Was passiert, wenn man das angesagteste KI-Tool der Welt bittet, einen ETF zu entwickeln, der den US-Aktienmarkt schlagen kann? Es sagt Ihnen dasselbe, was jeder frustrierte Aktienmanager tut.

Um herauszufinden, wie nah die Technologie wirklich daran ist, die Armee der Analysten, Experten und Geldgeber an der Wall Street zu ersetzen, wurde Chat GPT, dem Tool für künstliche Intelligenz (KI), die Aufgabe erteilt, ein Gewinnerportfolio für den US-Aktienmarkt zu erstellen. 

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Das Ergebnis: Das Tool erklärte, dass der Markt zu unberechenbar sei, um einen solchen Fonds zu erstellen, und wies gleichzeitig darauf hin, dass Anlagen ausgewählt werden sollten, die zu den Zielen und der Risikobereitschaft eines Investors passen.

Ein Punkt für die Menschen

Es scheint, dass die KI trotz dem ganzen Hype noch nicht ganz bereit ist, die Welt der Aktienauswahl zu erobern.

Oder kennt Chat GPT vielleicht das Geheimnis, wie man den Markt schlägt, ist aber intelligent genug, es nicht zu verraten? Überall an der Wall Street – auch im Bereich der ETF – gibt es bereits durch künstliche Intelligenz gesteuerte Anlagen, und einige schlagen den Markt derzeit. 

Ein aktuelles Highlight ist der AI Powered Equity ETF (Ticker AIEQ), ein 102 Millionen Dollar schweres Vehikel, das bis Mittwoch eine Rendite von 9,9 Prozent im Jahr 2023 erzielt hat, verglichen mit 4,7 Prozent für den S&P 500 Total Return Index.

AIEQ verwendet ein quantitatives Modell, das rund um die Uhr auf der Watson-Plattform von IBM läuft, um täglich mehr als 6000 börsennotierte Unternehmen in den USA zu bewerten. Dabei werden regulatorische Unterlagen, Nachrichten, Managementprofile, Stimmungsindikatoren, Finanzmodelle, Bewertungen und mehr ausgewertet.

Das von EquBot entwickelte und von der ETF Managers Group betreute Produkt kann Bestände und Expositionsniveaus schnell ändern und ist damit ein Stimmungsbarometer für Beobachter. 

Frau schaut auf das Wall-Street-Gebäude. Man sieht nur ihren Hinterkopf, sie trägt eine Jacke mit Kapuze.

An der Wall Street gibt es Anlagen, die durch KI gesteuert werden.

Quelle: imago/Sipa USA

Das Jahr 2023 beginnt mit einer gemischten Allokation. Zu den wichtigsten Positionen gehören derzeit das Einrichtungsunternehmen RH, die Las Vegas Sands, das nachhaltige Energieunternehmen Constellation Energy und JPMorgan Chase & Co. Die Analyse der Renditen zeigt, dass die zyklischen Konsumgüter des ETF – darunter Aktien von Unternehmen wie Caesars Entertainment, Kohl’s und dem Meme-Stock-Favoriten Gamestop – in diesem Jahr die grössten Treiber der Performance waren.

Erweitert man jedoch den Zeithorizont, wird die marktübertreffende Leistung des AIEQ zunichtegemacht. Seit seiner Auflegung im Jahr 2017 hat der ETF den Anlegerinnen und Anlegern laut den von Bloomberg zusammengestellten Daten einen Gewinn von etwa 41 Prozent beschert. Der S&P 500 Total Return Index hat im gleichen Zeitraum mehr als 72 Prozent geliefert. 

«Er funktioniert am besten, wenn er Momentum-Namen im Wachstumsbereich findet», sagte Jessica Rabe, Mitbegründerin von DataTrek Research. «Im letzten Jahr hatte er Mühe, in einem sehr volatilen Aktienmarkt Momentum-Namen zu finden, und wenn er die beste Erfolgsbilanz hatte, dann während Bullenmärkten, wenn er Tech-Namen bevorzugt.»

Vielleicht war es also klug von Chat GPT, nicht zu versuchen, den Markt zu schlagen. In einem nächsten Schritt wurde das KI-Tool um Hilfe bei einer anderen, nie endenden Aufgabe des Geldmanagements gebeten: einer Anlage, die eine klare Diversifizierung vom breiten Markt bietet.

Chat GPT empfiehlt, eine Beratung zu kontaktieren

Als Chat GPT aufgefordert wurde, einen ETF zu entwerfen, der eine Rendite liefert, die nicht mit dem US-Aktienmarkt korreliert, hat es einen Multi-Asset-Ansatz, der auch einige Alternativen einbezieht, vorgeschlagen.

Laut Eric Balchunas, dem leitenden ETF-Analysten bei Bloomberg Intelligence, sei das kein schlechtes Ergebnis – auch wenn die Geschichte zeige, dass menschliche Anleger ihre Anlageklassen eher getrennt halten. «Es handelt sich um solide Empfehlungen für Anlageklassen, die nicht korrelierte Renditen liefern», so Balchunas. «Das ist es, was die Mehrheit der institutionellen Anleger anstrebt. Sie haben eindeutig die Bücher gelesen.»

