Pflegefach-Schülerin mogelt mit Chat GPT», «Chat GPT wirbelt Unterricht auf» und «Künstliche Intelligenz schafft Master-Abschluss an Elite-Uni» – selten hat ein Technologie-Thema im Bildungssektor innert so kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit bekommen. Künstliche Intelligenz (KI) ist im Leben und an Schulen längst Alltag, kaum eine Arbeit kommt ohne Google-Suche aus.

Das Gleiche gilt für die Forschung und Lehre. «Wir beschäftigen uns mit KI sowohl in der Lehre als auch in der Forschung in unserem Laboratory of Web Science», sagt Stefan Eggel, Direktor Weiterbildung an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS). Und: «Die Forschung fliesst dementsprechend auch in die Lehre ein.» Auch Dominik Lehmann, Sprecher Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), bestätigt: «Die FHNW ist in der Forschung und Lehre wie bei Studiengängen in Data Science oder Informatik bereits im Bereich KI tätig.»

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Und an der Hochschule Luzern (HSLU) wird KI für Forschungen im Bereich Nachhaltigkeit und Konsum eingesetzt. «Das Thema scheint nun definitiv auch bei einer breiteren Öffentlichkeit angekommen zu sein», so HSLU-Sprecher Simon Müller.

Prüfungen: Zeitdruck aufbauen

«Es ist anzunehmen, dass Studierende die Vorteile von Chat GPT bereits nutzen», gibt sich FHNW-Sprecher Lehmann realistisch. «In einer praxis- und arbeitsweltbezogenen Ausbildung, wie sie die FHNW vermittelt, muss der Einsatz von frei nutzbaren Textgeneratoren wie Chat GPT oder Deepl, die auf künstlicher Intelligenz basieren, ermöglicht und vor allem kritisch reflektiert werden.»

Man fokussiert stärker auf den Prozess der Entstehung einer Arbeit.

 

Laut der Universität Zürich (UZH) ist es noch zu früh, um die Auswirkungen von Chat GPT beurteilen zu können. «Herausforderungen gibt es aber insbesondere bei Remote-Prüfungen, das heisst, bei Online-Prüfungen, die von zu Hause aus bearbeitet werden können, und bei schriftlichen Arbeiten», sagt Beat Müller, Sprecher bei der UZH. «Wenn die UZH digital prüft, müssen die Studierenden mit einem sogenannten Safe Exam Browser arbeiten.» Es kann damit nicht auf jede beliebige Internetseite zugegriffen werden. «Aber von zu Hause aus könnten die Studierenden ein zweites Gerät nutzen, mit dem sie etwa auf Chat GPT zugreifen», so Müller weiter. «Das wird zu verhindern versucht, indem bei Prüfungen ein grosser Zeitdruck herrscht und beispielsweise bei Multiple-Choice-Prüfungen die Fragen zufällig eingespielt werden. Die anderen Prüfungsformate sind weniger gefährdet.»

Der Weg zählt, nicht das Ergebnis

Bei der Universität Zürich verfolgt man laut Beat Müller zwei Ansätze. Einerseits lässt sich die KI einbeziehen. «Beispielsweise kann man Studierende Texte von einer KI kritisieren und verbessern lassen.» Und man konzentriert sich stärker auf den Entstehungsprozess einer Arbeit – inklusive neuer Formate wie Erklärvideos oder Essays.

«Schriftliche Arbeiten müssen in den meisten Fällen auch mündlich verteidigt werden», sagt Eggel von der Fernfachhochschule Schweiz. «Dazu kommt, dass eine KI nicht nur Texte schreiben kann, sondern auch erkennen kann, welche Texte von einer KI geschrieben wurden.»

«Bei Abschlussarbeiten müssen die Studierenden bereits jetzt eine Eigenständigkeitserklärung abgeben, die die korrekte Kennzeichnung von Quellen – wozu auch KI gehört – bestätigt», so HSLU-Sprecher Müller. «Im Rahmen der aktuellen Dozierenden-Workshops werden aber Leitplanken für den Einsatz im Unterricht angedacht. Dazu gehört unter anderem auch eine klare Deklaration der Nutzung.»

Kritisches Denken vermitteln

Bei der FFHS arbeitet man mit Plagiats-Erkennungs-Software. «Das ist wichtig und gehört meiner Meinung nach dazu; wenn eine Arbeit an einer Hochschule eingereicht und bewertet werden soll, muss diese auch einem Plagiats-Scan standhalten können», so Eggel. «Die künstliche Intelligenz wird uns weiter beschäftigen. Ich denke aber, dass wir hier keine Angst haben müssen, sondern die KI richtig einsetzen und in Zukunft als Tool verwenden werden.»

«Wie stark KI die Lehre tatsächlich verändert, ist noch nicht abzusehen», sagt UZH-Sprecher Beat Müller. «Die UZH und ihre Dozierenden müssen die digitalen Skills in diesem Bereich gezielt stärken – Stichwort Digital Literacy.» Zudem kann KI auch aktiv in die Lehre einbezogen werden, indem sie dort beispielsweise bei der Erstellung der Lehrunterlagen unterstützt. «Eine Chance ist sicher auch, dass der Fokus bei der Beurteilung von studentischen Leistungen viel stärker auf dem kritischen Denken, auf eigenen Arbeiten und die Team-Arbeiten vor Ort, auf die reflexiven Beiträge der Studierenden zu liegen kommt», so der Sprecher der Universität Zürich.

«Die Lehre richtet sich vornehmlich an den Kompetenzen aus, die unsere Absolventinnen und Absolventen für den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft der Zukunft vorbereiten sollen», ergänzt FHNW-Sprecher Lehmann. «Der kritisch-kreative Umgang mit neuen Tools und Möglichkeiten wird deshalb studiengangspezifisch in die Lehre einfliessen. Die generelle Frage, wie KI die Lehre verändert, wird der Diversität unserer Studiengänge nicht gerecht.»

«Um Studierende für die Einschätzung von Chancen und Risiken neuer Technologien, gerade auch im Bereich der künstlichen Intelligenz, zu sensibilisieren und einen ebenso kritischen wie sorgfältigen Umgang damit zu pflegen, hat das Departement Informatik das neue Modul ‹Critical Thinking› eingeführt», sagt HSLU-Sprecher Müller. «Neben der Informatik finden auch an weiteren Departementen Dozierenden-Workshops statt, wo die Funktionsweise von Chat GPT erläutert sowie Leitplanken für den Einsatz im Unterricht angedacht wurden.»