Vier Jahre ist es her, als Apple das letzte Mal mit einem neuen Produkt Begeisterungsstürme bei Fachleuten und Verbrauchern ausgelöst hat. Entsprechend gross ist der Druck auf den US-Konzern, bei seiner mit Spannung erwarteten Präsentation am Dienstagabend (MESZ) in Kalifornien wieder ein neues Gerät mit «Wow»-Effekt vorzustellen. Es könnte erneut um ein Produkt gehen, das ein ganzes Marktsegment neu definiert: die «iWatch», ein High-Tech-Armband mit Uhrenfunktion, über das seit Jahren spekuliert wird.

Das Apple-Management hat die Latte selbst hoch gelegt mit dem Versprechen, an der besten Produktpalette seit 25 Jahren zu basteln. Für Apple-Chef Tim Cook wird das Event zur Probe: Sollte es ihm gelingen, die Erfolgsgeschichte von Mac, iPod, iPhone und iPad um ein Kapitel fortzuschreiben, könnte er aus dem Schatten seines verstorbenen Vorgängers Steve Jobs treten, dem Apple-Fans ein geradezu magisches Händchen nachsagten.

Mit einer «Smartwatch» würde der Konzern in den bislang eher überschaubaren Markt für «Wearable Technology» (kurz «Wearables») vorstossen - Kleinstcomputer, die am Körper getragen werden. Bislang hat das Unternehmen, das um seine neuen Produkte stets monatelang ein grosses Geheimnis macht, kaum etwas nach aussen dringen lassen. Unbestätigten Berichten zufolge soll das Gerät in zwei Grössen verfügbar sein, ein flexibles Display haben und auch als elektronische Geldbörse fungieren. Zudem soll es Gesundheits- und Fitness-Daten aufzeichnen.

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Neue iPhones mit grösseren Bildschirmen

Zudem wird Apple am Dienstag voraussichtlich neue iPhones mit grösseren Bildschirmen vorstellen. Übereinstimmende Medienberichte weisen darauf hin, dass Apple seinem Smartphone erstmals deutlich grössere Bildschirme mit Diagonalen von 4,7 und 5,5 Zoll verpasst (knapp 12 und knapp 14 Zentimeter). Ausserdem plant Apple den Berichten zufolge ein iPhone-Bezahlsystem.

Die Präsentation wird von Apple live im Internet übertragen. Extra für das Event liess der Konzern in Cupertino ein grosses weisses Gebäude ohne Fenster errichten. Am Montag kochte die Gerüchteküche noch einmal auf. Die «New York Times» bekräftigte frühere Spekulationen, die Rockband U2 werde auf der Bühne dabeisein.

Konkurrenz hat unlängst Computeruhren lanciert

Der grosse Apple-Rivale Samsung hatte bereits vor einem Jahr seine erste Computeruhr auf den Markt gebracht. Auch andere Anbieter wie LG, Sony oder Motorola sprangen auf den Zug auf. Von Google gibt es mit Android Wear eine speziell darauf angepasste Version des meistbenutzten Smartphone-Betriebssystems. Apple wird dennoch zugetraut, mit seiner Uhr für Aufsehen zu sorgen. Bei bisherigen Geräten wurden oft die Batterielaufzeit und die Bedienung kritisiert.

Ähnlich ist es mit dem Bezahlsystem. Unter anderem Kreditkarten-Firmen und Mobilfunk-Anbieter versuchen schon seit Jahren, digitale Brieftaschen im Smartphone zu etablieren. Bisher hielten sich die Verbraucher jedoch zurück. Während diverse Android-Smartphones seit Jahren für den NFC-Nahfunk ausgerüstet sind, auf dem solche Systeme aufbauen, verzichtete Apple bisher darauf. Zuletzt hiess es, bei Apples Dienst solle man sein iPhone an das Kassen-Terminal halten und die Zahlung per Fingerabdruck auf dem Sensor des Telefons bestätigen können.

Mit Verzögerung einem Trend folgen

Und auch mit grösseren iPhones würde Apple mit Verzögerung einem Trend der Smartphone-Branche folgen. Während Telefone mit Android und auch mit Microsofts Windows Phone immer grössere Bildschirme bekamen, hielt Apple lange an der Display-Diagonale des ersten iPhone fest. Vor zwei Jahren legte der Konzern beim iPhone 5 etwas nach, aber mit 4 Zoll haben die Apple-Smartphones immer noch die kleinsten Bildschirme in ihrer Preisklasse. Apple erklärte das mit einer schlechteren Bildqualität auf bisherigen grösseren Bildschirmen und der Notwendigkeit, ein Smartphone mit einer Hand bedienen zu können.

Apple hielt zuletzt weniger als 15 Prozent am weltweiten Smartphone-Markt, der von günstigen Android-Modellen dominiert wird. Die Konzentration auf das obere Marktsegment bringt dem iPhone-Konzern aber die höchsten Gewinne in der Branche.

Alle Augen auf Apple gerichtet

Alle Augen seien nun auf die Präsentation im kalifornischen Cupertino gerichtet, sagt Shebly Seyfari, Branchenexperte vom Wertpapierhaus FBN Securities: «Der Markt wartet auf Apples Produkt, um die Kategorie wirklich zu definieren.» Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin zeigte sich Samsungs Europa-Chef Sunny Lee zuversichtlich, letztlich auch von einer iWatch profitieren zu können: «Wenn unsere Wettbewerber mitmachen, wird das den Markt erweitern", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Auch ein Manager des koreanischen Rivalen LG sagte Reuters in Berlin, der Markt stehe noch am Anfang.

Traditionelle Uhrenhersteller jetzt schon betroffen

Offen ist, wie sich eine iWatch auf den konventionellen Uhrenmarkt auswirken würde, der besonders in der Schweiz eine wichtige Rolle spielt. Die «New York Times» berichtete vergangene Woche unter Berufung auf einen Apple-Entwickler, Chef-Designer Jonathan Ive habe genüsslich erklärt, dass «die Schweiz in Schwierigkeiten sei» - allerdings habe er einen deutlicheren Ausdruck benutzt.

Tatsächlich machen Börsianer den langen Schatten des kalifornischen Kleinstcomputers mit dafür verantwortlich, dass die Swatch-Aktie in diesem Jahr fast 15 Prozent verloren hat. Der weltgrösste Uhrenhersteller hat angekündigt, den Zukunftsmarkt der Smartwatches aus eigener Kraft erobern zu wollen. Man werde im kommenden Sommer eine neue «Swatch Touch» mit Zusatzfunktion auf den Markt bringen, sagte Swatch-Chef Nick Hayek jüngst Reuters. Auch von der iWatch wird erwartet, dass sie nach einer Ankündigung am Dienstag erst 2015 zu kaufen sein wird.

(reuters/sda/ccr)