Welche Risiken gibt es für Schweizer Unternehmen im Umgang mit China und was müssen sie hinsichtlich Decoupling beachten? Diese und weitere Fragen wurden in der kürzlichen Zoom-Live-Session mit Chinakenner Dr. Uli Sigg beantwortet. Im Rahmen des Förderkreis 92-Anlasses des Europa Forums Luzern hatten Mitglieder die exklusive Möglichkeit, sich mit ihm auszutauschen. Nebst geopolitischen und wirtschaftspolitischen Themen wurden konkrete Fragen zum Unternehmertum besprochen.

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Internet-Machtkampf

China verfolgt das Ziel der Eigenständigkeit und der technischen Autarkie. Durch den Tech-Krieg, in dem China und die USA um die Macht im Internet kämpfen, ist dieser Plan noch radikaler geworden. Mit dem Zukunftsplan «Agenda 2025» sollen Lücken geschlossen und dafür riesige staatliche Mittel locker gemacht werden. Das betrifft zum Beispiel die Halbleiter- (Prozessoren, Speicherchips) und Kommunikationstechnologie (5G bzw. 6G). Auch in der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Biotechnologie (z.B. Impfstoffe) will China die Führungsrolle übernehmen.

Für europäische Unternehmen bietet der Tech-Krieg zugleich Risiken und Chancen. Weil viele der Technologien, die China nutzen will, in Europa entwickelt werden, kann der jetzige Zustand durchaus als Opportunität gesehen werden. Möglichkeiten gibt es etwa im Bereich Umwelt, dem China grosse Priorität beimisst und ausländische Hilfe begrüsst. Wer eine Geschäftsbeziehung eingeht, sollte sich darüber hinaus die Frage stellen, ob er den potenziellen Gegner noch schneller aufbauen will, als es dieser selber könnte.

Drei Strategien für den Westen

Die von China angestrebte technische Autarkie bringt für Unternehmen aber auch riesige Herausforderungen mit sich. In Folge des Tech-Kriegs sind derzeit zwei Daten- und Kommunikationswelten am Entstehen. Amerikanische Geräte und Software werden durchgängig aus dem chinesischen System entfernt und umgekehrt. Experten sprechen dabei von digitaler Abkoppelung oder Decoupling. Für westliche Firmen, die in China Geschäfte machen, kommen für die Zukunft im Wesentlichen drei Strategien in Frage:

Desinvestieren: Unternehmen, die weniger Ressourcen haben und für die der chinesische Markt weniger bedeutend ist, ziehen sich zurück. Diese Strategie ist eher für KMU gedacht und kommt für die meisten Konzerne nicht in Frage.

Dual-Strategie: Unternehmen erstellen ein System, bei dem alle digitalen Komponenten in zwei separate Lieferketten unterteilt werden, eine für China und eine für den Rest der Welt. Das ist enorm teuer, würde aber zwei sehr belastbare Lieferketten schaffen. Da sich ein Ende des Tech-Kriegs aktuell nicht abzeichnet, ist diese Strategie vor allem für Segmente empfehlenswert, die unter geopolitischer Spannung sind (etwa Halbleiter).

Flexible Architektur: Unternehmen versuchen, Produkte und Komponenten zu erstellen, die so «technologieneutral» wie möglich sind, damit sie dann in beide Märkte eingeführt werden können. Unternehmen beziehen zudem Güter aus verschiedenen Regionen der Welt und passen die Lieferkette so den eigenen Bedürfnissen an. Diese Strategie erfordert genaues Beobachten der Standards, Datenwelten und der möglichen Sanktionen.

Wer sich näher über Decoupling und weitere Themen rund um China informieren will, für den ist die Handelskammer der Europäischen Union in China eine gute Anlaufstelle. Im Januar hat sie zusammen mit dem Mercator Institute for China Studies (MERICS) eine Studie veröffentlicht, die sich mit den Folgen von Decoupling befasst.

Grosser Informationsbedarf

Hans Hess, Präsident des Förderkreises 92, sieht zudem Schweizer Branchenverbände als Informationsvermittler. Dies, zumal das Umfeld sehr dynamisch ist und immer wieder neue Fragen aufwirft. Ein spezifischer Austausch für Verbandsmitglieder zu China könnte ihm zufolge auf Interesse stossen.

Der Anlass hat im Rahmen des Fördkreises 92 stattgefunden. Eine Teilnahme am Jahresprogramm des Förderkreis 92 ist den Mitgliedern vorbehalten. Möchten Sie ebenfalls Mitglied werden? Das Europa Forum Luzern freut sich auf eine Kontaktaufnahme.