Die Universität St. Gallen (HSG) feiert ihr 125-Jahr-Jubiläum. Wirkt sich das auf Ihre Arbeit als akademischeDirektorin des Executive MBA aus?

Persönlich empfinde ich einen gewissen Stolz für die HSG. 125 Jahre bedeuten 125 Jahre kontinuierliche und erfolgreiche Transformation. Die HSG ist derzeit nicht nur die bestplatzierte Wirtschaftsuniversität im deutschsprachigen Raum, sondern gemäss dem «Financial Times»-Ranking auch unter den Top Fünf in ganz Europa. Das ist auch ein Ansporn, weiterhin gute Arbeit zu leisten. Konkret bin ich in das Thema «Future of Universities» und speziell «Future of Executive Education» integriert und konnte dort viel mitentwickeln. Auch konnte ich für die Festschrift Beiträge zur Kreislaufwirtschaft und zur Weiterbildung verfassen und darin meine Forschungsergebnisse vorstellen.

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Es gibt aber Rankings, in denen die HSG jüngst schlechter platziert wurde.

Ja, aber es hängt davon ab, was gemessen wird und welche Organisation das Ranking erstellt hat. Als integrierte Wirtschaftsuniversität sind wir spezialisiert und können in einigen Punkten nicht mit Universitäten mithalten, die praktisch alle Fakultäten umfassen. Solche Vergleiche sind deshalb immer schwierig. Aber was die HSG-typischen Ausbildungen angeht, wie zum Beispiel Masterprogramme, erzielen wir seit Jahren Spitzenplätze. Es ist uns wichtig, dieses Spannungsfeld in Zukunft besser zu kommunizieren. Grundsätzlich ist es wichtig, dass man sich misst; das habe ich auch während meiner Zeit von 2004 bis 2011 als Senior Engagement Manager bei McKinsey gesehen. An der HSG geniessen die «Financial Times»-Rankings wegen ihrer klaren Messbarkeit und Transparenz seit vielen Jahren einen besonders hohen Stellenwert.

Die Vermittlerin

Name: Karolin Frankenberger

Funktion: seit 1. April 2018 Ordinaria am Institut für Betriebswirtschaft im Bereich Strategie und Innovation, Direktorin des Instituts für Management und Strategie und akademische Direktorin des Executive MBA an der Executive School of Management, Technology and Law an der Universität St. Gallen

Geboren: 25. November 1976

Wohnort: St. Gallen

Familie: verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung: Diplom, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt; PhD, Universität St. Gallen

Wie fallen die Feedbacks von Studierenden aus, die durch Ihre Executive-MBA-Kurse gegangen sind?

Die Bewertungen sind grundsätzlich sehr positiv, vor allem wenn die Studierenden die gesamten 18 Monate betrachten. Natürlich gibt es auch manchmal Kritik an der einen oder anderen Lehrveranstaltung, aber im Grossen und Ganzen sind die Studierenden immer sehr positiv. Warum das so ist? Sie haben sich in den 18 Monaten verändert, haben viel Neues gelernt, wurden intensiv gecoacht und sind am Ende nicht mehr die Person, die sie am Anfang waren, sondern eine bessere Form ihrer selbst. Das begeistert mich auch in meiner täglichen Arbeit, wenn ich sehe, welche Veränderungen durch unsere Programme angestossen werden und welchen positiven Einfluss wir auf die Gesellschaft ausüben können.

 

Können Sie ein Beispiel geben?

Wir hatten vor gut zwei Monaten unser EMBA Homecoming, das von 250 EMBA-HSG-Community-Mitgliedern –Alumni, aktuelle Studierende, Faculty, Staff und so weiter – besucht wurde.  Die Teilnehmenden waren begeistert und erzählten davon, wie sie das hier erworbene Wissen anwenden konnten oder wie ihnen ihr an der HSG gebildetes Netzwerk geholfen hat, etwas zu verändern, beispielsweise ihr Unternehmen sozialverantwortlicher zu führen. Das Thema «Nachhaltigkeit» nimmt bei uns einen grossen Raum ein; oft diskutieren wir in den Kursen, wie man die ökologischen und sozialen Ansprüche mit den ökonomischen Anforderungen vereinen kann. Das ist nicht immer einfach, und es gibt auch nicht die perfekte Lösung, es werden immer Trade-offs sein, und genau das müssen Führungskräfte von heute verstehen und beherrschen. Wie gehe  ich mit den Trade-offs um, und wie entscheide ich in solch schwierigen Situationen?

Es ist das «Know», also das klassische Faktenwissen und das Beherrschen der Tools. Es ist zweitens das «Do»: Wenn ich etwas anwende, bleibt es eher im Kopf, und die Halbwertzeit sinkt.

Karolin Frankenberger

Wie triggert man denn Nachhaltigkeit?

