So dynamisch mischten die Airlines aus den Golfemiraten die Flugindustrie auf, entwickelten die neuen Ideen der fernöstlichen Konkurrenz in kühler Perfektion weiter, brachten mit Leichtigkeit das Vergnügen des Fliegens an Bord zurück – es hatte etwas Atemberaubendes. Doch es ist Vergangenheit.

Heute trüben die führenden Wüsten-Airlines die Freude ihrer Passagiere mit nachlässiger Gesamtleistung. Durch-gesessene Sitze, mangelhafte Kabinen- und Toilettenreinigung, launisches Personal und fades Essen sind selbst in der Business Class von Etihad Airways (Rang 7) und Emirates (10) nicht mehr die Ausnahme, sondern häufig geäusserte Kritikpunkte bei insgesamt 63 beurteilenden Airlineprofis und Vielfliegern im Rating der BILANZ. Die Urteile international massgebender Reisepublikationen und Luftfahrt-Testsites, allen voran des unabhängigen Portals Skytrax, das die Flugerfahrungen von jährlich rund 18 Millionen Passagieren aus 160 Ländern auswertet, bestätigen diese Tendenz ebenso wie eigene Flugtests (siehe «So wurde bewertet»). Dagegen steigt der einstige Star Singapore Airlines auf.

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Fehlende Kundennähe. Zwar wird an Bord der Nahost-Carrier unverändert ein grosses Service-Trallala im Stil von «Oh yes, Sir, no problem, Madam» veranstaltet, allerdings wird selbst einfachsten Wünschen wie jenem nach einem Glas Wasser oder der Aufforderung, zum Frühstück bitte nicht geweckt zu werden, oftmals nicht nachgekommen. Aufmerksam werden viele Crewmitglieder erst beim Duty-free-Verkauf. Vermehrt bemängeln Experten auch die Narrenfreiheit arabischer Mitreisender. «Das Bordpersonal müsste strikter eingreifen, wenn sich einzelne Feudalherren und deren Entourage schlecht benehmen», rügt der Geschäftsführer eines exklusiven Reiseveranstalters.

Geradezu katastrophal kommt der Kundendienst von Emirates weg. Ungezählte Reklamationen und Frusttiraden in Blogs wie Internet-Reiseportalen sprechen eine deutliche Sprache. Läuft bei einem Emirates-Flug etwas schief, wird auf Beschwerden möglichst gar nicht erst reagiert. Die Haltung von Emirates: Mache es dem verärgerten Kunden so schwer wie möglich, an eine Entschädigung zu gelangen; aus Zeitmangel werden die meisten eine solche nicht einfordern. Beharrlichen Passagieren wird bestenfalls ein jämmerliches Trostpflaster angeboten – beispielsweise zehntausend Meilen Gutschrift für einen defekten, nicht verstellbaren Business-Sitz auf dem vollbelegten Nachtflug von Dubai nach Sydney. Selbst treue Vielflieger gehen so auf Nimmerwiedersehen verloren.

Auch Qatar Airways (2), der Spitzenreiter der beiden letzten Jahre, enttäuscht die Erwartungen befragter Experten an die weltbeste Airline. Machten zuvor die hochgradig passagierbewussten Crews, die aussergewöhnliche Detailpflege und das ehemals vorbildliche Beschwerdemanagement die Unzulänglichkeiten am Flughafen Doha und die oft überlangen Wartezeiten für Anschlussflüge wett, fehlen heute die Konstanz der Servicequalität und die Grosszügigkeit in kleinen Dingen.

Die Konzernlenker von Qatar Airways scheinen sich genauso wie die Rivalen in Dubai und Abu Dhabi auf unternehmerische Paukenschläge, Materialschlachten und Effizienzmassnahmen zu konzentrieren – und nach Jahren des Wachstums und zur Schau getragener Siegesgewissheit ihre Hauptaufgabe zu vergessen, nämlich die Dienstleistung am Passagier.

Verlässlich herausragend bleiben nur die Business-Liegesitze auf Langstrecken (auch auf der Strecke Zürich–Doha im Dreamliner Boeing 787, der in diesen Tagen wieder abheben darf) und das tadellose Essen, das à la carte und zu jeder gewünschten Zeit serviert wird. Zudem soll der neue Hamad International Airport Doha bald funktionsfähig sein, und im Oktober wird Qatar Airways der Oneworld-Allianz beitreten.

Neuer alter Spitzencarrier. Singapore Airlines erobert angesichts der Schwäche der Konkurrenz aus Nahost den ersten Platz zurück. Sowohl in BILANZ-Flugtests als auch in der Wertung der aktuell befragten Vielflieger bietet der Carrier aus dem südostasiatischen Stadtstaat momentan die beste Gesamtperformance am Flughimmel.
Die Mängelliste ist zwar auch beim diesjährigen Primus beachtlich, wie ein Blick auf zahlreiche kritische Passagierbewertungen bei Skytrax, Airlinetest und Co. offenbart. Bemängelt werden vor allem die grosse Diskrepanz zwischen topmodernen und erstaunlich klapprigen Maschinen sowie die komplizierte Umwandlung der Business-Sitze in Flachbetten. Singapore Airlines ist allerdings «as good as it gets in the sky», wie das englische Reisemagazin «Condé Nast Traveller» attestiert.

