BILANZ: Mr. Moynihan, Ende 2008 war Ihr Abschied bei der Bank of America bereits intern bekannt, ein Jahr später wurden Sie Chef dieser Bank. Waren Sie überrascht?

Brian Moynihan: Es ist mir eine Ehre, diese Bank leiten zu dürfen.

Der Auswahlprozess dauerte vier Monate, auch CS-Chef Brady Dougan wurde angefragt, weil der Verwaltungsrat zunächst keinen internen Kandidaten wollte. Warum fiel die Wahl dann doch auf Sie?

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Über die Details des Auswahlprozesses äussere ich mich nicht. Aber es ist sicher sehr hilfreich, dass ich jeden Bereich des Unternehmens geführt habe. Ich leite es über unser Senior Management Team, und da sind die Kenntnisse über die einzelnen Geschäftsbereiche von grossem Wert.

Die ersten Monate nach Fusionsvoll-zug produzierte Ihre Bank vor allem wegen der unerwartet hohen Verluste des Partners Merrill Lynch negative Schlagzeilen. Wie schwer wiegt der schlechte Start?

Wir haben die Übernahme im Dezember 2008 abgeschlossen, und das vierte Quartal 2008 war das schlimmste, das die Wertpapierhäuser je gesehen hatten. Merrill Lynch erlitt einen Rekordverlust, und das erschwerte natürlich den Zusammenschluss. Aber das liegt jetzt hinter uns.

Ist der Zusammenschluss zum globalen Finanzgiganten also abgeschlossen?

40 bis 50 Prozent der Integration liegen hinter uns, der Rest kommt in diesem Jahr.
Auch in der Schweiz?

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die rechtlich noch nicht zusammengeführt sind. Wir warten noch auf die Zulassung der Behörden.

Wie wichtig ist die Schweiz?

Bank of America war hier bisher praktisch nicht aktiv, Merrill Lynch dagegen schon. Wir bedienen auf der Kapitalmarktseite grosse Unternehmen und arbeiten eng mit institutionellen Investoren zusammen. Unsere Privatbank Merrill Lynch Suisse mit Sitz in Genf ist deshalb sehr wichtig.

Wie erleben Sie die Debatte um das Bankgeheimnis?

Sie ist in den USA ehrlich gesagt kein grosses Thema.

Der Name Bank of America Merrill Lynch ist ein Ungetüm. Wollen Sie den wirklich behalten?

Bei unseren Kommerz- und Unternehmenskunden sind beide Namen gut bekannt. Die Marke repräsentiert das kombinierte Angebot am besten.

Aber bei den Privatkunden nicht?

Das Retailgeschäft in den USA läuft weiter unter dem Namen Bank of America, und die wohlhabenden Kunden im Private Banking betreuen wir unter Merrill Lynch Wealth Management.

Der amerikanische Präsident Barack Obama will die Macht der Grossbanken beschränken und beispielsweise den Eigenhandel verbieten. Wie stark trifft Sie das als grösste Bank Amerikas mit starkem Investment Banking?

Die Einführung hätte keinen grossen Einfluss auf unser Geschäft. Wir haben unsere Handels- und Verkaufsaktivitäten auf den Nutzen der Kunden ausgerichtet. So wie wir die Vorschläge verstehen, hätten sie keinen Einfluss auf die Art und Weise, wie wir unsere Dienstleistungen
erbringen.

Wie viel Prozent des Handels wären denn betroffen? Fünf bis zehn Prozent?

Viel weniger.

Fürchten Sie eine Wiederauferstehung des Glass-Steagall Act, der in den dreissiger Jahren eingeführt wurde und den amerikanischen Geschäftsbanken bis vor zehn Jahren das Investment Banking verbot?

Wenn wir eine Regulierung einführen, die sich an den dreissiger Jahren orientiert, ist das wenig sinnvoll, weder für die Finanzindustrie noch für die gesamte Wirtschaft. Ich sehe das auch nicht kommen.

Wie gross ist die Gefahr durch unterschiedliche Regulierungen in
den verschiedenen Märkten, in denen Sie tätig sind?

Es macht mir Sorgen, dass durch ungleiche Regeln die zwischenstaatlichen Kapitalflüsse betroffen werden. Darum sorgen sich alle Bankchefs, die ich getroffen habe.

Die US-Regierung hat sich auf dem Höhepunkt der Krise an Ihrer Bank beteiligt. Wie gross ist heute der Staatseinfluss noch?

Wir haben den Staatsanteil mit einem schönen Gewinn zurückbezahlt. Heute haben wir mit der Regierung die gleiche Beziehung wie vor zwei Jahren. Da gibt es keine Änderung.

Auch bei den Boni nicht? Immerhin mussten Sie ja die Bezahlung der
Topkader von einem «Pay-Zaren» absegnen lassen?

2009 haben wir gemäss der Performance unseres Geschäfts bezahlt. Wir haben unsere Leute fair entlöhnt – und in Übereinstimmung mit allen Vorgaben. Wir hatten Rekordgewinne in manchen Bereichen, und in anderen lief es nicht so gut. Das spiegeln unsere Auszahlungen wider.

Zusammengerechnet erzielten Bank of America und Merrill Lynch vor der Krise mehr als 20 Milliarden Dollar Gewinn. Wann erreichen Sie wieder diese Höhen?

Im Gleichschritt mit der sich erholenden Wirtschaft in den USA wird sich auch das Kreditgeschäft verbessern. Wir sollten innert nützlicher Frist zu einer normalen Rentabilität zurückkehren.

Nummer Eins

Mit mehr als 6000 Filialen und 53 Millionen Kundenbeziehungen ist die Bank of America klare Nummer eins im US-Bankengeschäft, nach der Übernahme der Investmentbank Merrill Lynch ist sie auch global führend. Brian Moynihan (50) übernahm den Chefposten Ende Jahr, nachdem der langjährige Lenker Ken Lewis unter Druck seinen Rücktritt erklärt hatte. Moynihan bezog für 2009 ein Salärpaket von 6,5 Millionen Dollar.

Dirk Schütz
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