Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kontakt mit künstlicher Intelligenz (KI)?

Mein erster Kontakt mit KI … Nun, ich denke, das hängt davon ab, wie wir KI definieren. Aber für mich war der Moment, der mir die Augen geöffnet hat, als ich das erste Mal Chat GPT und Perplexity nutzen konnte. Die Leichtigkeit, mit der man Informationen findet, neue Informationen erhält und die Informationen bekommt, die man für Entscheidungen benötigt, fand ich eine ziemlich überwältigende Erfahrung.

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Und wie oft nutzen Sie diese Tools heute – privat und beruflich?

Ich nutze Perplexity und Chat GPT beide sehr intensiv. Auf meinem Handy verwende ich zudem den neuen Chat-GPT-Browser Atlas. Ich habe mich komplett von der Google-Suche abgewandt und erledige alles über diese beiden Plattformen. Grundsätzlich kann ich sagen: Diese Offenheit für Neues ist mir nicht fremd, ich war schon immer ein Early Adopter. Ich hatte auch das erste iPhone, bevor es in Europa erhältlich war – dafür bin ich extra in die USA geflogen.

Sie sind demnach eher ein experimenteller Nutzer?

Ich würde eher beim Early Adopter bleiben, egal um welche Technologie es geht.

Zur Person

Die Schweiz ist unternehmerisch ein spezieller Markt, er ist dominiert von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Wo machen SAP-Lösungen hier Sinn?

Es hält sich hartnäckig das Missverständnis, dass SAP nur grosse Unternehmen bedient. Fakt aber ist: Wir betreuen über 90 Prozent der Fortune-1000-Unternehmen, haben aber insgesamt 440'000 Kunden. Mehr als 400'000 dieser Kunden stammen aus dem Mittelstand, was zeigt, wie extrem wichtig dieser Sektor für uns ist. Solche kleineren Unternehmen bringen entscheidende Vorteile mit sich: Sie haben oft weniger Legacy und geringere Komplexität, was ihnen ermöglicht, Innovationen schneller umzusetzen. Wir sehen viele Beispiele, bei denen Kunden zur SAP Public Cloud wechseln, ihre Apps verbinden und damit den Grundstein legen, um mit Daten und KI richtig durchzustarten.

Was ist hier entscheidend?

Ein wesentlicher Wandel betrifft unsere Offenheit: Kunden haben uns gespiegelt, dass SAP in der Vergangenheit sehr «closed» war – was nicht SAP war, konnte man praktisch vergessen. Doch die Welt ändert sich, und wir passen uns den Kundenanforderungen und der Marktentwicklung an. Heute arbeiten wir in Partnerschaften mit Snowflake, Databricks, Google, Perplexity und vielen mehr. In der modernen Technologielandschaft kann man nicht in allem der Beste sein. Deshalb sind diese Partnerschaften so entscheidend.

Die Annahme, dass SAP nur etwas für Grosse sei, hängt sicher auch mit dem Kostenfaktor zusammen.

Ebenfalls ein Missverständnis. Gerade im Bereich von Start-ups sind wir sehr speditiv. Im Rahmen eines speziellen Programms stellen wir die Basis-ERP-Suite inklusive Personalabrechnung, Reisekosten und Spesen mit Concur sowie Finanzen und Beschaffung mit Ariba zur Verfügung. Ich komme selbst aus der Start-up-Welt. Wenn man als Start-up den Product-Market fit findet, zählt nur eins: Wie schnell kann man wachsen? Start-ups wollen keine Einzellösungen implementieren und sie dann integrieren müssen. Sie wollen eine End-to-End-Business-Suite, die einfach zu integrieren ist und Mehrwert liefert.

Wie ist das umsetzbar?

Wir arbeiten mit grossen Venture-Capital- und Private-Equity-Firmen sowie mit Investmentbanken zusammen. Alle kommen mit dem gleichen Anspruch: «Wir machen ein Funding A oder B mit einem Start-up. Jetzt sollen sie sich auf das Wachstum konzentrieren. Könnt ihr ein Template für alles liefern, was sie im Backoffice und im Frontoffice brauchen?» Das gibt Sicherheit, denn die Investoren wissen, sie haben eine gute und robuste Software und können den Berichten vertrauen, die dabei herauskommen.

Start-ups starten immer bei «point zero». Das macht es einfacher. Aber in der Schweiz gibt es viele Traditionsunternehmen mit einer langen Vergangenheit. Wie gehen Sie hier mit der generisch gewachsenen IT-Landschaft um?

