Als der Berner Ökonom und Tourismusforscher Jost Krippendorf 1984 sein Buch «Die Ferienmenschen» publizierte, passierte erst einmal nichts. Die Kritik am Ferienverhalten der Menschen – der moderne Chartertourismus war erst ein Jahrzehnt zuvor entstanden – verhallte. Erst in den 1990er-Jahren änderte sich das Bild. Im Jahr 2001 wurden international Regeln für die biologische Vielfalt und den nachhaltigen Tourismus ausgearbeitet («Übereinkommen über die biologische Vielfalt», 2001), und darauffolgend erklärten die Vereinten Nationen das Jahr 2002 zum Jahr des Ökotourismus, wie Patric Arn, Studienleiter BSC in Tourismus und Leiter Weiterbildung an der Fachhochschule Graubünden erklärt: «Diese Nachhaltigkeitssensibilisierung erforderte neue Kompetenzen in der Tourismusbranche – eine Chance, welche sich als aktiver Treiber auch auf dem schweizerischen Tourismusweiterbildungsmarkt auszeichnete.»

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Best Practice als einfache Richtlinie

«Die Nachhaltigkeit ist in vielen Studiengängen der Aus- und Weiterbildung zum Tourismus seit Jahren integriert», sagt auch Monika Bandi Tanner, Leiterin der Forschungsstelle Tourismus an der Universität Bern (Cred-T). «Aber es hat als Positionierungsthema dann oft nicht ausgereicht, heute ist es daher als Prämisse integriert und kommt als Querschnittsthema vor.» Sichtbar ist das auch beim Thema der nachhaltigen Destinationen – noch vor einigen Jahren hatten sich hierzu einzelne Destinationen aktiv positioniert, heute ist das ein Anspruch an alle und wird auch durch das Programm Swisstainable gefördert.

«Entwickelte Lösungen und Best-Practice-Beispiele helfen dabei stark mit», sagt Bandi weiter. Food Waste im Gastronomiebereich lässt sich beispielsweise über einfache digitale Lösungen ermitteln und vermeiden, weil man dann kleinere Mengen für die Küche einkauft, wenn die Zusatzkosten veranschaulicht werden. Erste grosse Buchungsplattformen würden zudem ergänzend zum Preis auch Informationen zur Ökobilanz beziehungsweise zur Nachhaltigkeit der einzelnen Angebote vermitteln. Die CO2-Belastung bei Flugreisen soll zukünftig einheitlich gleich bei der Buchung sichtbar sein.

«Tourismusfachleute sind gefordert, mit solchen Best Practices zu arbeiten, denn viele Menschen möchten auch nachhaltiger reisen, und dies erfordert eine Umsetzung durch die Touristikerinnen und Touristiker.» Praktikerinnen und Praktiker, welche die Aus- und Weiterbildungen absolvieren, würden konkrete Lösungsansätze bevorzugen. «Die Musse, solche Themen ausführlich zu diskutieren, ist meist weniger vorhanden, dafür umso mehr der Tatendrang, Lösungen umzusetzen», so Bandi.

 

Integriert statt reaktiv

Die touristische Weiterbildung sei in der Schweiz generell recht stark von der Nachfrage aus der Branche getrieben; das heisse, dass sich die Anbieter eher reaktiv gegenüber der Nachfrage verhalten, beobachtet Patric Arn. Nach 2002 wurden Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr in die touristischen Grundausbildungen integriert, und der diesbezügliche Weiterbildungsmarkt hatte wieder etwas mehr Mühe, die angepeilten Anmeldezahlen zu erreichen. «Durch die Corona-Krise, aber auch durch das generell steigende Bewusstsein insbesondere um die ökologische Nachhaltigkeit ist die Tourismusbranche erneut stark unter Druck gekommen, sich noch intensiver mit dieser Thematik auseinanderzusetzen», sagt Patric Arn.

