Die Auftritte chinesischer Marken auf europäischen Automobilmessen wie etwa von Brilliance oder von Landwind verliefen bisher nach festem Drehbuch: Die glänzenden Elektromodelle wurden von Hostessen enthüllt – danach folgten vollmundige Ankündigungen über einen baldigen Importstart zu verführerisch tiefen Preisen. Doch das war es von den ambitionierten Unternehmen. Chinas Autobauer verschwanden rasch wieder von der Bildfläche.

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Angestrebt wird ein «Kampfpreis»

Ausgerechnet der jüngste chinesische Elektroautoproduzent, die 2017 gegründete Gruppe Aiways, bricht aus diesem Muster aus und wird in Europa aktiv. Als erster Schritt wurde das Sport Utility Vehicle (SUV) U5 vom TÜV Rheinland für den europäischen Markt homologiert.

«Das Fahrzeug wird im Frühjahr 2020 nach Europa geliefert», verspricht Samuel Fu von Aiways. Das Startup-Unternehmen plant in China mit einem Preis von umgerechnet 35'000 Euro, der Schweizer Preis ist noch nicht festgelegt. Dem U5 mit einer Jahresproduktion von 150'000 Stück sollen mindestens zwei weitere E-Autos aus Shangrao bei Schanghai folgen.

In Europa wird der Geländewagen allerdings ausschliesslich online und als Leasingfahrzeug (monatliche Kosten um die 450 Euro) angeboten. Auf der Internetseite des Herstellers (www.ai-ways.eu) können Vorbestellungen und Testfahrten gebucht werden, geliefert wird der Wagen gebührenfrei vorläufig aber nur nach Deutschland. Offen ist der Beginn der Auslieferungen in die Schweiz.

CHENGDU, CHINA - SEPTEMBER 05: An AIWAYS U5 car is displayed during the 22nd Chengdu Motor Show on its opening day at Western China International Expo City on September 5, 2019 in Chengdu, Sichuan Province of China. The 22nd Chengdu Motor Show, held from September 5 to 14 at Western China International Expo City in Chengdu, displays over 1,600 cars from more than 130 car brands. (Photo by VCG/VCG via Getty Images)

Ein neuer Stromer aus China fährt bald auf Europas Strassen.

Quelle: VCG via Getty Images

Verkäufer kommt nach Hause

Nicht nur bei der Antriebstechnologie löst sich Aiways von konventionellen Konzepten, auch beim Vertrieb kommen frische Lösungen zum Einsatz. Klassische Autohäuser und -garagen wird es nicht geben. Wer eine Probefahrt bucht, wird vom Verkäufer zu Hause oder am Arbeitsplatz besucht. Als Partner für Reparaturen und Wartung kommt in Deutschland, so die Planung, die Allianz-Versicherung mit ihren Vertragswerkstätten ins Spiel.

Das SUV mit 4,68 Meter Länge und damit der Grösse eines VW Tiguan Allspace besitzt nach Werksangaben eine Reichweite von 503 Kilometern und bietet dank dem platzsparenden E-Antrieb und einem 2,80 Meter messenden Radstands grosszügige Platzverhältnisse im Innenraum.

14'000 Kilometer lange Testfahrt

Dass die Reichweitenangaben nicht vollkommen unrealistisch sind, zeigte im vergangenen September die 14'000 Kilometer lange Testfahrt mit zwei Prototypen vom Werk in China nach Frankfurt zur IAA. Dabei erreichten die Testfahrer Werte von 400 Kilometern und mehr mit einer einzigen Batterieladung. Als Standard kommt ein 63 kWh starker Energiespeicher zum Einsatz.

Wenn es etwas mehr Reichweite sein soll, können die Kunden zusätzliche 20 Kilowattstunden Leistung buchen, was den nächsten Ladestopp um 100 Kilometer verschiebt. Die Motorleistung gibt Aiways mit 170 PS (125 kW) an, das Drehmoment soll bei 315 Newtonmetern liegen. In 27 Minuten soll sich die Batterie von 30 auf 80 Prozent aufladen lassen. Die Abteilung Energiespeicherung ist ständig mit einer Temperaturkontrolle verbunden, um die Laufzeit der Batterie zu verbessern.

Um besser über die Elektromobilität informieren zu können, haben der Touring Club Schweiz (TCS) und das Energieunternehmen Energie 360° im Glattzentrum in Wallisellen den E-Garden als Marken und branchenübergreifenden Pop-up-Store eröffnet.

Die Ausstellung ist bis zum 4. Januar 2020 geöffnet.

Informiert wird im E-Garden über die aktuellen Modelle (gezeigt wird auch der Aiways U5), die 2020 anstehenden Premieren und weiterführende Fragen wie etwa das Laden. Auf einer Fläche von rund 700 Quadratmetern können sich Interessierte zwei Monate lang zu allen Aspekten der Elektromobilität informieren und beraten lassen.

Für den U5 entwickelten die Aiways-Ingenieure mit der MAS-Plattform (More Adaptable Structure) eine eigene Basis, die – aus Aluminium gefertigt – zum vergleichsweise geringen Fahrzeuggewicht von 1730 Kilogramm beiträgt. Die Karosserie ist aus konventionellen Stahlblechen gefertigt. Damit unterbietet der U5 vergleichbare Mitbewerber um rund 20 Prozent. Der cw-Wert liegt bei 0,29. Serienmässig kommen LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten zum Einsatz, ausserdem ist der U5 vollständig vernetzt.

Im Hintergrund deutsches Know-how

Hinter Aiways stehen der ehemalige Finanzchef des chinesischen Automobilkonzerns Saic, Gu Feng, und der frühere Audi-Sportchef sowie Volvo-China-CEO Roland Gumpert, der als Produktionschef fungiert und für Aiways den Supersportwagen Nathalie mit Brennstoffzellenantrieb entwickelt hat.

E-Auto-Modelle in Europa werden sich bis 2021 verdreifachen

Die Zahl der angebotenen E-Autos steigt in den nächsten drei Jahren von 60 auf 214. Vorne liegt nicht Tesla, sondern die Volkswagen-Gruppe. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch beim Transport nach Europa geht Aiways neue Wege. Um Zeit und Kosten zu sparen, werden die Autos mit dem Zug in 16 Tagen nach Deutschland transportiert. So werden gegenüber dem Seeweg rund drei Wochen eingespart.