Die Tausenden von Baustellen quer durchs Land, ob im Hoch- oder Tiefbau, sind ein gewohnter Anblick. Sie sind Arbeitsort von vielen der über 87 000 Vollzeitbeschäftigten im Schweizer Bauhauptgewerbe. Dabei generieren zwei Sparten rund 70 Prozent des Umsatzes, der öffentliche Tiefbau und der Wohnungsbau. Die Baubranche, die derzeit unter anderem wegen steigender Energie- und Materialpreise einen leichten Rückgang erlebt, rangiert in vielen Kantonen unter den fünf grössten Arbeitgebern.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Bildungslandschaft in der Schweiz liegt in einem äusserst kompetitiven Umfeld und ist normalerweise deutlich sichtbar. Nicht so in der Baubranche, auch wenn dies von der wirtschaftlichen Bedeutung her berechtigt wäre. Der Campus Sursee hat sich in fünfzig Jahren eine Vormachtstellung erarbeitet und offeriert in Dutzenden von Bauberufen ein breites Spektrum an Aus- und Weiterbildungen: von der Grundbildung bis zum Meister, Unternehmer, Ingenieur oder Architekten. Die Direktorin Andrea Ming stellt vor: «Der ursprüngliche Stiftungszweck war die Förderung der Ausbildung von Berufsleuten in der Bauwirtschaft und bauverwandten Berufen. Dazu wurde über die Jahre die Infrastruktur im Campus laufend ausgebaut; dieser befindet sich in Oberkirch LU, einer politischen Gemeinde im Wahlkreis Sursee. Heute bedienen wir die drei Geschäftsfelder Bildung, Hotellerie und Sport. Vor allem aber sind wir ein schweizweit führendes Bildungs- und Seminarzentrum.»

Digitalisierung als Chance

Zum Angebot gehören ein Schul- und Konferenzbereich mit 67 Gruppenräumen, dazu kommen 550 Hotelzimmer, ein Sportgelände sowie ein 20 000 Quadratmeter grosses Übungsgelände für Baumaschinen und Krane. Mit rund 290 Mitarbeitenden und 500 externen Ausbildungscoaches erwirtschaftet der Campus jährlich rund 49 Millionen Franken. Das bedeutet KMU-Grösse, und so muss man sich auch den internationalen Herausforderungen stellen, wie Migrationswellen, Digitalisierung, Pandemie und dem Krieg in der Ukraine. Relevant ist das Thema Zuwanderung.

Thomas Stocker, Geschäftsführer Bildung, reflektiert dazu, dass die Baubranche seit jeher an Mitarbeitende mit Migrationshintergrund gewöhnt sei. «Dank diesen Personen konnte der Fachkräftemangel bis anhin einigermassen gestemmt werden. Pandemie und Krieg wirken sich auf Lieferfristen und Preise des Baumaterials aus und haben deshalb Konsequenzen auf die Baupreise und Margen. Die Digitalisierung hingegen bedeutet für unsere Branche eine grosse Chance.» So nutzt und schult der Campus Sursee BIM (Building Information Modeling) als Arbeitsmethode für die vernetzte Planung, den Bau und die Bewirtschaftung von Gebäuden und Bauwerken. «Digitalisierung und natürlich auch Nachhaltigkeit wurden stufengerecht in all unsere Ausbildungen eingebaut. Dazu dient unser BIM-Labor, in dem wir alle benötigten Kompetenzen vermitteln können.»

Der Campus ist aufgefordert, eine Vorbildfunktion in der Baubranche wahrzunehmen.

Im Baubranchenbildungszentrum offeriert man über 200 unterschiedliche Weiterbildungsangebote zu Berufen wie Vorarbeiterin, Polier, Bauführerin, Bauleiter und Baumeisterin. Stocker erläutert dazu: «Auch wenn sich die Berufsbilder durch neue Technologien verändert haben und heute Maurer und Verkehrswegebauerinnen mit Tablets und Robotikstationen arbeiten – die Bauberufe bleiben doch handwerklich geprägt.» Trotzdem sucht die Baubranche neue Fachkräfte wegen des entsprechenden Mangels, dem man in Sursee mit Quereinsteiger-Ausbildungen für Vorarbeiter und Bauführerinnen entgegentritt.

 

Bildungsschnellboot

Andrea Ming trat ihre Stelle in Oberkirch vor zweieinhalb Jahren an, davor arbeitete sie lange Jahre bei der Migros und dort als Direktorin unter anderem für die Klubschulen. Die Frage, wie unterschiedlich eine «kleine» Stiftung gegenüber einer grossen Genossenschaft im Bildungssektor ist, beantwortet sie so: «In den Unternehmenswerten liegen der Campus Sursee und die Migros-Genossenschaft nicht weit auseinander. Der Hauptunterschied liegt in der Grösse. Die Migros ist ein grosser Dampfer, der Campus Sursee im Vergleich dazu ein Schnellboot. Die Reaktionsfähigkeit ist schneller, die Wirkung von umgesetzten Massnahmen ist unmittelbarer spürbar, und die Abläufe im Campus sind weniger komplex.»

Dann sieht Ming auch einen geografischen Standortvorteil für die Auszubildenden der Baubranche, man liege im Herzen der Schweiz und sei von überall her gut erreichbar. Zudem biete man Unterkunft, Verpflegung und Sportmöglichkeiten. Der Campus Sursee wurde quasi zum Bildungsnabel der Baubranche, koordiniert mit den kantonalen Sektionen des Baumeisterverbandes. Im Franchisesystem beliefert Thomas Stocker auch kleinere Fachschulen mit Ausbildungsunterlagen. «So unterstützen wir beispielsweise entsprechende Ausbildungen für Vorarbeiterinnen und Poliere in Colombier NE und Gordola TI.»

 

Nachhaltiges Engagement

Stolz ist man in Sursee auf das Zertifikat 2000-Watt-Areal, das durch das Bundesamt für Energie bereits vor der Pandemie verliehen wurde. Der Campus ist damit aufgefordert, in der Baubranche eine Vorbildfunktion wahrzunehmen und Impulse für energieeffizientes Bauen und zukunftsorientierte Mobilität auszulösen. So werden die Gebäude in Sursee CO₂-neutral mit Holz aus Luzerner Wäldern geheizt, und bis zu 10 Prozent des Strombedarfs werden mittels der eigenen Photovoltaikanlage gedeckt; der Rest entfällt auf Wasserstrom. Im Schulgelände gibt es E-Ladestationen sowie zwei Elektroautos und E-Bikes, die man mieten kann. Auch dieses Nachhaltigkeitswissen wird zurück in die Klassenzimmer getragen.