Anfang 2024 haben Sie und Ihr Bruder Oli die Weinhandlung Fischer in der fünften Generation übernommen. Wie fühlt es sich an, die Familiengeschichte weiterzuschreiben?

Einerseits verrückt, weil es nun ernst wird. Gleichzeitig fühlt es sich noch genau gleich an wie vor der Geschäftsübernahme: Ich sitze noch am selben Arbeitsplatz, spreche mit denselben Kunden und Lieferanten und besuche dieselben Anlässe.

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Haben Sie je an Ihrem Entscheid gezweifelt?

Nein. Obwohl wir mit dieser Entscheidung anscheinend nicht am Puls der Zeit sind. Viele Gleichaltrige bleiben heute für ein paar Jahre in ihrem Job und schauen dann weiter. Mein Bruder und ich hingegen verpflichten uns für 35 Jahre.

Wie viel haben Sie als Kinder von der Geschäftstätigkeit Ihrer Eltern mitbekommen?

Das Thema war omnipräsent. So sassen schon früher Produzenten aus diversen Ländern bei uns am Esstisch. Während unserer Ferien besichtigten wir immer auch Weinkeller oder Weingüter, und auch bei Mitarbeitendenausflügen waren Oli und ich von klein auf immer dabei.

Gab es eine gewisse Erwartungshaltung Ihrer Eltern bezüglich der Nachfolge?

Das Geschäft gibt es nun seit  vier Generationen, die Option schwang also ab Geburt immer mit. Aber unsere Eltern haben nie Druck ausgeübt, auch nicht indirekt.

Wann hat Ihre Familie mit der konkreten Nachfolgeplanung angefangen?

Das war 2014, also genau vor zehn Jahren. Die vierte Generation gleiste den Prozess gemeinsam mit dem Treuhandbüro rechtzeitig auf. Wir sind ihnen wahnsinnig dankbar dafür, dass sie das so vorbildlich aufgezogen haben.

Wie lief der Prozess im Detail ab?

2014 gab es ein unverbindliches Treffen aller fünf Kinder aus den Ehen der beiden Geschäftsleiter. Wir waren damals zwischen 18 und 23 Jahre alt und alle in Ausbildung. An diesem Treffen wurde uns der Fahrplan vorgestellt und damit auch die Deadline, bis wann wir uns entscheiden mussten.

Welche Gedanken gingen Ihnen dabei durch den Kopf?

Mein Bruder und ich konnten uns schon immer sehr gut vorstellen, in der Weinbranche zu arbeiten.

Wie ging der Prozess weiter?

Wir trafen uns einmal im Jahr und tauschten uns aus, wo wir im Leben stehen. Das lief fünf Jahre so, teils mit Begleitung des Treuhandbüros. Die Nachfolge war immer ein Thema: Könnten wir uns das vorstellen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Standen auch alternative Nachfolgeszenarien zur Debatte, etwa ein Verkauf an Dritte?

Das war von Anfang an eine Option in diesem Zehnjahresplan. Aus diesem Grund gab es für uns ja auch eine Entscheidungs-Deadline.

Auf wann wurde diese festgesetzt?

Auf 2020. Bis dann wollte die vierte Generation wissen, ob es eine interne Nachfolge gibt oder ob sie extern eine Lösung suchen sollen.

Gab es davor noch weitere Meilensteine?

2018 gab es ein «Crash-Szenario» für alle fünf Kinder. An diesem Workshop wurde eruiert, wie gut wir die Firma bereits kennen. Für den Fall, dass unsere Eltern tödlich verunglückt wären.

Was war die Erkenntnis daraus?

Da wir alle mit und um das Geschäft aufgewachsen sind und viele langjährige Mitarbeitende im Unternehmen tätig sind, hätten wir diese Herausforderung gut gemeistert.

Was folgte dann?

2019 fand ein weiterer Workshop statt, an dem wir alle einen Businessplan pitchen mussten.

Ab wann war für Oli und Sie klar, dass Sie das Familienunternehmen weiterführen wollen?

Das hat sich innerhalb dieser zehn Jahre immer stärker herauskristallisiert.

Die Weinkennerin

Name: Anna Fischer
Funktion: Co-Geschäftsleiterin Fischer Weine Sursee
Alter: 33
Wohnort: Sursee LU
Ausbildung: Betriebswirtschaft an der Hochschule Luzern

Unternehmen: Die Weinhandlung Fischer (gegründet 1882) blickt auf eine über 140-jährige Tradition zurück. Das Sortiment des familiengeführten Unternehmens in Sursee umfasst über 1300 Weine und Spirituosen. Das Angebot richtet sich an den privaten Weinfreund sowie an Restaurants und Vinotheken in der ganzen Schweiz.

Haben Sie Ihre Ausbildung Ihren Geschäftsabsichten angepasst?

Wir hatten beide schon immer Freude an Wein. Oli hat in Geisenheim (D) Weinwirtschaft studiert, eine Kombination aus Önologie- und Betriebswirtschaftsstudium. Ich habe an der HSLU BWL studiert, zwei Praktika auf Weingütern absolviert und besitze einen Abschluss als Weinfachfrau (WSET 3).