Damit sind wir bei der Brownfield-Greenfield-Diskussion. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich jedoch für den Greenfield-Ansatz. Sie verstehen, dass ein einfaches Lift-and-Shift eines hochgradig angepassten ERP in die Cloud keine Transformation ist und oft nicht den erhofften Mehrwert bringt. Sie sagen: «Lass uns diese einmalige Chance nutzen und auf Greenfield setzen.» Sie nutzen dabei Tools wie SAP Signavio, um festzulegen, wie die Best Practice in der Branche für einen Prozess wie Procure-to-Pay aussehen sollte, anstatt ihre aktuell ineffiziente, stark angepasste Methode beizubehalten.

Aber braucht es da nicht immer den Segen von oben?

Das Management kann diesen Clean-Core-Ansatz wünschen, um Tech Debt und Customization zu reduzieren. Aber dann kommt der Mitarbeiter, der seit 25 Jahren auf eine bestimmte Weise arbeitet, und sagt: «Was ich hier mache, muss ich morgen auch machen.» Vor ein paar Tagen war ich bei einem Round-Table-Gespräch in Asien, und der CFO sprach von einer «Transformationsstrategie 0-1-2».

Was hat er damit gemeint?

0 steht für null Anpassung. 1 bedeutet, dass eine Anpassung nötig ist, aber vom CFO genehmigt werden muss und nicht im Kernsystem implementiert, sondern als Erweiterung auf der Business Technology Platform (BTP) entwickelt wird. Und 2 ist dieser Aspekt: ein Zweierteam aus Business und IT. Der CFO hat dieses Projekt erfolgreich und im Budget abgeschlossen. Kunden akzeptieren heute, dass dies der Weg ist. Sie verstehen: Wenn sie nicht auf einen Clean Core umsteigen, wird es schwieriger, von KI-Innovationen zu profitieren. Das ist die notwendige Trajektorie.

Einen wichtigen Vorteil, den Sie nun bieten, ist die Baukastenlösung. Dank Cloud, Apps und Vernetzung können Sie jedem Kunden ein eigenes System zur Verfügung stellen.

So ist das. Stellen Sie sich ein produzierendes Unternehmen vor: Es gibt eine Unterbrechung in der Lieferkette. Wenn man dafür 25 verschiedene Applikationen im Einsatz hat – was bei einigen Unternehmen der Fall ist –, ist es unmöglich, rechtzeitig zu reagieren. Die landen in Excel-Tabellen, die Kosten explodieren. Wenn aber alle Apps harmonisiert und integriert sind, kann ich bei einer Unterbrechung sofort den Produktionsplan neu anpassen und weiss, welche Kunden ich nicht beliefern kann. In dem Fall kann ich ein Zuweisungs-Framework anwenden und die Kunden informieren oder ihnen Alternativen anbieten. Ohne eine harmonisierte Applikationslandschaft ist das undenkbar.

Womit wir wieder bei den Daten sind.

Alle Anwendungen sind sehr datenreich. Wenn Sie Anwendungen in der Beschaffung und Lieferkette auf Non-SAP-Systemen betreiben, haben Sie unterschiedliche Datendefinitionen. Doch wie wollen Sie das für KI verknüpfen? Kunden sehen, dass die Harmonisierung den Weg zur KI erleichtert. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass Best-of-Suite-Anbieter wie wir langfristig im Vorteil sind, besonders wenn es darum geht, aussagekräftige KI zu liefern. Für KI brauchen Sie robuste und zuverlässige Daten.

Klingt nach dem Blick in die Zukunft. Was erwartet uns dort beziehungsweise was sagt der Early Adopter?

Die KI-Entwicklung ist sehr schnell. Die eingebetteten KI-Anwendungsfälle in unseren Apps und die Agenten sind ein grosses Thema. Wir glauben, dass KI uns zum ersten Mal die echte Chance gibt, Geschäftsprozesse neu zu denken. Geschäftsprozesse sind heute oft noch sehr manuell, auch wenn Technologie genutzt wird. Mit KI sprechen wir über autonome Prozesse. Wie kommen wir zum Beispiel zur autonomen Lohnabrechnung? Zu autonomer Beschaffung, Einkauf, Sourcing? Wie stellen wir sicher, dass Nachfrage, Kundenaufträge und Prognosen immer mit der Beschaffung von Rohmaterialien verbunden sind? Das ist eine der spannendsten Möglichkeiten. Die zweite ist, dass die meiste KI, die Sie heute sehen, Produktivitätssteigerungen liefert. Das ist wichtig und gut. Wir aber fokussieren uns darauf, wie KI letztendlich die Gewinn- und Verlustrechnung oder die Bilanz eines Unternehmens beeinflusst. Wir glauben, dass der KI-Wettlauf von den Softwareunternehmen gewonnen wird, die sich mit ihren Kunden zusammensetzen und sagen können: «Ich habe Ihr Ebitda um x verbessert.» Dann werden die CEOs wirklich begeistert sein.