Oxara revolutioniert die Bauindustrie mit zementfreiem Beton. Doch der Bausektor ist traditionell konservativ. Welche konkreten Strategien verfolgen Sie, um Architekten, Ingenieurinnen und Bauunternehmen von den Vorteilen Ihrer zementfreien Lösungen zu überzeugen?

Unsere Strategie basiert auf dem Aufbau eines Ökosystems von Partnern entlang der Wertschöpfungskette. Das bedeutet, dass nicht nur wir selbst den Wandel vorantreiben, sondern auch unsere Partner dazu beitragen. Durch gemeinsames Marketing und Kommunikation können wir eine breitere Wirkung erzielen.

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Ihre Partner fungieren also als eine Art Multiplikatoren?

Genau. Die Stimme eines Start-ups allein hat im Bausektor nicht unbedingt genügend Gewicht. Daher ist die Unterstützung etablierter Partner notwendig, um die Funktionstüchtigkeit der Technologie zu beweisen und die Kundinnen und Kunden von den Vorteilen des Wechsels von zementbasierter zu zementfreier Technologie zu überzeugen.

Der Firmenname Oxara bedeutet in der togoischen Sprache «Gemeinschaft». Wie spiegelt sich dieser Gedanke in Ihrem Unternehmen wider?

Unser Gemeinschaftssinn beginnt im Inneren und wirkt nach aussen. Wir legen grossen Wert darauf, intern eine echte Gemeinschaft zu bilden. Ein Beispiel dafür ist, dass jeden Tag jemand für das gesamte Team kocht und wir gemeinsam essen. Auch in unserer Arbeitsweise findet sich dieses Muster: Unser Team arbeitet eng zusammen, tauscht Informationen offen aus und ist so transparent wie möglich. Dieser Teamgeist überträgt sich schnell auf die Zusammenarbeit mit unseren Partnern. Sobald wir mit ihnen interagieren, ist das ganze Team involviert, um mit vielfältigen Kompetenzen und seinem Fachwissen auf deren Bedürfnisse einzugehen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Partner aus?

Unsere Partnerwahl entwickelt sich oft aus Kontakten, die wir bereits hatten. Kibag beispielsweise haben wir gezielt angesprochen, weil wir wussten, dass sie über das entsprechende Material verfügen, und das wollten wir testen. Aus diesen ersten Materialtests entstand nun eine langjährige Partnerschaft und wir entwickeln weiterhin zusammen diverse Baustoffe. Bei all unseren Partnern war es so, dass sie an unsere Idee geglaubt und Potenzial gesehen haben.

Ein wesentliches Merkmal der Oxara-Technologie ist die Verwendung von Materialien, die normalerweise als Abfall gelten und auf Deponien entsorgt werden, etwa Aushub- und Abbruchmaterial. Wie funktioniert das Herstellungsverfahren im Einzelnen?

Unsere Technologie basiert im Wesentlichen auf drei Säulen. Erstens ist die Beschaffenheit der Abfallstoffe, die wir nutzen wollen, entscheidend. Wir suchen nach den optimalen Materialien, die einen echten Mehrwert für unser Bindemittelsystem darstellen. Zweitens legen wir grossen Wert auf die sorgfältige Aufbereitung dieser Abfälle. Durch spezielle Verfahren erreichen wir die gewünschte Korngrösse, Pulverform und Reaktivität. Drittens kommt ein Aktivator aus mineralischen Salzen zum Einsatz, was wir hinzufügen, um Stabilität zu gewährleisten. Alle drei Faktoren spielen eine entscheidende Rolle: Sollte die Auswahl der Abfallstoffe oder deren Verarbeitung mangelhaft sein, wird das Endprodukt ebenfalls von minderer Qualität sein. Das Gleiche gilt, wenn der Aktivator, also das zugesetzte Mineralsalz, nicht optimal formuliert ist. 

Wie garantieren Sie die gleichbleibend hohe Qualität der Baustoffe, insbesondere bei unterschiedlichen Ausgangsmaterialien?

