Während der rund dreissig Jahre der Globalisierung gab es bereits mehrere weltweite Krisen, die den Tourismus frontal angriffen. Vor zwanzig Jahren beispielsweise – und aus dem gleichen Ursprungsland wie Corona – verunsicherte Sars die Branche. Dann folgte 2008 der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers und die anschliessende Finanzkrise. Und dann war ja noch 2010 der Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull. Aus heutiger Perspektive erschien dies jedoch nur als kurzfristiger Störfaktor. Aber die Tourismusbranche hat immer mal wieder gelitten und sich immer wieder aufgerappelt. Auch weil sich die Touristen und Touristinnen den Krisen ziemlich schnell angepasst haben, indem sie mit der Geografie spielten und sich neue Reiseziele aussuchten.

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Luzern leidet unter Corona

Mit Covid-19 war alles anders – und wir sind ja noch nicht über dem Berg. Abgesehen davon, dass die Pandemie schon seit bald drei Jahren stört. Die weltweite Tourismusbranche kam 2020 regelrecht zum Stehen, und noch sind nicht alle Auswirkungen korrigiert. Chinas Tourismusmassen sind aufgrund der restriktiven Politik fast komplett gestoppt, Japans Touristen und Touristinnen reisen kaum noch ins Ausland, und auch die Amerikanerinnen und Amerikaner hielten sich lange zurück. Länder wie die Schweiz, die stark vom Incoming-Tourismus abhängen, erlebten dramatische Einbrüche, wenn auch hierzulande wohl weniger schlimm als in anderen Destinationen. In unserem Land entwickelte sich immer ein Binnenmarkt; beispielsweise die Westschweizer, die plötzlich Luzern oder Andermatt entdeckten – oder die Stadtzürcher, die erstmals seit Jahrzehnten wieder Dörfer wie Grindelwald besuchten. Und dank den staatlichen Unterstützungsprogrammen und dem pragmatischen Vorgehen der Regierung, auch wenn dies nicht alle so sehen: Letztlich kam die touristische Schweiz einigermassen gut durch diese Krise.

Marcel Perren, ein Walliser aus Zermatt, kam 2006 nach Luzern und führt Luzern Tourismus seit 2007. Seine Sorgen gelten logischerweise der Leuchtenstadt und dem touristischen Angebot der Zentralschweiz. «Ich denke, dass die Auswirkungen der Pandemie noch bis 2025 spürbar sein werden. Denn sie führten zu einem klaren Einbruch der Nachfrage, währenddem sich das Verhalten der Kundinnen und Kunden im Kontext der Informationssuche schnell und substanziell geändert hat. Das fängt schon damit an, dass der Trend zu kurzfristiger Planung und Buchung stark zugenommen hat.»

Dass bedeutet, dass es für Reisebüros und Destinationsvermarkter immer schwieriger wird, die touristischen Geschäfte zu planen. Dann gibt es auch eine «neue» Nachfrage nach Gesundheit, Wellness und Sinnhaftigkeit – oder einfach Menschen, die nach der Krise bewusst die Natur suchen. Die ganze Schweiz erlebte beispielsweise einen Campingboom. Die Frage steht im Raum: Hat man von Sars und der Bankenkrise nicht lernen können? Perren verneint dies: «Trotz Risikoanalysen wurden wir alle vom Ausmass der Krise überrascht. Pandemien waren zwar auf allen Risiko-Maps aufgeführt, aber dass der Tourismus weltweit und vor allem gleichzeitig betroffen sein würde, war eine neue Erfahrung.» Agiles Management wurde plötzlich eine Kernkompetenz, die unter anderem Neuausrichtungen von Geschäftsmodellen auslöste. Dann sind die Fortschritte im Bereich der Digitalisierung beeindruckend, und – mit Auswirkungen auf die Zukunft – es gibt viel flexiblere Arbeitsmodelle. Zudem: Die Schere zwischen Billigreisen und Qualitätstourismus öffnet sich und manche Reisende sind bewusster damit einverstanden, für bessere Qualität auch mehr zu bezahlen.

Luzern will sich zukünftig stärker als Hub für die Region vermarkten

 

Für viele Bergresorts dürfte die Pandemie weniger Einbrüche gebracht haben als für die Stadthotellerie. In Zürich etwa mussten gleich mehrere Hotels für immer schliessen. Perren erkennt die Situation in Luzern wie folgt: «Für uns erholt sich der Geschäftstourismus etwas schneller; dieses Segment ist aber auch mehr national aufgebaut als beispielsweise für Zürich und Genf. Im Gruppengeschäft fällt natürlich der chinesische Markt völlig weg, wohl noch für mehrere Jahre. Dafür gibt es wieder indische Gruppen, und auch die Amerikanerinnen und Amerikaner reisen wieder. Was auffällt: Die Gruppen werden kleiner als vor der Pandemie.»

Der nächste Winter kommt bestimmt

Die touristischen Rahmenbedingungen bleiben anspruchsvoll. Neben der Pandemie gibt es Themen wie den Krieg in der Ukraine, den schwache Euro, die Energiekrise und den Fachkräftemangel. Perren ist verhalten optimistisch. Er meint, dass die Region Luzern/Vierwaldstättersee gut aufgestellt ist. Aber die Politik müsse halt auch mitspielen. Perren dazu: «Die Branchenverbände stellen verschiedene Forderungen. Bezüglich des drohenden Energiemangels zum Beispiel werden freiwillige Sparmassnahmen befürwortet. Denn Schliessungen von Anlagen werden nur zu grossen Problemen führen. Sollte es wieder zu Einschränkungen oder Verboten kommen, müssten erneut Unterstützungsmassnahmen wie Kurzarbeit oder Überbrückungskredite helfen.»

Luzern Tourismus will die Marketingaktivitäten in Europa ausbauen und sich dabei noch besser als Hub verkaufen. Das würde dazu führen, dass weniger Massentouristen und -touristinnen kommen, die manchmal nicht einmal übernachten, und dafür mehr Besucherinnen und Besucher angezogen werden, die für mehrere Nächte nach Luzern kommen, um von dort aus die ganze Region zu bereisen. Zudem will Luzern Tourismus auch die Vermarktung als Musikstadt weiter antreiben.