Der anhaltende Zollkrieg belastet die Wirtschaft. Besonders schmerzhaft sind die 39 Prozent Zoll für Schweizer KMU, die Waren in die USA ausführen. Wie beeinflusst ein derartiger Zollsatz die Unternehmensabschlüsse 2025?

Das hängt sehr stark davon ab, wie breit die einzelnen Unternehmen diversifiziert und vor allem in welcher Branche sie tätig sind. Die geringen Kurskorrekturen an der Schweizer Börse unmittelbar nach der Ankündigung dieser hohen Zölle zeigen, dass die Marktteilnehmer zurzeit nicht von grossen wirtschaftlichen Auswirkungen ausgehen. Die Höhe des Zolls ist für sie noch nicht in Stein gemeisselt. Für KMU mit einer starken Ausrichtung auf den US-amerikanischen Markt ist eine derart rigide Zollbelastung aber sehr schmerzhaft.

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Welche Unternehmen sind besonders betroffen?

Zölle sind Steuern, die den Preis für den Endkunden erhöhen. Für Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen nicht einzigartig und leicht austauschbar sind, wird es schwierig, infolge der neuen Zölle Preiserhöhungen durchzusetzen.

Kommt es zu Margeneinbrüchen?

Ja, zumindest kurzfristig sind solche Auswirkungen aufgrund des massiven Zollaufschlags sowohl bei grossen als auch bei kleinen Unternehmen zu erwarten.

Werden jetzt Investitionen verschoben oder ganz gestrichen?

Auch das ist zu erwarten. Die Unternehmensleitungen müssen nun abwägen, ob sich ein Export in die USA unter diesen Voraussetzungen noch lohnt. Die Unternehmen, die aber auf den US-Markt setzen, haben einen langfristigen Horizont und werden sich entsprechend anpassen und nach Lösungen suchen.

Auch die geopolitischen Risiken sind gestiegen. Es zeichnen sich neue Wirtschaftsblöcke ab. Das beeinflusst die Lieferketten für Schweizer Unternehmen, die vermehrt auf eigenen Füssen stehen müssen. Führt der Strukturwandel in der Produktion als Folge der Deglobalisierung zu Bewertungskorrekturen in der Bilanz?

Die teilweise unterbrochenen Lieferketten sind kein neues Phänomen. Damit sind die Unternehmen bereits seit der Coronakrise konfrontiert. Der Umgang mit sich ändernden Parametern gehört zur unternehmerischen Tätigkeit. Wenn es zu Wertberichtigungen in der Bilanz kommt, ist es meistens aufgrund von überraschenden und unvorhersehbaren Ereignissen, die etwa zur Schliessung eines Produktionsstandortes führen.

Von der Abschlussprüferin und vom Abschlussprüfer wird in der Öffentlichkeit vermehrt erwartet, dass sie nicht nur die Korrektheit der Unternehmenszahlen feststellen, sondern auch ein Fehlverhalten aufdecken können. Wird das mit dem Einsatz von künstlicher Intelligenz nun eher möglich?

Der Begriff Revision wird in der Öffentlichkeit dahingehend verstanden, dass Wirtschaftsprüfer ein Unternehmen in allen Bereichen bis ins kleinste Detail prüfen. In Tat und Wahrheit besteht der Auftrag darin, zu prüfen, ob die Jahresrechnung dem Gesetz entspricht. Hier besteht seit langem eine Erwartungslücke. Aber zurück zu Ihrer Frage: KI-Tools können einen wertvollen Beitrag leisten, wenn es um das Erkennen von deliktischen Handlungen geht.

Wie weit werden denn die Plattformen der «Big four» mit ihrer integrierten KI-Unterstützung bei der Revision bereits angewendet?

Wir sind nicht mehr am Anfang der Lernkurve, aber der Weg ist noch lang und beschwerlich. Derzeit verfügen alle grossen Prüfungsgesellschaften über Cloud-basierte Systeme. Dies erlaubt den Mitarbeitenden ortsunabhängig den Zugriff auf die entsprechenden Daten und Tools. Bei KPMG beinhaltet das System KI-Agenten oder Chatfunktionen, die unsere Arbeit unterstützen. Ziel ist immer, mit diesen Tools die Prüfungsqualität zu verbessern. So können mit KI etwa grössere Datenmengen berücksichtigt werden, anstatt nur auf Stichprobenbasis zu prüfen.

Lassen sich damit die Prüfprozesse effizienter gestalten und die Risiken genauer bewerten?

Ja, das ist unsere Erwartung.

Mit der Anomalieerkennung, die Abweichungen von der Norm offenlegt, müssten doch betrügerische Aktivitäten mindestens im Ansatz sichtbar werden?