Die Materialbeschaffenheit ist tatsächlich ein variabler Faktor. Unser Team widmet diesem Aspekt daher viel Zeit und Aufmerksamkeit. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die klare Kommunikation unserer Qualitätsanforderungen an unsere Partner. Die Umsetzung in industriellem Massstab stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Im Labor lassen sich Bedingungen leichter kontrollieren, doch in der Realität, beispielsweise bei der Befüllung grosser Lastwagen, müssen wir sicherstellen, dass keine Verunreinigungen auftreten und die Mineralstoffverhältnisse konstant bleiben. Glücklicherweise arbeiten wir mit Partnern zusammen, die den langfristigen Wert unserer Technologie erkennen und die notwendigen Anpassungen vornehmen.

Zur Person

<p>Oxara – zementfreier Beton</p>
Quelle: Oliver Oettli

Dr. Gnanli Landrou, Co-Gründer von Oxara, entwickelte schon früh ein Verständnis für erdbasierte Baustoffe. Sein Studium der Materialwissenschaften in Frankreich schärfte sein Bewusstsein für die ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der konventionellen Betonproduktion. Die Frage, wie die traditionelle Lehmbautechnik mit modernen Betonverfahren kombiniert werden kann, führte ihn 2014 für seine Promotion an den Lehrstuhl für nachhaltiges Bauen der ETH Zürich.

Wie verhält sich Ihr zementfreier Beton bei extremen Wetterbedingungen?

Hohe Temperaturen stellen kein Problem dar. Kälte hingegen ist auch bei herkömmlichem Beton ein Thema, also betrifft es nicht nur uns. Aktuell konzentrieren wir uns auf Anwendungsbereiche, die unser Produkt bereits jetzt abdeckt – immerhin rund 10 Prozent des Marktes, ein durchaus bedeutender Anteil. Wir arbeiten jedoch daran, unser Produkt für niedrigere Temperaturen in Europa und für hohe Temperaturen im Nahen Osten zu optimieren. 

Oxara hat die technische Machbarkeit und die Leistungsfähigkeit seiner Technologie in realen Anwendungen durch eine Reihe von Pilotprojekten nachgewiesen. Kritische Stimmen bezweifeln jedoch, dass zementfreier Beton jemals in der Lage sein wird, Hochhäuser zu tragen. Wie entkräften Sie diese Skepsis?

Wir verstehen die Skepsis, doch unsere Entwicklung ist ein Prozess, und aktuell liegt unser Fokus nicht auf dem Hochhausbau. Es gibt zahlreiche Anwendungsbereiche, in denen unser Produkt bereits jetzt eingesetzt werden kann, auch wenn es nicht immer direkt sichtbar ist – beispielsweise bei Magerbeton, nichttragenden Wänden oder Bodenanwendungen. Zugegeben, das sind vielleicht nicht die spektakulärsten Anwendungen. Unser langfristiges Ziel ist es, so viel Abfall wie möglich zu verwenden. Nachhaltiges Bauen braucht Zeit. Schlussendlich geht es uns auch um bezahlbaren Wohnraum, was ebenfalls Zeit erfordert.

Wie sehen die Expansionspläne von Oxara aus, insbesondere in neuen Märkten wie Indien, dem Mittleren Osten und Ostafrika?

Wir haben bereits einen Vorstoss in Indien gewagt, der sich jedoch als unerwartet herausfordernd erwies.

Weshalb?

Wir mussten feststellen, dass wir noch nicht ausreichend für den indischen Markt gerüstet sind. Allem voran gelang es uns nicht, ein Ökosystem aufzubauen, inklusive Partner, Produktionsstätten, Rohstoffquellen und Vertriebsstrukturen. Stattdessen haben wir die Vereinigten Arabischen Emirate als potenzielles Sprungbrett in den östlichen Markt identifiziert. Die dortige Geschäftsstruktur und Integration scheinen im Vergleich zu Indien deutlich vielversprechender. Daher betrachten wir die VAE neben der Expansion in Europa als einen unserer prioritären Märkte. In Afrika hingegen steht uns noch der Aufbau eines umfassenden Ökosystems bevor, ähnlich jenem, das wir bereits mit unseren Schweizer Partnern etabliert haben. Dies umfasst die gesamte Wertschöpfungskette von der Abfallentsorgung bis zum Vertrieb. Das wird Zeit in Anspruch nehmen, aber wir verfolgen hier einen schrittweisen Ansatz.