Wann sind Sie ins Familiengeschäft eingestiegen?

Irgendwie waren wir immer ins Geschäft involviert. Ich führte diverse Events durch, half an Messen und im Laden aus und organisierte Weinbasiskurse. Fix eingestiegen bin ich aber erst, als klar war, dass Oli und ich das Geschäft übernehmen werden. Das war vor dreieinhalb Jahren.

Und Oli?

Er stieg erst vor etwas mehr als einem Jahr ins Geschäft ein.

Wie haben Ihre Eltern Sie auf den Job vorbereitet?

Wir konnten uns schon früh ein Bild davon machen, was es bedeutet, wenn wir das Geschäft übernehmen. Den Managementteil habe ich mir in den vergangenen drei Jahren angeeignet.

Und, fühlen Sie sich fit für die Aufgabe?

Ja. Aber mein Vater bleibt ja noch im Geschäft, einfach mit reduziertem Pensum. Es ist gut zu wissen, dass da noch jemand ist, der dreissig Jahre Erfahrung mitbringt.

Was ist nun der nächste Schritt?

Das Treuhandbüro hat eine Firmenbewertung vorgenommen und Oli und mir einen berechneten Verkaufspreis geschickt. Und nun verhandeln wir.

Womit rechnen Sie?

Ich hoffe, dass wir uns einig werden. Bei Familiennachfolgen schwingen wohl noch mehr Emotionen mit als bei einer externen Nachfolgelösung. Schliesslich soll unser gutes Familienverhältnis auch nach den Verhandlungen weiter bestehen.

Was sieht der Plan für den finanziellen Teil der Geschäftsübernahme vor?

Mein Vater und mein Onkel besitzen die Firma zu gleichen Teilen. Für die Hälfte meines Onkels nehmen wir ein Bankdarlehen auf und zahlen damit seinen Aktienanteil direkt aus.

Was passiert mit der Hälfte Ihres Vaters?

Oli und ich erhalten zusammen 50 Prozent seiner Aktien als Schenkung respektive Erbvorbezug. Die andere Hälfte zahlen wir unserem Vater zurück, sobald wir die Bankschuld amortisiert haben.

Wie sieht es mit den Kompetenzen aus? Wie viel haben die Vorgänger noch zu sagen?

Das haben wir im GL-Protokoll schriftlich festgehalten. Trotzdem kommt es ab und zu noch zu Diskussionen.

Gab es je Meinungsverschiedenheiten zur Frage, wie die Firma künftig geführt wird?

Klar! Alles andere wäre gelogen. Aber in den allermeisten Fällen lässt uns die vierte Generation viel Raum und Freiheiten, auch wenn sie vielleicht anderer Meinung ist.

Wo ecken Sie am häufigsten an?

Interessanterweise sind die Vorgänger für grosse, komplett neue Ideen meistens offener als für kleine Anpassungen in Prozessen, die sie jahrelang gepflegt haben. Das wird dann teilweise eher als Affront für Bestehendes angesehen.

Wollen sie Sie vor Fehlern bewahren?

Das kann sein. Aber ich finde, man soll auch mal «den Grind anschlagen» dürfen. Wir lernen nichts, wenn wir keine Fehler machen dürfen.

«Ich finde, man soll auch mal ‹den Grind anschlagen› dürfen. Wir lernen nichts, wenn wir keine Fehler machen dürfen.» Anna Fischer, Geschäftsleiterin Fischer Weine Sursee 

 

Gibt es Dinge, die Sie anders machen werden als Ihre Eltern?

Wir versuchen, so konstant wie möglich zu bleiben, aber trotzdem unsere Handschrift zu hinterlassen. So werden wir dieses Jahr eine neue Website und einen neuen Webshop lancieren – unsere erste grosse Investition. Mit dem neuen Webshop werden auch das Logo minimal angepasst und gewisse Printsachen aufgefrischt.

Ein neuer Webshop ist sinnvoll, aber Weine werden doch idealerweise vor dem Kauf verkostet – was nur vor Ort funktioniert.

Unser Ziel ist, Erlebnisse zu schaffen. Darum führen wir viele Events durch, damit die Leute uns und den Wein erleben können. Genauso wichtig ist es aber, eine moderne Online-Präsenz zu haben, um zum Beispiel die Leute, die einen Event besucht haben, aber vielleicht nicht in der Nähe wohnen, abholen zu können.

Haben Sie je daran gedacht, Ihren eigenen Wein zu keltern?

Wir sind seit mehreren Generationen Weinhändler, nicht Winzer. Das ist auch gut so. Dieses Jahr haben wir aber tatsächlich mit einem Winzer aus der Region einen Wein aus der weissen Rebsorte Aligoté gemacht. Der ist jetzt noch im Fass. Ich bin gespannt, wie er schmecken wird.

Welches ist Ihr Lieblingswein?

Ich trinke gerne verschiedene Weine und bin offen für Neues. Ich könnte mich nie auf einen Lieblingswein festlegen. Und wenn ich das mal kann, dann habe ich die Leidenschaft für dieses Produkt verloren. (schmunzelt)