Die hohe Kunst der Dienstleistung: Bei Singapore Airlines ist sie in selbstverständlicher Professionalität zu spüren. Der Service: hellwach, hilfsbereit, ohne übertrieben zu wirken, zum Beispiel wenn das Gepäck verloren geht oder bei schlechten Wetterbedingungen. Wird ein Anschlussflug verpasst, zieht der Singapore-Kundendienst alle Register inklusive Hotelzimmer, Essen und effizienter Betreuung für mögliche Umbuchungen am Zielort.

Selbst kleine Ärgernisse handhabt die Crew souverän: Funktioniert das Unterhaltungssystem eines Economy-Sitzes bei vollbelegter Kabine nicht richtig, versucht sie, den technischen Defekt zu beheben, und die Airline kompensiert den Ausfall dann ohne Aufhebens mit einem Inflight-Shopping-Guthaben von 75 Singapur-Dollar.

Auf der Suche nach dem entscheidenden Mehrwert setzen auch die japanische ANA (Rang 3), Air New Zealand (6) und Finnair (14) auf die menschliche Temperatur ihrer Marken. Dies manifestiert sich zum einen in der vergleichsweise hohen Wertschätzung der Mitarbeiter durch die frontnahen Airline-Bosse, zum anderen in einem verstärkten Eingehen auf individuelle Passagierbedürfnisse.

Vertrauen durch Empathie. Der Kunde steht nicht im Weg, sondern im Mittelpunkt, wie sich auch beim BILANZ-Testflug zeigte: Ein selbst verschuldeter Fehler bei der Planung eines Anschlussflugs unmittelbar vor der Rückreise von Auckland nach London zur Weihnachtszeit wurde vom Bodenpersonal der Air New Zealand verständnisvoll, unkompliziert und blitzschnell gelöst, obschon der Zubringerflieger schon startklar war. Was sich zu einem finanziellen und organisatorischen Albtraum hätte entwickeln können, wurde zu einer Studie neuseeländischer Flexibilität und Dienstbereitschaft. Eine Erfahrung, die für die meisten Passagiere wohl mehr wert ist als eine Auswahl von tausend Filmen inklusive der vollständigen James-Bond-Kollektion im Inflight-Entertainment mancher arabischer Airlines.

Auch die skandinavische Finnair versucht nicht, mit Superlativen zu tricksen – sondern macht einfach Grundsätzliches verlässlich gut: reibungslose Flugabläufe, saubere Maschinen, zeitgemäss geräumige Business-Class-Kabinen in den neuen Airbus A330, dazu unprätentiöses, aber bestens geschultes Bordpersonal, das intuitiv weiss, was für den einen Passagier gut ist und für den anderen unwichtig. Ab Zürich sind zahlreiche Asienrouten attraktiv. Zugleich zählt der Flughafen Vantaa in Helsinki zu den angenehmsten in Europa. Wir sind der Meinung: Finnair macht sich frisch und ist eine der meistunterschätzten Airlines.

Bei den Aufsteigern ist Oman Air (8) der Name, den es sich zu merken gilt. Die Boutique-Airline unter den Nahostgesellschaften mit Drehkreuz Maskat begeistert mit den derzeit weltbesten Business-Sitzen in einer geräumigen 1-2-1 Konfiguration. Ausserdem schmecken Rindsfilet, Steinbutt und Cappuccino bestens, und das Frühstück, mit dem andere Airlines ihre Passagiere oft genug zwei Stunden vor der Landung lärmend aufschrecken, beginnt erst 70 Minuten vor der Landung – leise. Nur das Entertainment enttäuscht.

Nummer eins in Europa. Die Swiss (5) bleibt klar die beste europäische Fluggesellschaft vor Turkish Airlines (12) und muss auch Preisvergleich nicht scheuen (siehe «Swiss preiswerter als ihr Ruf» auf Seite 66). Drei Vorteile machen Swiss zu einem Favoriten für Schweizer Vielflieger: Erstens die Direktverbindungen. Jeder, der geschäftlich oft reisen muss, möchte möglichst wenig umsteigen und kaum in Shopping-Mall-Lounges in der Wüste ausharren. Zweitens der Business-Class-Sitz auf Langstrecken.

Während die meisten anderen Airlines eine bunte Mischung von Bestuhlungen je nach Flugzeugtyp und Route anbieten, ist die gesamte Swiss-Flotte auf interkontinentalen Flügen mit denselben angenehmen Sesseln ausgestattet, die sich in horizontale Zwei-Meter-Betten verwandeln lassen. Und drittens die Swissness. Das bewährte «Taste of Switzerland»-Konzept mit bekannten Schweizer Köchen als Paten und authentischen Schweizer Produkten vom Käse bis zum Amenity Kit, dazu die mehrheitlich schweizerischen Crewmitglieder sorgen für ein qualitätsbetontes Borderlebnis.