In der Antwort weist Chat GPT darauf hin, dass es schwierig ist, einen unkorrelierten ETF zu schaffen, da es in der Regel ein gewisses Mass an Co-Bewegungen gibt. Es drängt darauf, dass jedes Portfolio durch eine Analyse des Marktes ausgewählt werden sollte, und – eine gute Nachricht für die Finanzwelt – ermutigt einmal mehr, mit einem Berater zu sprechen.

Die Anerkennung der Grenzen von Chat GPT ist ein wichtiger Vorbehalt des informellen Experiments. Das Tool ist sprachbasiert und für den Dialog optimiert – es wurde nicht entwickelt, um die Märkte vorherzusagen. Open AI, das Unternehmen, das hinter Chat GPT steht, ist sich über seine Grenzen im Klaren, zum Beispiel, dass es nur begrenzte Kenntnisse über die Zeit nach 2021 hat.

Da das Tool kein neues maschinell erstelltes Portfolio im Detail liefern kann, wurde das Nächstbeste versucht und Chat GPT gebeten, «den besten KI-gestützten ETF» zu nennen. Aber aus irgendeinem Grund kämpft Chat GPT damit, überhaupt einen zu identifizieren – obwohl beispielsweise AIEQ die Worte «AI Powered» in seinem Namen trägt. Und obwohl es sagt, dass es einige ETF gibt, die künstliche Intelligenz als Teil ihres Anlageprozesses nutzen, nennt das Tool keine Namen.

Einige KI-gestützte ETF erzielen positive Renditen

Wenn Chat GPT Namen nennen würde, würde er wahrscheinlich den 419 Millionen Dollar schweren WisdomTree U.S. AI Enhanced Value Fund (AIVL) erwähnen, einen der grössten. Zusammen mit seinem Schwesterfonds, dem 82 Millionen Dollar schweren WisdomTree International AI Enhanced Value Fund (AIVI), wurde er vor einem Jahr geändert, um KI und maschinelles Lernen in seine Strategie und seinen Namen einzubeziehen.  

Der AIVL erzielte im vergangenen Jahr eine Rendite von etwa 0,8 Prozent, während der AIVI 2,6 Prozent verlor, gegenüber einem Verlust von 6,1 Prozent für den S&P 500 Total Return Index. Im Jahr 2023 weisen die beiden Fonds mit Gewinnen von 3,7 beziehungsweise 7,9 Prozent eine gemischte Performance gegenüber der Benchmark auf. 

Ebenfalls kurz vor seinem Jahrestag steht der 26 Millionen Dollar schwere AdvisorShares Let Bob AI Powered Momentum ETF (LETB), der eine Mischung aus Daten analysiert, um sowohl die fundamentale Stimmung als auch die technische Preisdynamik zu messen. Er hat seit seiner Auflegung etwa 9,2 Prozent verloren, liegt aber im Jahr 2023 etwa gleichauf. 

Ein spezialisierter Emittent, Qraft AI, betreibt mehrere kleine Fonds, die von Maschinen angetrieben werden. Sein 12 Millionen Dollar schwerer Qraft AI-Enhanced US Large Cap Momentum ETF (AMOM) hat in diesem Jahr eine Rendite von 4,5 Prozent erzielt. 

Der SPDR S&P Kensho New Economies Composite ETF (KOMP) mit einem Volumen von 1,7 Milliarden Dollar ist der grösste und auffälligste Fonds der Gruppe. Als einer von mehreren State-Street-Global-Advisors-Fonds, die Maschinen einsetzen, bildet er einen Index ab, der KI und quantitative Methoden verwendet, um Aktien auszuwählen, die unter anderem von KI profitieren. Er ist in diesem Jahr um 10 Prozent gestiegen. 

Matthew Bartolini, Leiter des SPDR Americas Research bei State Street, sagt, dass der Einsatz von KI bedeutet, dass der Fonds eine viel grössere Menge potenzieller Investitionen analysieren kann, als es Menschen allein schaffen können. «KI sieht sich Tausende von Seiten in nur wenigen Sekunden an», so Bartolini. «Man kann die Produktivität im Vergleich zu einem eher menschenbasierten Ansatz steigern.»

Um das Experiment zu beenden, wurde beschlossen, direkt zu sein. Chat GPT wurde unverblümt aufgefordert, «zu erklären, ob künstliche Intelligenz Aktien besser auswählen kann als ein Mensch». Die vollständige Antwort steht im Bild:

Chat GPT Aktien

Die Antwort von Chat GPT auf die Frage, ob er besser Aktien auswählen kann als ein Mensch

Quelle: Screenshot/Open AI

Es scheint also noch Hoffnung für die Menschen an der Wall Street zu geben.

(bloomberg/spi)