In einer Zeit, in der ESG-Produkte immer mehr an Glaubwürdigkeit verlieren, kann Mikrofinanz als pragmatische und wirkungsorientierte Investitionsalternative überzeugen – mit konkretem Impact, realwirtschaftlicher Teilhabe und langfristig stabilen Erträgen. Und der Markt zeigt: Die Anleger sind offen für neue Chancen. 

Der Autor

Johannes Feist, CEO, Mikro Kapital, Luxemburg

Auf der Suche nach Alternativen

Das Angebot an nachhaltigen Anlagen wächst rasant – seit Jahren. Gleichzeitig oder vielmehr verstärkt wächst die Skepsis. Viele ESG-Produkte bleiben in ihrer Wirkung unklar: Sie basieren auf Ratings, deren Kriterien nicht einheitlich sind, gehören Labels an, deren Aussagekraft begrenzt ist, und machen Werbeversprechen, die selten mit überprüfbaren Resultaten hinterlegt werden. Vielen Anlegern stellt sich deshalb die Frage, wie sich Kapital heute tatsächlich verantwortungsvoll und wirksam investieren lässt – jenseits wohlklingender ESG-Klassifizierungen.

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Mikrofinanz bietet einen anderen Ansatz. Statt auf börsenkotierte Grossunternehmen und aggregierte ESG-Scores zu setzen, zielt Mikrofinanz auf die reale wirtschaftliche Basis: Kredite im Umfang von wenigen Hundert bis wenigen Tausend Euro gehen an Selbstständige und Kleinunternehmer in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort, wo klassische Banken oft nicht präsent sind, ermöglicht Mikrofinanz auf diesem Weg unternehmerische Initiative – und schafft Einkommen, Stabilität und Perspektiven vor Ort.

Wirkung, wo sie tatsächlich gebraucht wird

Die Wirkung dieser Kredite ist nicht theoretisch, sondern konkret messbar. Laut dem «Impact Report 2024» des europäischen Mikrofinanzanbieters Mikro Kapital, der in Zusammenarbeit mit der auf Wirkungsmessung spezialisierten Beratungsfirma Steward Redqueen erstellt wurde, wurden im vergangenen Jahr rund 55’000 Mikrokredite in über 15 Ländern vergeben – darunter Moldawien, Armenien, Usbekistan oder Kirgistan. Der durchschnittliche Kreditbetrag betrug etwa 3100 Euro. 42 Prozent der Mittel flossen in den Handel, 23 Prozent in die Landwirtschaft – zwei Sektoren mit direktem Beschäftigungseffekt und lokaler wirtschaftlicher Hebelwirkung.

Während ESG-Produkte wie angesprochen häufig auf Ratings basieren, deren Wirkung schwer überprüfbar ist, basiert Mikrofinanz auf klar messbaren Resultaten. In der Praxis werden soziale und wirtschaftliche Indikatoren systematisch erhoben – etwa der Zugang zu Sozialversicherung, die Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze im familiären Umfeld oder die Stabilisierung des Haushaltseinkommens. Die Daten zeigen, dass mehr als die Hälfte der Kreditnehmer zuvor keinen Zugang zu formalen Bankdienstleistungen hatte.

Ein resilienter Baustein für langfristige Portfolios

Auch aus finanzieller Sicht überzeugt Mikrofinanz. Die Ausfallraten sind niedrig: 2023 lag die Quote notleidender Kredite über dreissig Tage bei lediglich 1,7  Prozent. Die Renditen gelten als stabil und weitgehend unkorreliert mit den globalen Kapitalmarktentwicklungen. Damit eignen sich Mikrokreditportfolios besonders für Anleger mit langfristigem Horizont – etwa für Pensionskassen, die in Zeiten hoher Volatilität nach resilienten Ertragsbausteinen suchen.

Besonders in Regionen mit schwacher Infrastruktur oder fragiler Regierungsführung leisten Mikrokredite einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung. In vielen Fällen werden sie über lokale Institute mit mobilen Beratern vergeben, die auch in abgelegene ländliche Regionen vordringen. Über 60 Prozent der Kreditnehmer leben in solchen ländlichen Gebieten – ein Hinweis darauf, dass Mikrofinanz dort Wirkung entfaltet, wo konventionelle Finanzsysteme ausfallen.

Kapital kann – richtig eingesetzt – zur wirtschaftlichen Integration beitragen. Mikrofinanz steht exemplarisch für eine Form des Investierens, die konkrete Wirkung vor Ort mit solider finanzieller Logik verbindet. Anlegern, die Substanz über Etikettierung stellen, bietet sie eine reale Alternative zum ESG-Mainstream – transparent, überprüfbar und resilient.