Wie sind Sie ins Büro gekommen?

Mit dem ETH-Shuttle und zu Fuss.

Mit beruflichen Hintergedanken oder aus Überzeugung?

Beides. Ich nutze das Shuttle regelmässig, und es hat aktuell auch mit einem Schwerpunkt meiner Arbeit zu tun.

Die E-Bike-City. Eine dreijährige Studie über die Stadt Zürich, die Sie mit sechs weiteren Professoren der ETH im letzten Jahr gestartet haben.

Genau. Ein grosses Projekt, bei dem wir uns überlegen, wie eine Stadt funktionieren würde, wenn E-Bikes das zentrale Verkehrsmittel der Stadt sind. E-Bike-City heisst gleichzeitig aber auch immer Fussgängerstadt – letztlich eine Stadt mit viel öffentlichem Verkehr (ÖV). Die Betonung liegt hier ganz klar auf den langsamen Verkehrsmitteln. Es geht um eine simulationsbasierte Studie und die Vorbereitung der entsprechenden Entwurfsrichtlinien und Entwürfe, wie so eine Stadt mit einem CO₂-neutralen Verkehr funktionieren könnte.

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Warum E-Bike-Studie und nicht einfach Velo-Studie?

Wir haben uns für das E-Bike entschieden, weil dieses Fahrzeug auch für ältere Menschen oder für Menschen, die nicht so fit sind, eine Option ist. Damit können wir einen viel grösseren Teil der Bevölkerung erreichen und auch fitten Menschen ermöglichen, täglich grössere Distanzen zu bewältigen.

Was ändert sich durch die E-Bike-City für Autofahrer und Autofahrerinnen?

Für Autos wird es einen massiven Rückbau der Strassen geben, da wir im Konzept dem Autoverkehr 50 Prozent des Platzes wegnehmen. Einfach, um sicherzustellen, dass die Velofahrerinnen und -fahrer genügend Platz haben und sich sicher fühlen können.

Wenn ich einen Herzinfarkt habe, kommen dann die Rettungssanitäter mit dem Lastenfahrrad?

Es wird natürlich weiterhin Strassen für Rettungswagen geben. Genau solche Fragen gehören zu unserer Studie, nämlich die Erkennung und Analyse der Folgen, wenn wir uns für eine E-Bike-City entscheiden. Zum Beispiel: Wo stellen wir die ganzen Autos hin, wo können die Velos parken, was passiert mit dem ÖV, was passiert mit den Lieferdiensten, was passiert mit den Blaulichtdiensten? Wie sieht der Strassenraum denn dann aus, wenn man ihn so massiv umgestaltet? Für diese Fragen wollen wir Lösungen finden.

Ist das E-Auto nicht schon die Lösung für einen CO₂-neutralen Verkehr?

Selbst wenn wir künftig fossil betriebene Autos sukzessive durch E-Autos ersetzen, werden die Emissionen des Verkehrs nicht schnell genug gegen null gehen. Die Nutzung des E-Autos ist zwar weitgehend CO₂-neutral, aber die Herstellung eben nicht.

Kay Axhausen

Kay W. Axhausen

Quelle: ZVG

Der Verkehrsplaner

Name: Kay W. Axhausen

Funktion: Professor im Departement Bau, Umwelt und Geomatik, Lehrstuhl für Verkehrsplanung, ETH Zürich

Karriere Kay W. Axhausen ist seit 1999 Professor an der ETH Zürich. Vorherige berufliche Stationen waren die University of Oxford, das Imperial College in London und die Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Messung und Modellierung des Verkehrsverhaltens, Verkehrstagebücher, Stated-Response-Ansätze, Entscheidungsmodelle und Mikrosimulation. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift «Transportation»

Wann kommen die Ergebnisse?

Im Juni wird es eine Jahresveranstaltung geben, an der wir erste Sachen zeigen werden. Wir werden Ideenskizzen zeigen, aber noch keine grossen numerischen Aussagen machen. Der grosse Schlussbericht wird in rund zweieinhalb Jahren erwartet.

Städte, die schon recht weit sind beim Veloausbau?

Die bekannten Fälle sind Münster, Karlsruhe, Kopenhagen oder Amsterdam. Dort wird viel Velo gefahren, aber es handelt sich überwiegend um eine Umverteilung in dem Sinne, dass die Velofahrenden weniger zu Fuss gehen oder den ÖV weniger nutzen als vorher ohne Velo. Die grosse Herausforderung ist immer, die Autofahrerinnen und Autofahrer zu erreichen. Die Menschen zu überzeugen, dass auch andere Verkehrsmittel sicher und bequem sind, ist in diesen Städten auch noch nicht gelöst, insbesondere im Hinblick auf die CO₂-Problematik.

Wird Ihr Modell so attraktiv, dass Autofahrende umsteigen?

Wahrscheinlich erst mal nicht, dessen sind wir uns bewusst. Aber wir hoffen schon, dass wir mit unserem Modell die Menschen zum Nachdenken anregen können. Das Ganze ist ein Prozess. Wir wissen, dass wir die Klimaziele nicht erreichen, wenn wir nur aufs Elektroauto setzen oder den ÖV weiter ausbauen. Wir wollen einfach ein sehr anschauliches Positivbeispiel geben, wie eine klimaneutrale Verkehrspolitik aussehen könnte.

Welche Bedeutung sehen Sie für autonome Fahrzeuge?

Wir glauben nicht, dass autonome Fahrzeuge für die Stadt der Zukunft ein grosser Vorteil sein werden. Sie würden wahrscheinlich den Verkehr noch weiter anwachsen lassen, da es für Menschen möglich wird, Autos zu nutzen, die diese Möglichkeit heute nicht haben. Und ob zusätzliches Sharing autonomer Kleinbusse dem heutigen ÖV Vorteile bietet, davon sind wir auch nicht überzeugt.

Wenn Ihnen morgen eine Stadt freie Hand in der Verkehrsplanung lassen würde: Welche kurzfristigen Massnahmen setzten Sie um?

Ich würde dem Fahrradverkehr deutlich mehr Platz einräumen und anfangen mit einer rationalen Bepreisung der Parkplätze. So, dass sie der Nachfrage entsprechen. Zudem würde ich die Anzahl der Parkplätze reduzieren. Wo es noch nicht passiert ist, sollte die Priorisierung des öffentlichen Verkehrs an den Ampelanlagen erfolgen, um den ÖV noch attraktiver zu machen. Und dann würde ich die Strassenfinanzierung von der Mineralölsteuer auf eine kilometerabhängige Strassengebühr umstellen.