Weniger gut sind bei Swiss das Unterhaltungsprogramm und die Flughafen-Lounges, die nicht an das Niveau der Weltbesten heranreichen. Überdies kommen Eco-Passagiere, die vor der Buchung den «Seat Pitch Guide» (Sitzabstand) von Skytrax googeln, eher nicht auf die Idee, lange Strecken mit Swiss zu fliegen.
Und noch weniger mit Lufthansa. Selbst für Businessreisende ist schon der Gedanke, Lufthansa (19) könne in der Liga von Cathay Pacific (4) oder der südkoreanischen Asiana Airlines (9) mitfliegen, vollkommen illusorisch. Die Kraniche halten der Konkurrenz nicht stand. Zwar wurde die neue Business Class für «höchsten Reisekomfort» (Eigenwerbung) konzipiert, doch der Sitz – eng, keilförmig, ohne Privatsphäre, vorne schräg zusammenlaufend – hechelt den internationalen Standards in geradezu peinlicher Weise um Jahre hinterher und erfordert nächtliche Kletterübungen über den schlafenden Nachbarn.

Selbst United Airlines (25) und Delta verfügen inzwischen über mehr Platz und waagerechte Betten an Bord. Überdurchschnittlich bei Lufthansa sind lediglich die Airport-Lounges.

Premium Economy im Aufwind. Der grosse Trend bleibt die Premium Economy auf Langstrecken: Knapp doppelt so teuer wie die Plackerei in der regulären Economy Class und mit allerlei Vorteilen wie rund 20 Prozent mehr Platz eignet sie sich für anspruchsvolle Flugreisende mit beschränktem Spesenbudget. Die Massstäbe in der beliebten Zwischenklasse setzen die australische Qantas (11), ANA, Air New Zealand, Turkish Airlines, British Airways (15) und Air France (23). Die Swiss sieht derzeit keinen Bedarf für ein Extraabteil, Lufthansa ist an der Planung einer Premium Economy.

Das verzweifelte Ringen der Airlines um Profitabilität ist vor allem in der Economy spürbar. Nach dem Vorbild der Low-Cost-Carrier specken viele Traditionsflieger alles ab, was das Fliegen auch nur ein bisschen angenehmer machte, und übrig bleibt die etwas anstrengende Art, von A nach B zu gelangen. Ausserdem sorgt das sogenannte «Unbundling» – das Zerlegen von ehemals kostenlos erbrachten Dienstleistungen – mit immer neuen Zusatzgebühren (etwa fürs Gepäck, für die Sitzplatzreservation oder für die Verpflegung an Bord) für neue Einnahmequellen respektive für Ärger bei den Kunden. In der Branche heisst das dann «Fliegen à la carte».

Wirkliche Innovationen muss man in diesem Berichtsjahr mit der Lupe suchen. So lässt sich Neues schliesslich bei Malaysia Airlines (13) entdecken: das kinderfreie Oberdeck im doppelstöckigen Airbus-Giganten A380 (Business und Economy Class).

Faktor Mensch. Zur allgemeinen Verbesserung des Reiseerlebnisses für alle Passagiere trägt das kostenlose Wi-Fi an immer mehr internationalen Flughäfen bei. Und hinter den Kulissen unterstützen die Airlines ihre Crews in der Business Class vermehrt mit Passenger-History-Aufzeichnungen auf Tabletcomputern. Treue Passagiere, zum Beispiel von British Airways oder Emirates, können also davon ausgehen, ihre Vorlieben und Abneigungen bezüglich Essen, Wein, Sitz und weiterer reisespezifischer Dinge beim nächsten Flug ungefragt berücksichtigt zu finden. Der Eintritt in die Welt von Big Data kann für die Airlines jedoch rasch in die Hosen gehen, wenn mit den Datensammlungen unsensibel umgegangen und die feine Trennlinie zwischen annehmlich und anmassend überschritten wird.

Entscheidend für das Flugerlebnis und den Erfolg jeder Airline bleibt die Haltung und Motivation der Mitarbeitenden. Gegenüber dem englischen Magazin «Monocle» hat Rob Fyfe, der frühere CEO von Air New Zealand, die Zukunft der Flugfahrtbranche so auf den Punkt gebracht: «Es wird nicht um den Sessel gehen und auch nicht ums Essen oder um das Entertainment. Es wird um einzelne Menschen gehen, die mit anderen Menschen in Interaktion stehen.» Ein Blick auf die aktuellen Rating-Tabellen zeigt, dass Fluggesellschaften mit einer persönlichen Note tendenziell im Aufwind sind. Vielflieger erkennen und honorieren die Bemühungen derjenigen Airlines, die ihre Kunden als Individuen erkennen und ansprechen – und die nicht vergessen, dass sie Teil einer Dienstleistungsindustrie sind, die auf menschlichen Beziehungen beruht. Sie dürfen dann viele Fluggäste tatsächlich gerne «bald wieder an Bord begrüssen».