Der weltweite Materialverbrauch hat sich in den letzten fünfzig Jahren mehr als verdreifacht, und die Art und Weise, wie wir die gebaute Umwelt produzieren und betreiben, ist bereits für fast die Hälfte aller anthropogenen Treibhausgasemissionen, für mehr als die Hälfte des Abfallaufkommens und für fast drei Viertel des Energieverbrauchs verantwortlich.
Der Autor
Marc Palahí, Chief Nature Officer bei Lombard Odier Investment Managers und Chief Executive Officer der Circular Bioeconomy Alliance
Diese Zunahme des Materialverbrauchs lässt sich nicht allein durch das weltweite Bevölkerungswachstum erklären, sondern vielmehr durch die Verdreifachung der städtischen Bevölkerung. Dabei sind die bebaute Umwelt und die Mobilitätssysteme die wichtigsten Triebkräfte für die steigende Materialnachfrage, gefolgt von den Nahrungsmittel- und Energiesystemen.
Zersiedelung eindämmen, Bauemissionen sparen
Was wäre, wenn wir unsere städtische Umwelt so umgestalten könnten, dass sie den Übergang zu einer neuen, von der Natur angetriebenen Wirtschaft inspiriert und anführt, die den Klimawandel umkehrt und die biologische Vielfalt fördert? Im Februar brachte die Yale School of Architecture führende internationale Wissenschaftler, Denker und Entscheidungsträger zusammen, um ein neues und regeneratives Paradigma für die Städte des 21. Jahrhunderts zu diskutieren. Die Konferenz folgte einem von Systemiq veröffentlichten Bericht, in dem hervorgehoben wird, dass kompakteres Wohnen einen grösseren positiven Einfluss auf die städtische und nationale Energieeffizienz und den Verbrauch natürlicher Ressourcen hat als jede andere Strategie. Durch eine verstärkte Stadterneuerung könnten etwa 45 Prozent der jährlichen Bauemissionen in Europa eingespart werden, indem die Zersiedelung der Landschaft eingedämmt wird, während gleichzeitig eine Naturfläche, die fast doppelt so gross ist wie Luxemburg, in den nächsten zehn Jahren neu entstehen oder vor der Zerstörung bewahrt werden könnte.
Biostädte – die Nutzung von biologischen und Bio-inspirierten Prinzipien, Materialien, Funktionen, Strukturen und Ressourcen aus der lebendigen Natur – könnten die Umgestaltung unserer städtischen Umwelt unterstützen. Städte sind entstanden, weil sie der effizienteste Weg sind, uns zu organisieren und soziales und wirtschaftliches Kapital zu schaffen, während gleichzeitig die Infrastrukturkosten minimiert werden. Das Gleiche gilt aus ökologischer Sicht auch für Wälder. Wälder sind die Städte der Natur. Sie funktionieren nach ökologischen Massstäben und nutzen Sonnenenergie, um CO2 und Wasser in erneuerbare biochemische Energie umzuwandeln, die von vielen anderen lebenden Organismen genutzt werden kann, während sie gleichzeitig Sauerstoff freisetzen und Wasser im Kreislauf führen. Städtische Wälder können zum Beispiel die Luft reinigen, die Umgebung kühlen und den Energieverbrauch von Gebäuden beim Kühlen und Heizen erheblich beeinflussen.
Aber nicht nur Bäume und Wälder können zu einer strategischen Infrastruktur für künftige Städte werden. Holz, das vielseitigste Material der Erde, ist ein erneuerbares Baumaterial, mit dem wir unsere Gebäude und Städte in Infrastrukturen zur Kohlenstoffspeicherung verwandeln können. Jeder Kubikmeter Holz speichert eine Tonne CO2 und vermeidet die Produktion von mehr als zwei Tonnen CO2 im Vergleich zur Verwendung von Beton.
Geringe Volatilität, vorhersehbare Erträge
Die Erneuerung und Umgestaltung der städtischen Umwelt ist nicht nur eine klimapolitische Notwendigkeit, sondern auch eine bedeutende Investitionsmöglichkeit. Auch wenn Ökonomen unterschiedliche Zahlen nennen, legen Studien nahe, dass sich der weltweite Investitionsbedarf allein für die städtische Infrastruktur auf fast 5 Billionen Dollar pro Jahr belaufen könnte. Da die Staatskassen bis an die Grenzen ausgelastet sind, wird erwartet, dass ein Grossteil dieser Finanzierung aus privaten Kapitalquellen stammen muss, was Anlegern die Möglichkeit bietet, eine inflationsgesicherte Anlage mit geringer Volatilität in ihr Portfolio aufzunehmen. Infrastrukturprojekte sind in der Regel langfristig angelegt und dürften den Anlegern über einen längeren Zeitraum hinweg stetige, vorhersehbare Erträge bescheren. Abgesehen von der geringen Volatilität können Infrastrukturprojekte auch als strategische, antizyklische Diversifikatoren in einem Portfolio fungieren, die in einer Zeit, in der die traditionelle 60/40-Mischung immer unausgewogener wird, stetige, vorhersehbare und dekorrelierte Renditen liefern.
Wir formen unsere Städte und sie formen uns, unsere Wirtschaft, die Art und Weise, wie wir denken, uns bewegen und konsumieren, sowie unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Die Städte sind heute das Sinnbild für die Kluft zwischen Mensch und Natur, und die Neugestaltung unserer Städte im Hinblick auf die Natur ist ein grundlegender Wandel zur Schaffung einer neuen, von der Natur angetriebenen Wirtschaft, die in Symbiose mit der Natur und nicht auf ihre Kosten gedeiht.