste durch die Gebäudehülle und die Solargewinne durch die Fenster liessen sich sehr gut simulieren. «Da man natürlich nicht weiss, wie das Wetter in Zukunft sein wird, verwendet man dafür synthetische Wetterdaten», sagt Witzig. «Auch für das zukünftige Benutzerverhalten muss man entsprechende Annahmen treffen, und auch dafür gibt es gute Tools.»

Ein spezielles Thema im Zusammenhang mit Gebäudesimulation ist laut Witzig die Feuchtigkeit und Schimmelbildung im Gebäude. Die gekoppelte Simulation von Feuchtigkeit und Temperaturverteilung bietet einen grossen Nutzen für die Gebäudesubstanzerhaltung, da kritische Stellen erkannt werden, bevor ein Schaden entsteht. Indirekt ist das auch relevant im Kontext Nachhaltigkeit und Klimakrise, da die Gebäude länger genutzt werden können. «Auch hier gibt es für die Gebäudebesitzer einen unmittelbaren finanziellen Nutzen», so Witzig.

 

AI-Lösungen sind noch nicht ausgereift

«Die Simulationstools sind ausgereift, aber es braucht immer auch Experten zur Beurteilung von konkreten Bauvorhaben oder zur Lösung von Feuchtigkeitsproblemen im Bestand.» AI-Lösungen für die Gebäudetechnik seien im Moment oft noch nicht ausgereift, das Schlagwort spielt aber im Marketing bereits eine Rolle. Beim Kauf von entsprechenden Geräten müsse man sehr vorsichtig sein. «Bei der AI braucht es oft Trainingsdaten, mit denen die Algorithmen ihr optimales Verhalten erst erlernen müssen», sagt Witzig. «Die Gebäudesimulation ist gut geeignet zur Produktion von solchen Trainingsdaten. Im Vergleich zu echten Messkampagnen kann man mit Simulation viel mehr solche Daten produzieren und man hat keine Probleme mit Vertraulichkeit und Persönlichkeitsschutz.»