Die Abhängigkeit von grossen ausländischen Cloud-Diensten hat Konsequenzen. Das wurde gerade kürzlich wieder augenfällig: Der Ausfall beim Cloud-Dienst eines führenden Internetdienstleisters legte Mitte Oktober zahlreiche Websites, Apps und Services lahm. In der Schweiz gehören unter anderem die Bundesverwaltung, Banken und viele Unternehmen zu den Kunden. Wie ein anderer Vorfall am internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bereits früher in diesem Jahr gezeigt hat, stellt auch die Einflussnahme politischer Akteure eine immer grössere Gefahr für die digitale Unabhängigkeit dar.
Marc Beierschoder, Partner und AI & Data Lead, und Bastien Girod, Partner für Nachhaltigkeit und Resilienz, Deloitte Schweiz, Zürich
Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig eine sogenannte Sovereign Cloud ist – also eine Cloud, die über hiesige Rechenzentren läuft, nationalen Gesetzen unterliegt, nationalen Sicherheitsstandards folgt und vor ausländischen Zugriffen bestmöglich geschützt ist. Was gut klingt, bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Mit über neunzig Rechenzentren gehört die Schweiz schon heute zu den dichtesten Cloud-Standorten Europas. Und ihr Strombedarf wird sich in den nächsten Jahren weiter stark erhöhen – unter anderem wegen zunehmender Nutzung von KI-Anwendungen und des vermehrten «Onshorings» digitaler Dienstleistungen. Ohne Koordination zwischen Bund, Kantonen, Energieversorgern und der Wirtschaft drohen Kapazitätsengpässe.
Politisches und behördliches Handeln ist gefragt
Vor diesem Hintergrund sind auch Politik und Behörden gefordert: Sie sollten sich aktiv für einen Ausbau von Energieangebot und Netz einsetzen. Die öffentliche Hand kann beispielsweise durch Anker-Investitionen, gemeinsame Beschaffungsprogramme und Public-Private-Partnerschaften die Planungssicherheit erhöhen – analog zu erfolgreichen Energie- und Mobilitätsprojekten. Ebenfalls wichtig sind schnellere Bewilligungsverfahren für Rechenzentren, die Nutzung bestehender Industrieareale sowie die Einbettung des Themas in die Raumplanung und die Energiestrategie 2050+. Diese Massnahmen sind aus Souveränitätsgründen sinnvoll und steigern gleichzeitig die Resilienz unserer Wirtschaft.
Auf der Nachfrageseite können die Firmen dazu beitragen, dass keine Deckungslücke entsteht. Drei zentrale Ansätze: Erstens brauchen Firmen Strategien, um KI effizient zu nutzen und gezielt einzusetzen – indem sie den Stromverbrauch im Auge behalten und ihn durch die Auswahl sparsamer Modelle optimieren. Zweitens müssen sie differenzieren, welche KI-Anwendungen zeitkritisch sind und welche nicht. Nicht zeitkritische Workloads könnten gezielt in Phasen mit hoher Wasserkraft- oder Solarproduktion verschoben werden. Und drittens gilt es, klar zu unterscheiden, welche Daten aus Gründen der Regulierung oder des Vertrauens in der Schweiz bleiben müssen – und wo hybride Modelle effizienter sind.
Rechenzentren liefern CO₂-neutrale Wärme
Hebel gibt es schliesslich auch in den Rechenzentren selbst: Indem die Betreiber auf hocheffiziente Chips setzen, können sie die Rechenleistung ohne zusätzlichen Energiebedarf erhöhen. Weiter wären modulare Mikrorechenzentren zum Beispiel für den ländlichen Raum eine flexible Ergänzung der bestehenden Infrastruktur. Sinnvoll ist auch der Einsatz von Flüssig- und Immersionskühlung oder die Nutzung der Abwärme von Rechenzentren – sofern diese mit erneuerbarer Energie betrieben werden.
Ein Beispiel: Vantage Data Centers plant in Volketswil den Bau eines neuen Rechenzentrumscampus. Das Unternehmen Energie 360° will dessen Abwärme nutzen, um in den umliegenden Gemeinden über siebentausend Haushalte mit CO2-neutraler Wärme zu versorgen. Solche Konzepte könnten auch in Kantonen wie Aargau und Waadt oder andernorts im Kanton Zürich umgesetzt werden, wo Wärmenetze und interessierte Energieversorger bereitstehen.
Es braucht die Zusammenarbeit
Daraus lässt sich als Fazit ableiten: Für eine Sovereign Cloud müssen Staat und Wirtschaft zusammen eine Strategie für Energie- und Datensouveränität definieren. Damit soll Best Practice sichergestellt, Flexibilität gewahrt und gleichzeitig das Vertrauen der Bevölkerung gestärkt werden. Denn die Schweiz verfügt über alles, was digitale Souveränität braucht – stabile Energie, verlässliche Institutionen und eine hohe Glaubwürdigkeit. Jetzt gilt es, diese Stärken zu verbinden und eine nachhaltige Cloud-Infrastruktur aufzubauen, die sowohl wirtschaftliche Unabhängigkeit als auch gesellschaftliche Akzeptanz sichert.
