Geschäftsmodelle etablierter Firmen stehen unter starkem Druck. Harter Wettbewerb, disruptive Technologien und vor allem ein rasanter Wandel des Kundenverhaltens gelten als Hauptgründe. Der Kunde steckt in einer nie zuvor dagewesenen Empowerment- und Emanzipationsbewegung, die von jedem einzelnen ausgeht. Er sammelt digitale Erfahrungen, transferiert sein neues Wissen in all seine Lebensbereiche, ist wohlinformiert und wird anspruchsvoll. In einigen Branchen wird er als Prosumer sogar Teil des Ganzen. Als Antwort rufen CEO gern die Maxime «customer first» aus. Wie das jedoch umgesetzt werden soll, ist unklar. Statt Silos abzubauen, werden neue hinzugefügt. Die Inflation neuer Funktionen zeigt das: Es gibt den Chief Digital Officer, den Chief Innovation Officer, den Chief Customer Delight Officer, den Chief Transformation Officer, den Chief Information Officer und demnächst sicher auch den Head of Artificial Intelligence. Das Risiko steigt, sich vom Kunden zu entfernen statt sich ihm zu nähern. Um Kunden Die Customer-first-Maxime spürbar zu machen, muss sie die Organisation top-down und bottom-up durchdringen. Konsequent umgesetzt, ändert sich die Denkrichtung um 180 Grad und stellt damit das etablierte Geschäftsmodell oft auf den Kopf. Nicht mehr hart erarbeitete Erfolge wie Technologieführerschaft, Marktdominanz oder investierte Assets wirken als Treiber, sondern die Kunden. Damit «customer first» nicht zum Schlachtruf ins Leere wird, sondern zur Next Practice, bewähren sich folgende Grundsätze:
1. Der CEO agiert als aktiver Mitgestalter und nicht aus dem Steering Committee heraus.
2. Die Realität des Kunden einschliesslich seiner Pain Points wird authentisch, unvoreingenommen und faktenbasiert erfasst.
3. Die Value Proposition wird konkret und inspirierend definiert, fast schon als Sales Story, und als Leitstern für Strategien genutzt.
4. Der CEOinitiiert funktionsübergreifende Leuchtturmprojekte mit Kundenmehrwert im Fokus.
5. Die Innovationspipeline wird konsequent auf die erkannten Kunden-Pain-Points ausgerichtet.
6. Der Kunde bleibt während der Lösungsentwicklung mit am Entscheidungstisch. Beim Krankenversicherer Swica hat Reto Dahinden, CEO, ein solches Transformationsprojekt initiiert. Er spürt, dass sich Einstellungen und Vorstellungen von Versicherten wandeln und er die bestehende Positionierung von Swica weiterentwickeln muss. Aus einer starken Marktsituation heraus hinterfragt er die bis dato verfolgte Value Proposition von Swica als Gesundheitsorganisation. Gerade weil diese Positionierung so erfolgreich ist und intern viele Vertreter hat, ist ihm die unvoreingenommene Sicht der Versicherten als faktenbasierte Leitschnur wichtig. Er initiiert ein Leuchtturmprojekt, basierend auf CFI (Customer Focused Innovation). Dieses Framework kombiniert Ansätze aus Verhaltenspsychologie, Strategieentwicklung und Innovationsmanagement und schafft mit der Jobs-to-be-done-Logik einen zügigen Perspektivenwechsel zur Kundensicht hin.
 

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Drei Kernfragen

Die Kernfragen dieses Initialprojekts lauten:Was bedeutet «gesund bleiben» oder «gesund werden» für Menschen? Welche Erwartungen, Motivationen und Schmerzpunkte entstehen bei Versicherten, wenn sie diese Ziele verfolgen? Welche Swica- Leistungen bringen tatsächlich viel und welche wenig differenzierenden Kundenmehrwert? Es wurden vierzig explorative Tiefengespräche durchgeführt. Der Clou: Die Gesprächspartner wissen nicht, dass es um eine Krankenkasse geht. Weit über hundert überraschende Kundenerwartungen entlang der Reise «gesundwerden» und «gesund bleiben» öffnen die Augen des Projektteams. Eine quantitative Validierung mit 240 Menschen aus der Zielgruppe ermittelt die grössten Pain Points. Alle bestehenden Leistungen und geplanten Initiativen werden frisch aus dieser Kundensicht überprüft. Drei Grossprojekte werden beschleunigt und bereichsübergreifend verankert. Die künftige Value Proposition wird formuliert, im VR verabschiedet und die Agentur neu gebrieft. Dahinden: «Seit wir diese Fakten zur Kundensicht auf dem Tisch haben, fallenuns Entscheidungen zu Prioritäten und zukünftigen Initiativen viel leichter. Mir ist mit den gewonnen Insights zudem klar geworden, wie konkret sich eine Vision für Swica entwickeln lässt, die nach innen und aussen wirken kann und muss.» Es gibt viele Ansätze, «customer first» vom Schlachtruf in eine Unternehmensstrategie der permanenten Erneuerung zu entwickeln. Sie müssen nicht gleich die gesamte Organisation einbinden, aber immer möglichst konkret und greifbar die Kundenprobleme sichtbar machen. Besonders erfolgversprechend wird es, wenn der CEO sich auch als Marketeer versteht und Klarheit darüber schafft, wer den Kunden in der Organisation vertritt.