Alkohol bei der Migros: Das wird ein Château Compliqué

Beim Alkohol fährt der Migros-Konzern heute einen veritablen Slalomkurs. Zwar gilt für die Supermärkte mit dem orangen «M» ein Alkohol-Verkaufsverbot; in anderen Kanälen des Retail-Riesen fliessen Wein und Bier aber reichlich. Etwa über die Discount-Tochter Denner, via den E-Commerce-Shop Migros Online, ebenso über Verkaufsformate wie Migrolino, Voi oder Alnatura. Als die «SonntagsZeitung» im Juli bekannt machte, dass sich die Migros mit dem heissen Thema Alkohol befassen will, löste das viele Fragen aus. Wie etwa würde ein allfälliges Alkohol-Angebot in den Migros-Supermärkten die Wein- und Bier-Umsätze von Denner kannibalisieren? Hat die Migros überhaupt Expertise im Feuerwasser-Geschäft? Und: Wie genau sieht der Weg aus, den die genossenschaftlich und verschachtelte Organisation Migros einschlagen müsste, um sich zu einem Alkohol-Ja durchzuringen? Über 32 Stufen musst Du geh'nZur letzten Frage herrscht nun Klarheit. Der orange Riese schenkt seinen Kundinnen und Kunden im aktuellen «Migros-Magazin» dazu reinen Wein ein. Zwar etwas versteckt auf Seite 46, dafür aber klar gegliedert: «Alkohol verkaufen? Der Fahrplan» ist ein bemerkenswertes Stück zum Thema Demokratie im Migros-Genossenschaftsbund (MGB). Der Weg zum Migros-Alkohol-Okay wird in der Hauspostille als «einzigartiger, demokratischer und komplexer Prozess» geschildert. Reicht es in anderen Grossfirmen, wenn Verwaltungsrat und Geschäftsleitung einen neuen Kurs einschlagen, so haben wir es bei Duttis Erben mit einem Verfahren zu tun, «in den am Ende nicht weniger als 32 verschiedene Organe der Migros involviert sein könnten», wie es in dem Bericht heisst. Delegiertenversammlung am 6. NovemberEin erster Schritt wird die Delegiertenversammlung sein, die sich am Samstag, 6. November, über das Dossier beugen wird. Dies auf Antrag von fünf Delegierten und nach Annahme der MGB-Verwaltung. Sollte das Ansinnen dort auf überwältigendes Abnicken stossen (zwei Drittel der Delegiertenversammlung müssten dafür sein), ist aber noch lange nicht die Trinkreife erreicht. Danach müssten die Verwaltungen und Genossenschaftsräte der zehn Genossenschaften ebenfalls der Aufhebung des Alkohol-Verkaufsverbots zustimmen. In Migros veritas: frühestens 2023Damit aber noch immer nicht genug. Nun müsste es zu einer Urabstimmung der über 2,2 Millionen Migros-Genossenschafterinnen und -Genossenschafter kommen. Aber auch hier ist ein Migi-Twist eingekorkt: «Nur in den Filialen von regionalen Genossenschaften, deren Mitglieder sich mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen» für die Aufhebung des Alkohol-Verkaufsverbots aussprechen, dürften auch tatsächlich Bier und Wein in die Gestelle kommen. Will heissen: Gut möglich, dass beispielsweise die Migros Luzern mit Bätziwasser und Zuger Kirsch aufwartet oder die M-Läden im Tessin einheimischen Merlot kredenzen, während die Genossenschaft Ostschweiz ein «Dry State» innerhalb des Migros-Kosmos bleibt. Eine regionale Ausgestaltung aber wäre schlecht fürs Geschäft, denn ein gemeinsamer Einkauf zu tiefen Preisen wäre unmöglich. Zudem würde man mit diesen Alleingängen der Migros-Tochter Denner ins hochprozentige Terrain fahren. Und bei einer Positionierung über dem Denner käme man mit dem Coop ins Gehege: Dieser ist mit seinem Weinsortiment bestens etabliert. «Das würde für die Migros nie ein Supergeschäft», winkt ein Migros-Kadermann ab. Wie genau sich das 32-stufige Verfahren bezüglich der Mehrheiten gestalten wird, ist heute zwar noch unklar. Zwei Dinge aber sind heute schon klar: Der Reifeprozess innerhalb des Konzerns ist ein Effort der Marke Château Compliqué. Und: Wenn überhaupt, dürfte es bis ins Jahr 2023 dauern, bis erste Wein- und Bierflaschen in Migros-Supermärkten stehen werden.