Das geschieht auf drei Ebenen: erstens institutionell – zum Beispiel mit Regulierungen –, zweitens durch einen strategischen Wettbewerbsvorteil – also Differenzierungsmöglichkeiten am Markt – und drittens durch die individuelle Motivation. Diese drei Faktoren müssen gut zusammenspielen. Und Gewinne machen ist eine wichtige Voraussetzung für Investitionen. Das stört mich nicht – im Gegensatz zum Greenwashing, bei dem man viel redet und wenig macht. Neue Technologien und Innovationen sind wichtige Bausteine, um Wachstum vom Ressourcenverbrauch zu entkoppeln. Technologie ist der Hebel, Nachhaltigkeit ist das Ziel – und Gewinn ist wichtig, kann und sollte aber nur unter bestimmten Nebenbedingungen realisiert werden: «Profit under conditions».

 

Das «St. Galler Managementmodell» rühmt sich dafür, das alles darzustellen. Aber ist es nicht überholt?

Überholt nicht, man könnte sogar sagen, dass es relevanter ist denn je. Allerdings ist es in seiner heutigen Ausprägung schon sehr komplex.

Die Schweiz rangiert beim CO2-Verbrauch im globalen Promillewert. Welchen Hebel hat die Schweizer Wirtschaft überhaupt – und hierin Ihre Absolventinnen und Absolventen?

Klar, die Schweiz ist verhältnismässig klein. Aber sie ist der Sitz vieler Konzerne, die entsprechend global agieren und so einen grossen Einfluss ausüben. Und als innovatives Land kann die Schweiz viel bewirken. Es gibt auch bereits tolle Beispiele, etwa die Firma Climeworks, die bei der Carbon-Dioxide-Air-Capture-Technologie weltweit führend ist. Was den Promillewert betrifft, steht die Schweiz beim Ressourcenverbrauch noch nicht gut da und ist deutlich schlechter als der Durchschnitt, wenn wir beispielsweise den Erdüberlastungstag («Earth Overshoot Day») betrachten. 2023 liegt dieser für die Schweiz am 13. Mai, weltweit ist der Tag aber erst am 2. August.

Sollte man – auch an der HSG – besser Spezialistinnen oder besser Generalisten ausbilden?

Im Bereich Wirtschaft hat es sich die HSG grundsätzlich zur Aufgabe gemacht, Generalistinnen und Generalisten auszubilden. Hier lernt man beispielsweise, wie man innovative Technologien, etwa AI, im Geschäft nutzbar machen und einen Mehrwert für Kundinnen und Kunden erzielen kann, wie man das aktuelle Geschäftsmodell verändern oder sogar disrumpieren kann oder wie man eine inspirierende Führungskraft wird. Und hier spielt die HSG sicher eine grosse Rolle, denn dazu braucht es die Generalistinnen und Generalisten. Die HSG ist eine «integrierte Wirtschaftsuniversität», die Brücken bauen, aber nicht alles Wissen vermitteln kann und will. In manchen Bereichen kooperieren wir deshalb auch mit anderen Universitäten. In der Weiterbildung arbeiten wir zum Beispiel mit der ETH Zürich im Rahmen des neuen EMBA-X-Programms zusammen – damit kombinieren wir Leadership und Technologie und zwei Topuniversitäten in der Schweiz. Heutzutage sollten auch Unternehmen viel mehr in Kollaborationen und Ökosystemen denken, denn nur so können wir die grossen Probleme unserer Gesellschaft lösen. Man kann in Partnerschaften und in Ökosystemen viel lernen und gemeinsam entwickeln – gemeinsam grösser werden. Unternehmen könnten noch mehr aus sich herausgehen, die Herausforderungen unserer Zeit aktiv annehmen und Nachhaltigkeit weniger als Gefahr sehen.

Will heissen: In Ihren Kursen sitzen Spezialistinnen und Spezialisten, die bei Ihnen das grosse Ganze besser verstehen lernen.

Genau. Es wird bei uns die Basis für eine «T-Karriere» gelegt, die Kombination von vertikaler Spezialistenerfahrung und dem  horizontalen Mindset eines General Managers. Die Teilnehmenden bringen mit ihrer mehrjährigen Führungs- und Berufserfahrung bereits vertieftes Spezialistinnenwissen aus ihrer Branche und Funktion in unsere Studiengänge der vertikalen Ebene, und bei uns lernen sie die herausfordernde horizontale Breite auf Ebene Unternehmensführung kennen: Was machen andere Bereiche, wie kann ich meine Produkte weiterentwickeln und an den Markt bringen? Wie entscheide ich verantwortungsvoll unter Unsicherheit und Geschwindigkeit? Wie entwickle und führe ich Menschen in meinem Bereich?

 

Ein Problem ist, dass die Halbwertszeit all dieses Wissens dramatisch sinkt.

Ja, das ist so. Gerade deshalb ist für mich Lernen auf drei Ebenen wichtig: Es ist das «Know», also das klassische Faktenwissen und das Beherrschen der Tools. Es ist zweitens das «Do»: Wenn ich etwas anwende, bleibt es eher im Kopf, und die Halbwertzeit sinkt. Drittens ist es das «Be»: der Mindset-Change. Nach den Kursen sollte man die Welt anders wahrnehmen.