Die Forschung zu alternativen Proteinen zielt darauf ab, innovative, nachhaltige und gesunde Proteinquellen zu entwickeln, die nicht von Tieren stammen. Dazu gehören pflanzliche, mikrobielle respektive kultivierte Zellen. Ein grundsätzliches Ziel ist, ein nachhaltigeres Ernährungssystem zu etablieren, welches eine gesunde Ernährung für eine wachsende Weltbevölkerung innerhalb der planetaren Grenzen möglicher macht.
Doch was etwas gar hochgestochen und leicht moralisierend klingt, scheint das Zeug als Gamechanger in der Ernährung zu haben. Pflanzliche Proteine etwa werden als Ergänzung einer abwechslungsreichen Ernährung konsumiert oder dienen als Grundlage für die Herstellung neuer Produkte als Milch- oder Fleischersatz. Einerseits stellen Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt ökologische Überlegungen an, um die negativen Umwelteinflüsse der Ernährung zu reduzieren und essen somit weniger Fleisch. Andere reduzieren den Fleischkonsum aus gesundheitlichen sowie ethischen Gründen oder mögen einfach die Abwechslung, wie eine Arbeit der landwirtschaftlichen Beratungszentrale Agridea aufzeigt.
Zielgruppe Flexitarier
Zur Kategorie der alternativen Proteinquellen werden jedoch nicht nur pflanzliche Quellen wie Leguminosen, Getreide oder Ölsaaten gezählt, sondern auch tierische wie Insekten oder Zellkulturen und weitere Proteinquellen wie Mikro- und Makroalgen, Pilze, Bakterien und Hefen. Die primäre Zielgruppe solcher Lebensmittel sind die sogenannten Flexitarierinnen, die bewusst den Konsum von tierischen Produkten reduzieren wollen. Je nach Erhebung sind dieser Kategorie 20 bis 50 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer zuzuordnen.
Also eine attraktive Zielgruppe. Kein Wunder, haben grosse Verarbeiter wie Emmi, Elsa Group oder auch die Micarna-Gruppe den Trend schon lange erkannt und investieren in neue Produktlinien. Die Herausforderungen bei alternativen Proteinen bestehen dabei darin, die Verarbeitungsschritte vom Rohstoff zum Endprodukt zu optimieren sowie die Skalierung der Produktion in grossem Massstab effizient zu gestalten. Geforscht wird unter anderem zur Präzisionsfermentation.
Kein Sonntagsspaziergang
Einer der Experten in dieser Disziplin ist Ralph Langholz, Leiter Alternative Proteine bei der Elsa Group, einer der führenden Industriegruppen in der Schweizer Milchwirtschaft und Teil der Migros-Gruppe. Zuvor war er Leiter Alternative Proteinquellen bei der Migros-Tochter Micarna und damit verantwortlich für die veganen Fleischersatzprodukte und das Zukunftsthema «Kultiviertes Fleisch».
Doch die Herstellung alternativer Proteinquellen ist alles andere als ein Sonntagsspaziergang. «Die Proteinquellen etwa für Fleischersatzprodukte, also Sojaprotein, Erbsenprotein, Fababohnenprotein oder fermentierte Produkte wie Quornpilz, haben unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich Proteingehalt und Verarbeitbarkeit. Bei den daraus hergestellten Fleischersatzprodukten, insbesondere den moderneren Varianten, sind Konsistenz und Geschmack oft eine Herausforderung», sagt Langholz. Da dieses Feld noch jung sei, würden in den nächsten Jahren viele Innovationen folgen, vor allem durch Startups, ist er überzeugt. Und: «Die Lebensmittelindustrie steht dann als Partner für die Skalierung dort bereit, wo es Sinn macht.»
Ein gradueller Prozess
Ob sich neue Technologien und Innovationen durchsetzen, hängt allerdings von den Ernährungsgewohnheiten der Menschen ab. So haben sich andere Proteinquellen wie etwa Insekten nicht in der Masse durchgesetzt und bleiben eher ein Nischenmarkt. Ralph Langholz: «Man sollte nicht erwarten oder befürchten, dass sich bei der Umstellung von tierischen zu alternativen Proteinen über Nacht alles ändert und der ganze Lebensmittelmarkt auf den Kopf gestellt wird.» Veränderungen seien eben ein gradueller Prozess, der langsam voranschreite.