Letztlich ist das die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Das Problem ist, dass bei der Analyse grosser Datenbestände zu viele Abweichungen – Anomalien – auftreten. Daher ist es nicht zielführend, mit forensischen Methoden in der gesamten Buchhaltung nach betrügerischen Aktivitäten zu suchen. Kommt dazu, dass deliktische Handlungen auch ausserhalb der Buchhaltung stattfinden. Wichtig ist, dass die Wirtschaftsprüfer auf Warnsignale achten und aufgrund ihrer Erfahrung auch auf ihr Bauchgefühl hören. Der Faktor Mensch spielt sowohl beim Betrug als auch bei dessen Aufdeckung noch immer eine zentrale Rolle.

Wie steht es um die regulatorischen Entwicklungen? Gibt es von den internationalen Auditing-Instanzen schon Leitlinien zur Integration von KI in die Abschlussprüfung?

Das Thema ist schon seit längerem auf der Agenda des internationalen Berufsstands, des International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB). Die Herausforderung besteht darin, dass es sich um ein Querschnittsthema handelt, das alle Phasen einer Prüfung betrifft. Zudem muss das IAASB den weltweit unterschiedlichen Gegebenheiten des Berufsstands Rechnung tragen. Es hat jüngst eine Gap-Analyse veröffentlicht und festgelegt, welche Prüfungsstandards als erste überarbeitet werden sollen. Insgesamt ist der Prozess sehr zeitaufwendig, und die Realität scheint diesbezüglich zum Teil schon weiter zu sein.  

In der EU muss das Prüfungsmandat alle zehn Jahre neu ausgeschrieben werden. In der Schweiz genügt es, wenn die leitende Revisorin oder der Revisor alle sieben Jahre wechselt. Reicht das für die notwendige Unabhängigkeit der Revisionsstelle?

Die Unabhängigkeit ist zentral für eine effektive Prüfungsarbeit. Ist diese nicht gegeben, ist eine Revision für die Berichtsempfänger ohne Nutzen. Diesbezüglich tut der Berufsstand schon viel. Eine andere, ebenso wichtige Frage ist, ob mit einer zwingenden Rotation des Revisionsunternehmens die Qualität der Abschlussprüfung verbessert wird. Dafür gibt es keine eindeutige Evidenz. Kommt dazu, dass diese Pflichtrotation vor allem in Europa angewandt wird. Die USA als immer noch grösster Kapitalmarkt kennt das so nicht. Es scheint also mehr eine Frage der Überzeugung als eine Frage der Fakten zu sein. 

Aus dem «Swiss Audit Monitor» der Universität Zürich ist ersichtlich, dass fast ein Drittel der Gesellschaften aus dem SMI-Börsenindex seit über zwanzig Jahren die gleiche Revisionsfirma hat. Sehen wir da in den kommenden Jahren mehr Dynamik?

Im zahlenmässig grösseren Kreis der 200 SPI-Unternehmen wechselt ein Dutzend freiwillig jedes Jahr die Revisionsstelle. Da spielt der Markt. Persönlich bevorzuge ich unser System, weil so der Verwaltungsrat entscheiden kann, wann der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel der Revisionsstelle ist. Die Auswirkungen eines Wechsels sind nicht zu unterschätzen, weder für den Verwaltungsrat selbst noch für das Unternehmen.

Zur Person

Im Finanzsektor werden derzeit die vier systemrelevanten Banken von der gleichen Revisionsfirma betreut. Ist das nicht problematisch?

Das ist sicher eine besondere Situation, aus aufsichts- und wettbewerbsrechtlicher Sicht. In der Regel sind Unternehmen derselben Branche aber darauf bedacht, nicht vom gleichen Revisionsunternehmen geprüft zu werden. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob diese Situation so andauern wird. 

Nun gibt es aber bereits politische Vorstösse, dass man die Revisionsfirma bei den systemrelevanten Banken durch die Aufsichtsbehörde Finma bestimmen lassen solle. Halten Sie das für eine sinnvolle Idee? 

Die Idee, dass die Zuteilung der Revisionsmandate zentral etwa durch eine Behörde erfolgt, fand sich schon im «Green Paper on Audit Policy» der EU. An dieser Stelle bin ich jeweils erstaunt über das grosse Vertrauen in den Staat. Dieser scheint über die notwendigen Kompetenzen zu verfügen und alles zu wissen. Da habe ich meine Bedenken und mehr Vertrauen in den Markt sowie in die Unternehmen und deren Verwaltungsräte, die die Auswahl der Revisionsstelle allerdings sorgfältig und transparent vornehmen müssen. Zudem wurden im Nachgang zu Sarbanes-Oxley weltweit Revisionsaufsichtsbehörden ins Leben gerufen. Natürlich passieren im heutigen System auch Fehler, aber es wäre ein Trugschluss, zu glauben, dass solche einer staatlichen Behörde nicht unterlaufen.

