Beton gilt als Klimakiller – zu Recht?

Nein. Es gibt viele konkrete Massnahmen, die von der Branche bereits ergriffen worden sind. Die Schweizer Zementindustrie beispielsweise hat ihre CO₂-Emissionen seit 1990 um über 40 Prozent reduziert. Es werden künftig weitere alternative Zementsorten (sogenannte klinkerreduzierte) Zemente entwickelt, die weniger CO₂-intensiv sind, und durch den Einsatz von alternativen Brennstoffen werden die Emissionen weiter reduziert. Die Zementunternehmen bekennen sich zur Reduktion der Emissionen und setzen in ihrer «Roadmap 2050» das konkrete Ziel, bis 2050 Netto-Null zu erreichen. Technologien wie CCS (Carbon Capture Storage) und CCU (Carbon Capture Use) spielen dabei eine wichtige Rolle.

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Dass heisst?

CCS steht für die dauerhafte Speicherung des CO₂, und CCU bezeichnet einen Vorgang, bei dem das CO₂ direkt am Hochkamin abgeschieden und später industriell verwendet wird.

 

Also alles nur ein Imageproblem?

Das Image ist ein Problem, Ja. Die Ökobilanz von Beton ist im Vergleich zu anderen Baumaterialien besser als oftmals angenommen. Hierbei ist wichtig, den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten, nicht nur die Emissionen bei der Erstellung, sondern auch die des Betriebs und des Rückbaus. Wenn wir die Ökobilanzen der verschiedenen Baumaterialien auf die gesamte Lebensdauer von 60 bis 100 Jahren betrachten, liegen alle Baumaterialien etwa im gleichen Rahmen, was verschiedene europäische Studien belegen. Zudem ist es auch entscheidend, dass Beton kreislauffähig und recyclebar ist.

 

Dennoch werden durch das Bauen grosse Mengen an CO₂ frei.

In der Schweiz haben wir einen jährlichen Bedarf an etwa 60 Millionen Tonnen Baustoffen, wobei Beton mit rund 16 Millionen Kubikmetern der mit Abstand am meisten verwendete Baustoff ist. Beton ist aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften und der hohen Anforderungen bei vielen Bauaufgaben unverzichtbar. Ob es sich um die Errichtung von Staudämmen, Tunneln, Brücken oder anderen Bauwerken handelt – Beton ist oft die einzige Wahl.

Der Kommunikator

Name: Patrick Suppiger
Funktion: GeschäftsführerBetonsuisse
Alter: 46
Ausbildung: Kommunikator FH und Master of Advanced Studies in Communication Management and Leadership

Betonsuisse ist die Informations- und Kommunikationsplattform für den Baustoff Beton in der Schweiz. Träger dieser Organisation sind vier Verbände der Baustoffindustrie: Cemsuisse, FSKB, FSHBZ sowie Swissbeton.

Wie entsteht das viele CO₂ genau?

Die CO₂-Freisetzung im Produktionsprozess hat im Wesentlichen zwei Komponenten: Einerseits erfordert die Herstellung von Zement hohe Temperaturen, wodurch etwa ein Drittel der CO₂-Emissionen im Produktionsprozess entsteht. Und beim Brennprozess wird das im Kalkstein gebundene CO₂ freigesetzt, welches zwei Drittel des Gesamt-CO₂ ausmacht. Anderseits kann durch die Verwendung von alternativen Brennstoffen mittlerweile fast ganz auf fossile Energieträger verzichtet werden.

 

Warum wird nicht mehr recycelter Beton verwendet?

Die Schweiz ist im europäischen Vergleich bezüglich der Wiederverwertung von Beton führend. Beton ist ein vollständig kreislauffähiges Material, das zu fast 100 Prozent recycelt werden kann und so wertvolle Ressourcen spart. Jährlich entstehen schweizweit durch den Rückbau von alten Gebäuden etwa 7,6 Millionen Tonnen Betonabbruch, die den Bedarf an neuem Beton nicht decken können.

 

Wie gross ist der Anteil von recyceltem Beton in der Schweiz?

Von den jährlich 16,7 Millionen Kubikmetern neu verbautem Beton bestehen rund 40 Prozent aus recyceltem Gestein.

Ist recycelter Beton teuer?

In der Regel ist Beton, der aus rezyklierter Gesteinskörnung hergestellt wird, aufgrund des höheren Zementanteils tendenziell etwas teurer (circa 2 bis 5 Prozent), wobei viele andere Faktoren die Preisbildung mitbeeinflussen. Etwas teurer wird er, wenn Sie zusätzliches CO₂ speichern möchten. Beispielsweise bieten verschiedene Anbieter nach dem Prinzip des ETH-Spin-offs Neustark rezyklierte Gesteinskörnung mit angereichertem CO₂ an, welches aus der Atmosphäre oder aus Biogasanlagen gewonnen wird. Dadurch verbessert sich die Klimabilanz des Betons noch einmal um rund 10 Prozent.

 

Werden in der Bauplanung klimafreundlichen Möglichkeiten genutzt?

Es ist ein deutlicher Trend in der Bauplanung zu beobachten, bei dem darauf geachtet wird, dass Gebäude auch nach Jahrzehnten noch umgenutzt werden können oder die Tragstruktur weiterverwendet wird. Allein schon dadurch wird Beton bewusster eingesetzt.

 

Beispiele?

Beim neuen Google-Hauptsitz in Zürich wurde die Tragstruktur des alten Gebäudes erhalten und der Rest herausgeschnitten und im Gebäude wiedereingesetzt. Re-Use ist hier das Schlagwort. Ein weiteres Beispiel für Re-Use ist das neue Recyclingzentrum der Stadt Zürich auf dem Juch-Areal: Bestehende Betonteile anderer Gebäude der Stadt werden herausgeschnitten und für den Bau des neuen Zentrums genutzt.

 

Was sagen Sie den Betonkritikern und -kritikerinnen?

Es ist wichtig, dass wir bei der Wahl der Baustoffe ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Nachhaltigkeit, Leistung und Innovation finden, um eine zukunftsfähige Bauindustrie zu gestalten. Dabei sollten wir auch die Qualität und Leistungsfähigkeit der Baustoffe im Blick behalten. Wir müssen bewusster überlegen, welcher Baustoff wo Sinn ergibt. Meine Hauptbotschaft ist darum, dass man einen Baustoff dort einsetzen soll, wo er die besten Leistungen erbringt.