Hohe Kerosinpreise und der harte Wettbewerb werden schwache Airlines in Europa zum Aufgeben zwingen. So prophezeiten es für 2018 etwa Ryanair-Boss Michael O'Leary oder Carsten Spohr, der Chef der Lufthansa-Gruppe, zu der auch die Fluggesellschaft Swiss gehört. Grosse Pleiten oder Übernahmen blieben aber vorerst noch aus.

Die Grossen der Branche sehnen schon lange die Bereinigung am dicht beflogenen europäischen Markt herbei - sie haben das Oligopol in den USA mit rund 90 Prozent Marktanteil durch eine Handvoll Anbieter als Vorbild vor Augen. Die grössten Fünf in Europa kommen derzeit auf rund zwei Drittel Marktanteil. Doch seit dem Niedergang von Air Berlin 2017 lässt die nächste grosse spektakuläre Pleite oder eine grössere Übernahme auf sich warten.

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Auch in der Schweiz ist Marktbereinigung greifbar

Branchenexperten gehen davon aus, dass sich die Marktbereinigung weiter unter den rund 150 kleineren Anbietern abspielt. «Die Konsolidierung unter den kleinen Airlines geht weiter», sagt etwa Daniel Röska, Analyst beim Brokerhaus Bernstein.

In der Schweiz war in den vergangenen Monaten eine Marktbereinigung bereits greifbar: Nachdem 2017 mit der Air Berlin und ihrer Schweizer Tochter Belair ein grosser Player verschwunden war, ist diesen Herbst auch die von Bern aus operierende Regionalfluggesellschaft SkyWork Pleite gegangen. Ende 2017 meldete zudem die in Lugano ansässige Darwin Airline Insolvenz an.

Externe Faktoren können existenzbedrohend werden

Als Belastung erweisen können sich für Fluggesellschaften mit nur zehn oder zwanzig Fliegern insbesondere externe Faktoren: So wird der in diesem Jahr um gut 30 Prozent gestiegene Kerosinpreis nach Prognosen des Internationalen Airline-Verbandes IATA 2019 nur geringfügig sinken. Und auf der anderen Seite soll das Sitzplatz-Angebot der Fluggesellschaften insgesamt stärker steigen als die Nachfrage.

«Das führt zu Preisdruck, vor allem im touristischen Fluggeschäft», sagt Branchenexperte Röska. Zugleich könnten die Zinsen anziehen, was bei kleinen Airlines mit geleasten Flugzeugen unmittelbar durchschlägt.

Und auch die Folgen des jüngsten Flugchaos bedeuten steigende Kosten, wie Eric Heymann von Deutsche Bank Research erklärt. Zwar lag die hohe Zahl an verspäteten und gestrichenen Flügen vor allem am Personalengpass in der Flugsicherung. Aber um effektiv gegenzusteuern, müsste auch an den Flughäfen und bei den Airlines selbst investiert werden, erklärt Heymann. Diese notwendige Kapazitätserhöhung gebe es nicht zum Nulltarif. «Die Wachstumsschmerzen im Luftverkehr, gepaart mit zuletzt höheren Kerosinpreisen, dürften einzelne Marktakteure wirtschaftlich überfordern.»

Ryanair als Profiteur

Jene kleineren Anbieter, die auf der Strecke bleiben - wie zuletzt etwa Cobalt Air aus Zypern - hinterlassen Lücken, die schnell und geräuschlos geschlossen werden, zum Beispiel vom grössten europäischen Billigflieger. «Das nützte bisher vor allem Ryanair, denn die Iren haben mit 92 die mit Abstand grösste Zahl an Standorten in Europa», sagt Bernstein-Analyst Röska.

Ein Eigentümerwechsel bahnt sich bei der seit anderthalb Jahren insolventen staatlichen Alitalia an: Hier steigt die staatliche Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (FS) mit 15 Prozent ein. Der britische Billigflieger Easyjet und die US-Airline Delta werden als weitere Anteilseigner umworben.

Ursprünglich galt die Lufthansa als Wunschkandidat der staatlichen Verwalter auf der Suche nach Käufern. Doch der deutsche Konzern wollte nur zugreifen, wenn sich Alitalia zuvor gesund schrumpft - wonach es nicht aussieht. Nach Einschätzung von Ruxandra Haradau-Döser, Luftfahrtexpertin von Kepler Cheuvreux, ist das Kapitel Alitalia für die Lufthansa damit geschlossen. Allerdings werde die zu Qatar Airways gehörende Air Italy auf dem wichtigen italienischen Markt immer stärker. Deshalb gelte: «Die Lufthansa braucht einen Plan B für Italien

Alle schielen auf Norwegian Air

Gleich selbst zum Verkauf gestellt hat sich unter dem Druck hoher Kosten die britische Regionalfluggesellschaft Flybe. Die Iberia- und British-Airways-Mutter IAG sowie Virgin Atlantic sollen hier im Rennen für eine Übernahme sein.

Als Übernahmekandidat gilt schon länger auch die skandinavische Billig-Airline Norwegian Air Shuttle, der nach Ryanair und Easyjet drittgrösste Low-Cost-Anbieter in Europa. Ein Übernahmeangebot von IAG hat Norwegian-Chef und Hauptaktionär Björn Kjos jedoch ausgeschlagen, weil es ihm zu niedrig war. Auch die Lufthansa stand nach eigenem Bekunden im Kontakt mit Norwegian.

(awp/tdr)