Wer auch immer den Mythos in die Welt gesetzt hat, dass man in den ganz feinen Restaurants nie richtig satt werde, weil die Portionen winzig seien, der war nie in Tinqueux, nie im «Assiette Champenoise». Allein die vielen Kleinigkeiten zum Aperitif: Man wäre ganz schön voll, wenn man alle verputzte und auch noch das hausgebackene Brot aufässe. Später kommen, damit nur ja niemand nachts noch die Minibar plündern muss, reichlich Pralinen, Berge von Fruchtgelees, Batterien von Cannelés!

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Satt wird man auch in anderen Sterne-Restaurants Frankreichs, doch in Arnaud Lallements feudalem Restaurant in einem Vorort von Reims ging es immer schon opulenter zu als anderswo. Ambitionierter auch. Spätestens seit Monsieur Lallement 1997 in den Betrieb seines Vaters einstieg, in einen Klassiker unter den gastronomischen Betrieben der Champagne, der allerdings zu jener Zeit ein bisschen angestaubt war. Rasch kam der erste Stern, und als auch der zweite da war, raunte man sich in der Reimser Gourmetszene zu, dass sich Lallement wohl nicht zufriedengeben würde mit dem Erreichten, dass er ganz an die Spitze wolle. Stimmt. Anfang 2014 machte die Nachricht vom dritten Stern die Runde. Die «Assiette» war angekommen im Olymp der französischen Gastronomie.

Ob Arnaud Lallement ein bisschen ruhiger geworden ist, seit er zum wiederholten Male die Höchstnote ergattert hat und auch von fast allen anderen Profiessern gewürdigt wird? Oh, ja. Und weil er sich nichts mehr beweisen muss, ist die «Assiette» besser denn je – und scheut nicht den pointierten Geschmack. Die Jakobsmuscheln sind kross angebraten und nicht, wie sonst, aus lauter Scheu vor verpassten Garzeiten bloss sanft gedünstet.

Die Saucen haben Pep, knackige Säure ist gern gesehen, auch die anderswo verpönten Bitterstoffe ergänzen da und dort das Mahl. Lallements blauer Hummer zeigt Produktperfektion, von der Wild-Tourte kann man nicht genug bekommen. Und dann der Käse. Welche Sorte am besten passt zum in der Umgebung gekelterten Wein? Alle natürlich. Champagner ist wie gemacht, um den Fourme d’Ambert zu begleiten, den intensiven Epoisses, den cremigen Langres.

Apropos Champagner. Auf der weit über 3000 Positionen umfassenden Weinkarte stehen sie natürlich fast alle. Hunderte und Aberhunderte Sorten aus der Region. Abfüllungen von Kultwinzern wie Alexandre Chartogne und Anselme Selosse, bei denen man als Neukunde oder Neukundin gar nicht klingeln muss, so ausverkauft sind sie.

Grosse Namen wie Dom Pérignon und Cristal, Jahrgang um Jahrgang. Weil Chefsommelier Frédéric Bouché seit Ewigkeiten im Haus ist, weiss er genau, dass man auch beim Fleischgang nicht auf einen der vielen ebenfalls vorhandenen Burgunder ausweichen muss, sondern beim Champagner bleiben darf. Wäre es nicht November, sondern Sommer, könnte man die erste Flasche auf der Terrasse trinken – als Aperitif, bevor man die zweite am Tisch öffnen lässt.

Nur zum Dessert empfiehlt sich der Umstieg auf eine Spezialität, die ausserhalb der Champagne nur wenig bekannt ist: Der Ratafia, eine Mischung aus Testerbrand und Traubensaft, duftet verführerisch rosinig, gleitet seidig-süss den Gaumen hinunter. Und dann ist auch schon Monsieur Lallement da, nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Charmant erkundigt er sich nach der Herkunft der Gäste, plaudert über langjährige Beziehungen zu Rindfleisch- und Geflügelzüchtern, zum Kaviarproduzenten vom Ufer der Gironde und von den Fischern in der Bretagne. Gastfreundschaft ist, das wird nun klar, dem Chef mindestens so wichtig wie die Meinung des Guide Michelin.

Spätestens am nächsten Morgen, beim ebenso opulenten wie hochklassigen Frühstück, wird klar, um was es sich handelt beim «L’Assiette Champenoise». Um ein bemerkenswert gut geführtes Restaurant, gewiss, aber in erster Linie um einen Ort, an dem Genuss auf eine Weise selbstverständlich ist, wie man es nicht mehr häufig erlebt.

Für Geniesser

Drei-Sterne-Restaurant

> L’Assiette Champenoise. www.assiettechampenoise.com
Das Restaurant hat am Dienstag und Mittwoch -geschlossen. Menus kosten ab 145 Euro (mittags)
beziehungsweise ab 255 Euro (abends).

 

Weitere Tipps für die Champagne

> Brasserie mit grossartiger Weinauswahl und
in Ratafia -marinierter Foie gras: Brasserie du Boulingrin.
www.boulingrin.fr

> Elegantes Restaurant mit zwei Sternen: Les Crayères. www.lescrayeres.com

> Bed & Breakfast der Luxusklasse – Champagner zum Frühstück inklusive: Le 25bis by Leclerc Briant. -
www.le25bis.com