Nach der Climate Week, einer der wichtigsten Nachhaltigkeitskonferenzen der Welt, war man sich unter Beobachtern und Analysten rasch einig: Richtung und Tempo der Wirtschaft bezüglich Bewältigung des Klimawandels gehen zunehmend von Staaten auf private Unternehmen über. Der Fokus lag dabei auf kommerziell-technischen Lösungen, um entweder die Emissionen zu begrenzen, die Lieferketten resilienter zu machen – oder um Materialkreisläufe zu schliessen. Konkret: Wie können Produkte und die in ihnen enthaltenen Rohstoffe wieder nutzbar gemacht werden?
Auch Ikea hatte sich hohe Ziele gesetzt: Bis 2030 will das Unternehmen laut eigenen Angaben «voll zirkulär» arbeiten. Bisher sind 9500 eigene Produkte in Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft geprüft worden, im Jahr 2023 hatte man den Kundinnen mehr als 23 Millionen Teile zur Verfügung gestellt, mit deren Hilfe die Lebensdauer der Ikea-Produkte verlängert werden soll. Insgesamt steckt man umgerechnet 900 Millionen Franken in diese Vorhaben.
«Unsere Recyclingquote liegt aktuell bei über 77 Prozent, sodass ein Grossteil unserer Abfälle bereits wiederverwertet wird, darunter Metall, Kunststoff sowie Textilien», erklärt Andrin Hodel, Country Sustainability Manager von Ikea Schweiz. «Wir machen Fortschritte und haben eine Vielzahl von laufenden Initiativen, um die absolute Menge an Abfall weiterhin zu reduzieren und den Anteil des recycelten Materials zu erhöhen.» Es gebe indes noch einige Herausforderungen, etwa bei der Verfügbarkeit von Recycling-Infrastrukturen oder der Verwertung bestimmter Materialien wie beispielsweise behandeltem Holz.
Wachstumsbranche Gebrauchsmöbel
Das Unternehmen stützt sich dabei auf drei Elemente: Zunächst möchte man die Kundinnen und Kunden befähigen, Produkte auf zirkuläre Weise zu erwerben, zu pflegen und weiterzugeben. Zudem ist jedes Produkt von Anfang an so gestaltet, dass es wiederverwendet, restauriert, wiederaufbereitet und schliesslich recycelt werden kann. «In unseren Produkten sollen ausschliesslich erneuerbare und recycelte Materialien verwendet werden», so Hodel. «Schliesslich möchten wir Materialien und Produkte so lange wie möglich nutzen und entwickeln daher kontinuierlich unsere zirkulären Services weiter.» Dazu gehören der Produktrückkaufservice (Second-Hand-Service), der Ersatzteilservice (überwiegend kostenlos), sowie der Wiederverkaufsmarkt («Zweite-Chance-Markt»).
«Mit diesen Angeboten verlängern wir die Lebensdauer unserer Produkte, vermeiden Abfall und treffen den Nerv der Zeit: Der weltweite Markt für gebrauchte Möbel wächst schnell, mit einer prognostizierten jährlichen Wachstumsrate von 6,4 Prozent im Jahr 2024», erklärt Hodel weiter. Zwei von drei Schweizerinnen kaufen gelegentlich bis regelmässig gebrauchte Möbel. Ikea-Möbel seien auf den gängigen Gebrauchtwaren-Plattformen sehr beliebt und wechseln im Durchschnitt 2,1-mal die Besitzerin.
Hodel hat auch einige Beispiele zur Hand, wie man die Kreisläufe mit entsprechenden Designprinzipien sowie der Nutzung erneuerbarer oder recycelter Materialien unterstützt: Beispielsweise mit Wedge Dowel, einer Klicktechnik, welche die Montage, Demontage und den Wiederzusammenbau erleichtert, sodass Möbel beim Umzug leicht transportiert werden können. «Bezüglich nachhaltiger Materialverwendung und Langlebigkeit ist etwa unsere Tischserie Lisabo zu nennen», so Hodel weiter: «Ein schlichter, stabiler Tisch mit Eschenfurnier in warmer Holzoptik, der mit nur wenigen Klicks zusammengebaut wird.» Oder die erweiterbaren Betten. «Die wachsen mit dem Kind und fördern die Langlebigkeit der Produkte», erklärt Hodel. «Standardisierte Bauteile ermöglichen eine einfache Wartung und Wiederverwendung in anderen Produkten.»
Künstliche Intelligenz sortiert mit
Bis 2030 soll Ikea laut Hodel der führende Retailer für zirkulären Konsum sein. «Ikea wird die erste Anlaufstelle für Inspiration und ein nachhaltiges Zuhause sein – unabhängig vom Budget, denn Nachhaltigkeit darf kein Luxus sein», so Hodel. Hinzu kommen mögliche Ideen wie die Entwicklung von Second-Hand-and-Repair-Hubs in urbanen Zentren. «Denkbar ist ein Ikea-Format, das sich darauf fokussiert, die Kreislaufwirtschaft erlebbar zu machen», so Hodel weiter. «Von der direkten Reparatur über den Verkauf gebrauchter Möbel bis hin zu Ersatzteilen und Pflegeprodukten, all das anzubieten, was Menschen brauchen, um die Lebensdauer ihrer Ikea-Produkte zu verlängern.» Und in den Geschäften würden dann Recyclingstationen für die Kundinnen und Kunden bereitstehen. «Diese Stationen nutzen KI, um Abfälle effizient zu sortieren und zu verarbeiten», so Hodel.