Den Start 2007 finanzierten die Kamerawerk-Gründer Christian Witschi und Claudio Sulser mit privaten Geldern. Sie setzten auf 3-D-Filme: einen Hype, der rasch abflaute. Der Wechsel zu Super Slow Motion war teuer und privates Kapital erschöpft. Neue Wege in der Unternehmensfinanzierung waren angesagt.

Family, Friends and Fools

16.40 Franken: Das war zwischenzeitlich der Kontostand der Firma Kamerawerk. «Wir brauchten ein LAN-Kabel für 20 Franken und zahlten es aus eigener Tasche», erinnert sich Christian Witschi, einer der beiden Firmengründer. Den eigenen Taschen verdankt das ganze Unternehmen seine Existenz.

Wie zwei Drittel aller KMU startete auch Kamerawerk im Jahr 2009 mit finanziellen Mitteln von «Family, Friends and Fools». Sie liehen sich privat 170 000 Franken, jeweils vertraglich festgehalten, inklusive Zinsen und Rückzahlungsplan. Mit dem Geld finanzierten sie ihren Firmensitz in Winterthur Töss – und die ersten Kameras, unter anderem eine, die für 3-D-Aufnahmen dediziert war.

Bandroom

Kreativstätte: Der «filmische Bandraum» von Kamerawerk in Winterthur Töss.

Quelle: Nik Hunger
Dieser Artikel wird Ihnen von UBS präsentiert.
Immer ein Ziel vor Augen

«Als Mitte 2009 der 3-D-Hype losbrach, waren wir einer der wenigen Produzenten in der Schweiz, die solche Aufnahmen liefern konnten», erzählt Claudio Sulser, der zweite Firmengründer. Die SRG – der Ort, an dem beide zuvor gearbeitet und gelernt hatten, – hatte sich zum Ziel gesetzt, in Sachen 3-D europaweit ganz gross zu werden, und wurde so zum wichtigsten Auftraggeber für Kamerawerk. Der Hype war heftig, hielt allerdings nicht lange an. Die SRG verabschiedete sich nach gut einem Jahr und unter neuer Führung von ihren 3-D-Visionen. Damit kehrte ungewollt Ruhe bei Kamerawerk ein.

Auf Monate mit zu viel Arbeit folgten Monate mit zu viel Zeit. Aufgeben war keine Option. «Wir hatten uns eine Menge Geld von unseren Eltern und Freunden geliehen. Das zwingt einfach zum Weitermachen», meint Christian und Claudio nickt. Beide nutzten die Zeit, um neue Ideen auszuprobieren. Eine davon bestand daraus, die 3-D-Technik mit Super Slow Motion zu verbinden.

Erste Kurzfilme dieser Art zielten darauf ab, sich erneut von der Masse der Filmproduktionen abzuheben. Die Idee hatte jedoch einen Haken: Weltweit gibt es nur wenige Kameras, die das leisten konnten, was Kamerawerk leisten wollte. Das Duo musste sich für jede Produktion eine dieser Super-Slow-Motion-Kameras, genannt «Phantom», bei einem Anbieter in München leihen.

Schnell war klar, dass für die Umsetzung dieser Idee eine eigene Phantom hermusste. Kostenpunkt: 180 000 Franken. «Wenn du auf den Mount Everest willst, startest du auch nicht in Sandalen, sondern in den besten Schuhen, die es gibt», bringt es Christian auf den Punkt.

Shoot

Kamerawerk in Action: Christian Witschi und Team an einem herbstlich anmutenden Abend im August.

Quelle: Nik Hunger
Der erste Businessplan

Die Gunst der privaten Investoren war ausgereizt, also sprachen die beiden bei der Bank vor. «Da haben wir dann das erste Mal einen Businessplan aufgestellt», berichtet Claudio mit einem Schmunzeln. «Dieses Geschäft ist recht komplex und techniklastig, weshalb ich mir zweimal erklären lassen musste, was es mit dieser Phantom auf sich hatte», erinnert sich Marco Niederer, Firmenkundenberater bei UBS. Er erkannte aber die Nische, die Kamerawerk damit besetzen konnte. Aufträge und Kunden waren vorhanden, ebenso fertige Filme und die fachliche Expertise. Also finanzierte UBS das Leasing der Phantom.

Kamera

Brachte den Turnaround: die Super-Slow-Motion-Kamera «Phantom»

Quelle: Nik Hunger

Mit der neuen Technik im Gepäck startete Kamerawerk ein zweites Mal durch und steil nach oben. «Auf einmal spielten wir wirklich in der ersten Liga», sagt Claudio. Er weiss noch sehr genau, wie er Blut und Wasser geschwitzt hat, als er sich eines Tages in Genf bei einer Convention der Europäischen Rundfunkunion als Redner vor Vertretern von ARD über SRG bis BBC wiederfand und über die zehn goldenen Regeln der Produktion von Super Slow Motion und stereoskopischem 3-D referierte.

Erstes grosses Firmenjubiläum

Im August hat das Kamerawerk gemeinsam mit Kunden und Mitarbeitern sein Zehn-Jahre-Jubiläum gefeiert. Der Firma geht es gut, sie steht fest auf eigenen Beinen und die Zahlen stimmen. Und im Juli 2020 steht der nächste Meilenstein an. «Wir werden keine grosse Feier veranstalten, aber den Tag X sehr bewusst geniessen», verrät Claudio nicht ohne Stolz. Denn dann sind sie endgültig alle Schulden los: die bei der Bank und die bei Family and Friends.