«Themen wie klimaneutrale Feriendestinationen, touristische CO2-Fussabdrücke wie auch verschiedenste Gütesiegel für Umweltfreundlichkeit oder Nachhaltigkeit im Tourismus zwingen nun touristische Leistungsträger, ihre Produkte und Dienstleistungen gemäss neusten Ansprüchen und Erkenntnissen für die Zukunft bereitzustellen – insofern sind auch hier wieder spezifische Kompetenzen notwendig, welche unter anderem in touristischen Weiterbildungen erworben werden können.»

 

Hoffnungsvolle Ansätze

Gegenwärtig bietet die Fachhochschule Graubünden zusammen mit anderen Instituten die touristische Weiterbildung CAS Eventmanagement an. «Hierbei haben wir die Thematik Nachhaltigkeit stark im Kurs integriert im Wissen, dass die Eventbranche generell bereits viele Aspekte der Nachhaltigkeit zu integrieren versucht, dass aber auch Potenziale zur Verbesserung vorhanden sind», so Arn. «Es braucht einerseits das spezifische Wissen über Nachhaltigkeit, andererseits das klare Verständnis, dass eine isolierte Betrachtung dieser Thematik zumeist nicht zielführend ist, sondern bloss integrativ aufblühen kann.» Darüber hinaus gibt es an der Fachhochschule Graubünden Forschungs- und Dienstleistungsprojekte wie beispielsweise die Etablierung CO2-neutraler Destinationen im Kontext des Green Deal für Graubünden.

Chancen nur bedingt genutzt

«Als während der Covid-Pandemie insbesondere die ausländischen Touristinnen und Touristen in der Schweiz wegblieben, wurde von verschiedensten Seiten die These laut, dass dies neben all den negativen Auswirkungen auch als einmalige Chance betrachtet werden könne, um den Schweizer Tourismus endlich noch nachhaltiger zu gestalten», sagt Arn. «Wir sind nun rund zwei Jahre weiter, und mir scheint, als dass wir diese Chancen bisher nur bedingt genutzt haben.» Es gebe hoffnungsvolle Zeichen wie zum Beispiel die unter anderem von Schweiz Tourismus initiierte und getragene Swisstainable-Idee. «Allerdings gibt es aber auch Rückschläge zu vermelden, und die Tourismusbranche erscheint als Ganzes womöglich doch nicht ganz so agil zu sein wie von vielen erhofft», so Arn. «Ein Blick auf das diesjährige Reisevolumen des Reisemarktes Schweiz und auch auf die ausgewählten Trenddestinationen zeigt, dass hier noch einiges an Arbeit auf die Branche wartet.»

Schweizer Tourismus soll «swisstainable» werden

Teilnahme Schweiz Tourismus (ST) hat eine neue Nachhaltigkeitsstrategie für die Tourismusbranche in der Schweiz entwickelt. Sie steht allen Betrieben und Organisationen offen, unabhängig davon, ob sie bereits eine Nachhaltigkeitszertifizierung haben oder sich erst Richtung Nachhaltigkeit entwickeln möchten. Teilnehmende Firmen und Organisationen dürfen dann auch das Label Swisstainable nutzen.

Niveaus Ähnlich wie bei Mobilitäts- und Reise-Vielnutzerprogrammen gibt es hier drei Level. Für Level I, «Committed», genügt das Bekenntnis, sich Richtung Nachhaltigkeit zu entwickeln. Für Level II, «Engaged», ist darüber hinaus mindestens die Zertifizierung beziehungsweise der Nachweis in mindestens einem Nachhaltigkeitsbereich erforderlich. Bei Level III, «Leading», brauchen Betriebe eine umfassende und anerkannte Nachhaltigkeitszertifizierung, die alle Dimensionen der Nachhaltigkeit abdeckt und die regelmässig extern überprüft wird. Je nach Betrieb kümmern sich unterschiedliche Einrichtungen um die direkt anerkannten Nachweise. Bei Campingplätzen beispielsweise ist der Nachweis «EU Ecolabel Tourist Accommodation» anerkannt, bei Weingütern und Kellereien «Fair’n Green» und für Golfplätze gibt es den Nachweis von GEO-Zertifizierung Golf. (mn)