Im letzten Jahrzehnt gab es bei den SPI-Unternehmen einen Trend weg von IFRS zum weniger komplexen Schweizer Standard Swiss GAAP FER. Weshalb lässt sich das in der jüngsten Vergangenheit nicht mehr beobachten?

Diese Marktaufteilung zwischen IFRS für Unternehmen mit einer internationalen Ausrichtung und Swiss GAAP FER für mehr lokal ausgerichtete Firmen wurde zu einem guten Teil bereits vollzogen. Zudem erfreut sich der Schweizer Standard auch im Bereich der nicht kotierten Gesellschaften einer grossen Verbreitung. Die Swiss GAAP FER ist ein gutes Beispiel einer funktionierenden Selbstregulierung und des Milizsystems; zwei Aspekte, die zum Erfolg der Schweiz beigetragen haben und die auch in Zukunft hochgehalten werden sollten.

Mit der fortschreitenden Digitalisierung verändert sich auch das Anforderungsprofil in der Wirtschaftsprüfung. Wird das klassische Accounting-Wissen von neuen Kenntnissen in der KI zurückgedrängt?

Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer können nicht durch KI ersetzt werden. Aber KI kann uns bei der Prüfung wertvolle Hilfsdienste leisten. Barbara E. Weissenberger, eine geschätzte Kollegin aus Deutschland, hat dies jüngst prägnant formuliert: «KI ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.» Oder anders gefragt: Wie soll man die Resultate der KI beurteilen, wenn man nicht weiss, was richtig oder falsch ist?

Wie wandelt sich die Hochschulbildung im Bereich Accounting und Audit?

Entscheidend wird auch künftig bleiben, dass wir den Studierenden das Grundlagenwissen im Accounting und Audit vermitteln. Dazu gehören Buchungssätze und Prüfungsstandards. Sowohl im Studium als auch in der Wirtschaftsprüferausbildung müssen wir einerseits fachliche Themen vertiefen, weil dies die Grundlage für das professionelle Ermessen ist. Anderseits müssen wir auch die kritische Grundhaltung schulen, etwa indem wir mit Fallstudien und kleineren Gruppen arbeiten. Bei der Vermittlung der Inhalte werden wir vermehrt neue Formen und Methoden einsetzen, indem vorgängig zu Schulungen vor Ort zum Beispiel digitale Lernsequenzen absolviert werden müssen. Diese Kombination ermöglicht ein ort- und zeitunabhängiges und individuelles Lernen.

Wenn es um Compliance und Corporate Governance geht, wird oft moniert, beim Austausch zwischen dem Audit Committee des Verwaltungsrates und dem externen Prüfer bestehe noch Verbesserungspotenzial. Können Sie das auch beobachten?

Traditionell bewegt sich die externe Revision stark im Bereich der Compliance im Sinne von Aufzeigen, was nicht korrekt gemacht wurde. Das ist der Kern des gesetzlichen Auftrags. Die Feststellung, dass eine Jahresrechnung dem Gesetz entspricht, ist für das Audit Committee wichtig. Sie bezieht sich aber einerseits auf die Vergangenheit, anderseits auf das Resultat. Den Verwaltungsrat interessiert jedoch auch der Prozess und wie das Unternehmen im Vergleich mit anderen Unternehmen aufgestellt ist. Zudem will das Audit Committee über zukünftige Entwicklungen informiert werden, die für die Unternehmensberichterstattung relevant sind. Schliesslich möchte das Audit Committee vermehrt teilhaben an Erkenntnissen, welche die Wirtschaftsprüfer im Rahmen ihrer Prüfung erhalten haben.

Die «Big four» sind bei Digitalisierung und KI in der Branche federführend. Heisst das auch, dass es bei den kleinen und mittleren Revisionsfirmen zu einer Konsolidierung kommt?

Die Konsolidierung hat bereits eingesetzt, allerdings aus anderen Gründen. Bei vielen kleineren Revisionsfirmen stellt sich beispielsweise die Nachfolgefrage. Auch neue Prüfungsstandards oder eine zunehmende Regulierung werden als Gründe angeführt. Insgesamt scheint es im Schweizer Markt aber eine sinnvolle Aufteilung zwischen den grossen und kleineren Revisionsunternehmen zu geben. Mit der Digitalisierung sind für kleinere Revisionsfirmen vor allem zu Beginn Kosten verbunden, aber längerfristig ergeben sich auch Chancen, indem die Prüfungsarbeiten effizienter erledigt werden können und damit Zeit für andere Tätigkeiten geschaffen wird.