Am Samstag fällt der Startschuss zu einem langwierigen Prozess, an deren Ende ein bisheriges Migros-Tabu gebrochen werden könnte: Das Alkoholverkaufsverbot. Entscheiden werden am Ende wohl die 2,2 Millionen Genossenschafterinnen und Genossenschafter.

Bislang ist der Alkoholverkauf gemäss den Migros-Statuten in den stationären Filialen verboten. Damit habe der Gründer Gottlieb Duttweiler sicherstellen wollen, dass durch sein Geschäftsmodell «günstige Preise durch tiefe Margen» nicht die Alkoholsucht gefördert würde, schreibt die Migros auf ihrer Webseite.

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Der Konzern selber umgeht diese Regelung indirekt schon seit Jahren, indem er in seinen Tochterunternehmen Denner und Migrolino, seinem Internetladen leshop.ch, den Migrol-Tankstellen und den Partnerläden VOI Alkohol und zum Teil auch Tabakwaren anbietet.

Und bereits 1999 entschied die Delegiertenversammlung, dass in den Restaurants der Golfklubs und der Freizeitanlagen der Genossenschaft alkoholische Getränke ausgeschenkt werden dürfen.

Urabstimmung über das Alkoholverbot

Nun aber geht es um die eigentlichen Migros-Filialen: Fünf Delegierte des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB) hatten nämlich den Antrag gestellt, dass die Delegiertenversammlung über eine Streichung des Alkoholverkaufsverbot aus den Statuten abstimmt und damit den Weg für eine Urabstimmung der Genossenschafterinnen und Genossenschafter ebnet.

Sollten sich am Samstag in Zürich mindestens zwei Drittel der Delegierten dafür aussprechen, entscheiden ab Dezember in einem weiteren Schritt die Verwaltungen und Genossenschaftsräte der zehn regionalen Migros-Genossenschaften über die Aufhebung des Verbots.

Aber erst wenn wiederum mindestens zwei Drittel dieser Gremien zustimmen, käme es zu einer Urabstimmungen der Genossenschafterinnen und Genossenschafter in ihren Regionen. Diese möglichen Abstimmungen sind für den 4. Juni nächsten Jahres geplant und die Entscheide wären dann für die Migros verbindlich.

In denjenigen Verkaufsstellen, deren Genossenschaften sich mit einer Mehrheit von zwei Drittel für den Verkauf von Alkohol ausgesprochen haben, könnten somit im Verlaufe des übernächsten Jahres alkoholhaltige Getränke angeboten werden.

Skepsis und kritische Stimmen

Ob sich die Genossenschafterinnen und Genossenschafter am Ende für die Aufhebung des Verbots aussprechen werden, ist aber gar noch nicht sicher: So sagte der frühere Migros-Finanzchef Mario Bonorand gegenüber den CH Media-Zeitungen im Sommer, er könne sich nicht vorstellen, dass die Migros-Delegierten dieses «Heiligtum» abschaffen werden. Die Werte von Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler seien immer noch sehr stark verankert. Vom Kulturprozent bis hin zur demokratischen Genossenschaft - und eben auch dem Verzicht auf Alkohol und Tabak. Viele Delegierte sähen sich als Wächter von Duttweilers Vision. Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger kritisierte im Gespräch mit der «Handelszeitung», eine Abschaffung des Alkoholverbotes könne zur «Spaltung» führen. Er sei da skeptisch.

Auch bei nicht-repräsentativen Umfragen, die der «Blick» und die CH-Medien-Zeitungen bei ihren eigenen Leserinnen und Lesern durchführten, äusserte sich jeweils eine ziemlich deutliche Mehrheit gegen die Aufhebung des Verbots.

Für den früheren Migros Chef Anton Scherrer hingegen ist der Verzicht auf Alkohol "nicht mehr der Anker der Migros", wie er ebenfalls im Sommer gegenüber den Tamedia-Zeitungen sagte. Man müsse in der Alkoholfrage den Zeitgeist betrachten. Und vor allem für Jüngere sei das kaum mehr ein Thema. Deshalb sei es gut, dass man die Genossenschafter befrage.

Für den Konzern Migros wäre der Alkoholverkauf auf jeden Fall lukrativ: So rechnet Bonorand bei einer Aufhebung des Verbots mit einem Umsatzplus von 1,5 bis 2 Milliarden Franken.

(sda/me)