2024 nahm Oxara mit Samih Sawiris einen renommierten Investor in seinen Kreis auf. Welchen konkreten Beitrag – über die finanzielle Unterstützung hinaus – bringt er in die Partnerschaft ein?

Samih Sawiris bringt seine umfangreiche Erfahrung ein, um uns vor potenziellen Fallstricken zu bewahren. Seine Expertise in Vertragsangelegenheiten und sein tiefes Verständnis für die Geschäftswelt sind für uns von grossem Nutzen. Zudem geniesst er sowohl im Nahen Osten als auch in der Schweiz einen hervorragenden Ruf. Allerdings möchte ich betonen, dass nicht nur Samih Sawiris, sondern das gesamte Investoren-Ökosystem für uns von grosser Bedeutung ist.

Oxara konnte seine Oulesse-Bindemittel im Rahmen des Stoot-Pavillons in Dubai 2024 präsentieren. Gibt es weitere konkrete Projekte in Dubai, an denen Sie bereits arbeiten?

Wir führen derzeit Gespräche über einige Projekte in Dubai. Diese sind vielversprechend, da unsere potenziellen Partner darin die Möglichkeit sehen, die Oxara-Technologie langfristig in der Region zu etablieren. Wir denken beispielsweise über die Gründung einer Tochtergesellschaft und den Aufbau eines lokalen Geschäftsbetriebs nach. Für das Stoot-Projekt mussten wir das Material noch aus der Schweiz versenden, was keine nachhaltige Lösung darstellt. Daher müssen wir zunächst eine lokale Produktion und weitere Strukturen aufbauen, bevor wir uns den eigentlichen Projekten widmen.

Was treibt Sie persönlich an? Ist es die Klimakrise, der Wunsch nach technischen Durchbrüchen oder etwas ganz anderes?

Mein persönlicher Antrieb ist das langfristige Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu ermöglichen. Alles, was wir tun, ist darauf ausgerichtet, dieses Ziel zu erreichen. Zuerst konzentrieren wir uns auf nachhaltiges Bauen und die Frage, wie wir etwas bewegen können. Ich bin sehr sensibilisiert für die Themen CO2-Reduzierung und Ressourcenknappheit, da ich die direkten Auswirkungen auf das Leben der Menschen in meiner Heimat Togo erlebt habe. Ich habe auch erlebt, dass Kinder Sand sammeln mussten, statt zur Schule zu gehen. Das sind Erfahrungen, die mich geprägt haben, und ich möchte dazu beitragen, diese Probleme zu lösen.

Pionier für nachhaltige Baustoffe

Oxara AG, ein Spin-off der ETH Zürich, wurde Ende 2019 durch Gnanli Landrou und Thibault Demoulin gegründet und verfolgt die Kernmission, nachhaltiges Bauen und bezahlbaren Wohnraum weltweit zu ermöglichen. Im Zentrum steht eine patentierte Technologie, die mineralische Bauabfälle und Aushubmaterialien – Ressourcen, die traditionell häufig auf Deponien landen – in hochwertige, kohlenstoffarme Baustoffe umwandelt. Diese Technologie bietet signifikante Vorteile, darunter eine drastische Reduktion der CO2-Emissionen um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen, zementbasierten Materialien, die Wiederverwendung von bis zu 90 Prozent Abfallstoffen und potenzielle Kosteneinsparungen.

Oxara – zementfreier Beton

Im Labor von Oxara wird der zementfreie Beton bis ins Mark getestet.

Quelle: Oliver Oettli