Die Wirtschaftsprüfung steht vor einem tiefgreifenden Wandel, denn KI entwickelt sich vom Zukunftsthema zu einem zentralen Bestandteil moderner Prüfpraxis. Nicht primär, um sie effizienter zu machen, sondern um Qualität, Transparenz und Erkenntnisgewinn zu erhöhen. Doch was kann KI effektiv leisten und welche neuen Erwartungen ergeben sich daraus an die Wirtschaftsprüferinnen und -prüfer?

Der Autor

Florian Häller, Wirtschaftsprüfer und Co-Head Audit & Assurance Technology bei KPMG Schweiz

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Tiefer, schneller, umfassender

In klassischen Prüfprozessen stehen die Prüferinnen und Prüfer häufig vor der Herausforderung, grosse Datenmengen zu analysieren, ohne jedes Detail einzeln betrachten zu können. Hier setzt KI an: Machine-Learning-Algorithmen und Mustererkennungsverfahren können grosse und komplexe Datenbestände in kürzester Zeit analysieren.

Ausreisser, Anomalien oder unplausible Zusammenhänge lassen sich so schnell und zuverlässig identifizieren – und zwar über alle Buchungen hinweg, nicht nur stichprobenartig. Auf diese Weise können KI-gestützte Analyse-Tools systematische Risiken oder manuelle Eingriffe in Buchungsprozesse erkennen, die den Prüfenden möglicherweise entgangen wären. Dadurch steigt nicht nur die Genauigkeit, sondern auch die Nachvollziehbarkeit und Dokumentationsqualität.

KI bereits verbreitet im Einsatz

Dass KI zu einem wichtigen Faktor bei Wirtschaftsprüfungen geworden ist, hängt aber nicht nur mit ihren Vorteilen beispielsweise bei der Datenanalyse zusammen, sondern ergibt sich schlicht aus der Tatsache, dass KI bereits bei vielen Unternehmen im Einsatz ist. Rund drei Viertel der Unternehmen integrieren KI gemäss dem KPMG Global AI in Finance Report bereits heute in ihre eigenen Prozesse: sei es in der Finanzberichterstattung, für Trendprognosen oder zur Risikoanalyse.

Daraus entsteht ein neuer Anspruch: Wer die Prüfprozesse dieser Unternehmen begleitet, muss sich nicht nur fachlich, sondern auch technologisch (mindestens) auf Augenhöhe bewegen. So erwarten über zwei Drittel der befragten Unternehmen, dass ihre KI-Anwendungen von Wirtschaftsprüferinnen und -prüfern evaluiert werden und die Prüfunternehmen selbst KI einsetzen.

Neue Anforderungen an die Prüferrolle

Das bedeutet, dass Prüfunternehmen die Lernkurve vor den zu prüfenden Firmen durchlaufen müssen. Denn nur wer selbst Erfahrung mit KI gesammelt hat, kann beurteilen, wie man diese sinnvoll einsetzen kann und wo ihre Grenzen liegen. Zudem reicht es nicht mehr, rein retrospektiv zu prüfen. Gefordert wird eine ganzheitliche Sicht – eine, die Daten analysiert, aber auch deren Herkunft, Verarbeitung und systemische Relevanz versteht.

Hinzu kommt die Erwartung, dass Wirtschaftsprüfer als Innovationspartner auftreten und auch die Risiken neuer Technologien fachlich fundiert adressieren können – etwa im Hinblick auf Datenschutz, algorithmische Verzerrungen oder regulatorische Anforderungen. Diese Entwicklungen zeigen: Die moderne Wirtschaftsprüferin ist nicht nur Rechnungslegungsexpertin, sondern auch Datenanalystin, Technologieberaterin und Risikomanagerin. KI ist dabei ein mächtiges Werkzeug, das den Menschen unterstützt (und nicht ersetzt).

Prüfung von KI

Wirtschaftsprüfer prüfen KI bei ihrer Kundschaft inzwischen in mehreren Dimensionen – je nachdem, wo und wie diese KI einsetzen. Verbreitet sind beispielsweise Applikationen, die mithilfe von Texterkennung automatisch Buchungen verarbeiten. Das Ziel der Prüfung ist, die Auswirkungen des KI-Einsatzes auf den Jahresabschluss, interne Kontrollen und die Unternehmenssteuerung zu bewerten. Obwohl sich noch keine globalen Standards für die Prüfung komplexer KI-Systeme etabliert haben, haben die «BigFour»-Prüfgesellschaften und die Information Systems Audit and Control Association (ISACA) für weniger komplizierte KI-Anwendungen bereits erste Prüfansätze entwickelt.

Vertrauensgewinn durch umsichtigen KI-Einsatz

KI verändert die Wirtschaftsprüfung – weil sie schnellere und bessere Ergebnisse und zusätzlichen Mehrwert für den Prüfkunden liefert. Die Erfahrung zeigt: Kluger und vertrauensvoller KI-Einsatz führt zu höherer Prüfqualität, fundierteren Entscheiden und letztlich zu mehr Vertrauen bei Kunden, Investorinnen, Regulatoren und weiteren Anspruchsgruppen.