Der Microsoft-Mitgründer Bill Gates veröffentlichte am Dienstag auf seinem Blog «Gates Notes» einen siebenseitigen Brief mit dem Titel «Das Zeitalter der KI hat begonnen». Der Brief beinhaltet seine Ansichten dazu, wie die Zukunft der künstlichen Intelligenz (KI) aussehen wird. Seiner Einschätzung nach ist die Entwicklung in ihrer Bedeutung für die Menschheit gleich zu gewichten wie die Erfindung des Mikroprozessors, des Computers für zu Hause und des Smartphones.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Gates öffentlich seine Begeisterung von künstlicher Intelligenz äussert. Besonders in den Bereichen Bildung und Diagnostik befürwortet er schon länger den Einsatz von KI. Der Milliardär spricht im aktuellsten Beitrag aber auch seine Bedenken an, etwa dass Menschen die Technologie missbrauchen könnten oder dass eine «superintelligente» KI sich «ihre eigenen Ziele festlegen könnte».

Diese Bereiche sieht Gates im Fokus:

1. KI wird in Büros Einzug halten – und bleiben

Gates schreibt ganz am Anfang darüber, wie künstliche Intelligenz «ein Assistent» sein könne, ein Werkzeug zur Verbesserung der Produktivität im Office. So könne sie beim Schreiben von E-Mails, Reports und der Verwaltung des Posteingangs bereits helfen. In Zukunft soll sie zum «persönlichen Assistenten» reifen, der auf allen Geräten übergreifend agiert und das Leben leichter macht.

Neben dem persönlichen KI-Assistenten spricht Gates im Beitrag auch die unternehmensweiten Assistenten an, die einen Grossteil der Verwaltung übernehmen und Mitarbeitenden täglich Orientierung und Unterstützung geben können. «Da die Rechenleistung immer billiger wird, wird die Fähigkeit von GPT, Ideen auszudrücken, zunehmend so sein, als hätte man einen Angestellten, der einem bei verschiedenen Aufgaben hilft», schreibt er.

Heisst im Klartext: Presse scannen, Texte zusammenfassen, Aktivitäten der Konkurrenz im Netz monitoren, Social-Media-Geflüster sammeln und auswerten, Reputationsrisiken frühzeitig erfassen, einfache und erste Kundenkontakte – das alles dürfte zunehmend mit Einsatz von KI erledigt werden.

2. KI im Bildungswesen

Der zweite Punkt: das Bildungssystem. Lehrpersonen würden nicht verschwinden, aber sie würden sich anpassen müssen, meint Gates. In den nächsten fünf bis zehn Jahren, so prognostiziert er, werde KI das Bildungswesen umkrempeln. Nicht nur auf Basis der Inhalte, die die Maschine liefern kann, sondern auch das Einstellen auf Lernende. KI werde Lehrkräfte darin unterstützen, herauszufinden, was einzelne Schülerinnen und Schüler motiviert und welche Fächer sie wie angehen sollen. 

Auch die administrative Arbeit könne KI, wie im Büro, den Lehrpersonen abnehmen: Stundenpläne, Unterrichtslektionen und Termine für Elterngespräche seien schnell geplant. Das gebe den Lehrpersonen mehr Zeit, sich auf die Schülerinnen und Schüler zu konzentrieren. «Selbst wenn die Technologie perfektioniert ist, wird das Lernen immer noch von den guten Beziehungen zwischen Schülern und Lehrerinnen abhängen», schreibt Gates. «KI wird die Arbeit, die Schülerinnen und Lehrer gemeinsam im Klassenzimmer leisten, zwar verbessern, aber niemals ersetzen.»

Gewiss würden die Lernenden GPT und andere KI-Tools für Aufgaben nutzen, ist sich Gates sicher. Hier sei es die Aufgabe der Lehrperson, dem Schüler zu zeigen, wie eine von GPT erstellte Rohfassung händisch ausgearbeitet werden kann.

3. KI im Einsatz gegen medizinische Ungleichheit

Gates prognostiziert weiter, dass KI die Ungleichheit im globalen Gesundheitswesen verringern könne, indem sie dem Gesundheitspersonal Aufgaben, etwa das Einreichen von Versicherungsansprüchen, das Ausfüllen von Papierkram und das Verfassen von Arztberichten, abnimmt. KI werde aber vor allem die Geschwindigkeit medizinischer Durchbrüche «dramatisch beschleunigen», indem sie Nebenwirkungen vorhersagt, Dosierungen festlegt und Medikamente und Impfstoffe für Gesundheitsprobleme entwickelt.

Er sei sich bewusst, dass für unterschiedliche Gebiete der Welt unterschiedliche Bedingungen gelten. Gates schreibt, dass in verarmten Ländern, in denen «viele Menschen nie eine Ärztin sehen», KI es dem medizinischen Personal ermöglichen könnte, besser auf den Patienten einzugehen. Möglicherweise könne KI auch bei Ferndiagnosen zu Hilfe kommen. Man müsse aber aufpassen, dass die Maschine jeweils mit Daten der in den Gebieten lebenden Bevölkerung gefüttert sei, um einem «Bias» entgegenzuwirken.

4. KI in der Landwirtschaft

Der vierte Punkt: die Landwirtschaft. Vor allem in der Herstellung von Saatgut könne KI helfen, Produkte zu entwickeln, die an die lokalen Bedingungen wie Bodenbeschaffenheit, Klima und Witterung angepasst sind, so Gates. Ähnlich wie bei der Humanmedizin könne KI auch dazu beitragen, Impfstoffe für Vieh zu entwickeln. Gemäss Gates solle dies vor allem in ärmeren Ländern zum Zug kommen.

«Die Ungerechtigkeit des Klimawandels besteht darin, dass die Menschen, die am meisten leiden – die Ärmsten der Welt – auch diejenigen sind, die am wenigsten zu diesem Problem beigetragen haben», so der Microsoft-Mitgründer. 

5. Die Risiken der KI

Und zum Schluss die Risiken: Gates spricht hier die Fehlerquote von Chat GPT an. Er wisse, dass nicht immer alles korrekt sei, was die KI äussere. Besonders abstrakte Themen würde den Maschinen (noch) schwerfallen. Aber: «Die Entwicklerinnen und Entwickler arbeiten daran, und ich glaube, dass sie in weniger als zwei Jahren, möglicherweise sogar viel schneller, weitgehend behoben sein werden.»

Die wahren Probleme sieht er andernorts: Menschen, die mit KI «bewaffnet» sind, oder eine KI, die ausser Kontrolle gerät und ihre eigenen Ziele setzt. «Was werden das für Ziele sein? Was geschieht, wenn sie mit den Interessen der Menschheit kollidieren? Sollten wir versuchen, zu verhindern, dass eine starke KI jemals entwickelt wird?», fragt Gates – und lässt die Frage offen. Er schliesst: «Künstliche Intelligenz hat immer noch keine Kontrolle über die physische Welt und kann sich keine eigenen Ziele setzen.»

Lesen Sie hier den ganzen Beitrag von Bill Gates.

Olivia Ruffiner
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